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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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ihr selbst liegenden Gründe dazu genöthigt worden, sondern durch Darlehen
von außerordentlichem Umfang an den Staat, welcher in Folge dessen den
Zwangskurs dekretirte. In beiden Fällen waren es politische Ereignisse von
seltener Furchtbarkeit wie sie im Laufe eines Jahrhunderts oft nur einmal
vorkommen, welche die außerordentliche Inanspruchnahme der Bank herbeige¬
führt hatten -- im Jahre 1848 die Februarrevolution und die Julischlacht,
im Jahre 1870 der deutsch-französische Krieg mit seinen unerhörten Katastro¬
phen. Das erste Mal stellte sich das Vertrauen so rasch wieder her, daß die
Bank von der ihr ertheilten Erlaubniß Fünfzigfranken-Noten auszugeben, gar
keinen Gebrauch machte und daß sie schon nach kurzer Zeit die Baareinlösung
ihrer Noten wieder aufnahm.

In der gegenwärtigen Periode dauert der Zwangskurs zwar länger an
und ist auch gegenwärtig im fünften Jahre noch nicht wieder aufgehoben,
allein daran ist nur der erwähnte Umstand Schuld, daß der Staat den Nest
des Dcchrlehns der Bank von 827 Millionen noch nicht abgetragen hat.
Vielleicht würde sie aber trotzdem bereits die Zahlungen wieder aufgenommen
haben, weil ihre Noten nie mehr als um 2 per Mille entwerthet waren und
längst wieder auf pari stehen, weil ihr Baarschatz bereits weit mehr als die
Hälfte des Notenumlaufes erreicht hat und der Baarschatz, das Portefeuille
und die Darlehen nur noch um 263 Millionen hinter dem Notenumlauf zu¬
rückstehen, wenn sie nicht durch die Rücksicht auf die Operation der deutschen
Münzreform genöthigt wäre, noch Vorsicht zu üben. Die außerordentliche
Geschicklichkeit aber, mit welcher die Direktion der Bank von Frankreich seit
einem Jahre ihren Baarschatz von mehr als 600 Millionen Franken aus den
englischen und deutschen Goldvorräthen stärkte, hat dieser Anstalt in den
Augen der Fachmänner den internationalen Ehrenplatz einer Musteranstalt
eingetragen, welche von einem der bewährtesten Kenner des Bankwesens
Herrn Walter Bagehot sogar für die Organisation der deutschen Reichsbank
zum Vorbilde empfohlen wurde. Epochemachend in der Bankgeschichte war
die im Jahre 186S angestellte große Enquete, in welcher nach dem Vorbilde
der in den ersten Dezennien dieses Jahrhunderts vorgenommenen Untersuchungen
von Parlaments-Commissionen über die Bank von England die hervor¬
ragendsten Banquiers, Oeconomisten, Kaufleute und Fabrikanten Frankreichs
und sogar noch eine Anzahl von Gelehrten und Banquiers Englands, Deutsch¬
lands und Oesterreichs über den theoretischen und praktischen Werth der
Organisation der Bank von Frankreich in kritischen Epochen vernommen
wurden; denn diese Anstalt ging aus dieser Untersuchung mit gestärkten
Ansehen hervor und es sind seitdem die Haupt-Controversen des. Bankwesens
als gelöst zu betrachten.




ihr selbst liegenden Gründe dazu genöthigt worden, sondern durch Darlehen
von außerordentlichem Umfang an den Staat, welcher in Folge dessen den
Zwangskurs dekretirte. In beiden Fällen waren es politische Ereignisse von
seltener Furchtbarkeit wie sie im Laufe eines Jahrhunderts oft nur einmal
vorkommen, welche die außerordentliche Inanspruchnahme der Bank herbeige¬
führt hatten — im Jahre 1848 die Februarrevolution und die Julischlacht,
im Jahre 1870 der deutsch-französische Krieg mit seinen unerhörten Katastro¬
phen. Das erste Mal stellte sich das Vertrauen so rasch wieder her, daß die
Bank von der ihr ertheilten Erlaubniß Fünfzigfranken-Noten auszugeben, gar
keinen Gebrauch machte und daß sie schon nach kurzer Zeit die Baareinlösung
ihrer Noten wieder aufnahm.

In der gegenwärtigen Periode dauert der Zwangskurs zwar länger an
und ist auch gegenwärtig im fünften Jahre noch nicht wieder aufgehoben,
allein daran ist nur der erwähnte Umstand Schuld, daß der Staat den Nest
des Dcchrlehns der Bank von 827 Millionen noch nicht abgetragen hat.
Vielleicht würde sie aber trotzdem bereits die Zahlungen wieder aufgenommen
haben, weil ihre Noten nie mehr als um 2 per Mille entwerthet waren und
längst wieder auf pari stehen, weil ihr Baarschatz bereits weit mehr als die
Hälfte des Notenumlaufes erreicht hat und der Baarschatz, das Portefeuille
und die Darlehen nur noch um 263 Millionen hinter dem Notenumlauf zu¬
rückstehen, wenn sie nicht durch die Rücksicht auf die Operation der deutschen
Münzreform genöthigt wäre, noch Vorsicht zu üben. Die außerordentliche
Geschicklichkeit aber, mit welcher die Direktion der Bank von Frankreich seit
einem Jahre ihren Baarschatz von mehr als 600 Millionen Franken aus den
englischen und deutschen Goldvorräthen stärkte, hat dieser Anstalt in den
Augen der Fachmänner den internationalen Ehrenplatz einer Musteranstalt
eingetragen, welche von einem der bewährtesten Kenner des Bankwesens
Herrn Walter Bagehot sogar für die Organisation der deutschen Reichsbank
zum Vorbilde empfohlen wurde. Epochemachend in der Bankgeschichte war
die im Jahre 186S angestellte große Enquete, in welcher nach dem Vorbilde
der in den ersten Dezennien dieses Jahrhunderts vorgenommenen Untersuchungen
von Parlaments-Commissionen über die Bank von England die hervor¬
ragendsten Banquiers, Oeconomisten, Kaufleute und Fabrikanten Frankreichs
und sogar noch eine Anzahl von Gelehrten und Banquiers Englands, Deutsch¬
lands und Oesterreichs über den theoretischen und praktischen Werth der
Organisation der Bank von Frankreich in kritischen Epochen vernommen
wurden; denn diese Anstalt ging aus dieser Untersuchung mit gestärkten
Ansehen hervor und es sind seitdem die Haupt-Controversen des. Bankwesens
als gelöst zu betrachten.




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[0074] ihr selbst liegenden Gründe dazu genöthigt worden, sondern durch Darlehen von außerordentlichem Umfang an den Staat, welcher in Folge dessen den Zwangskurs dekretirte. In beiden Fällen waren es politische Ereignisse von seltener Furchtbarkeit wie sie im Laufe eines Jahrhunderts oft nur einmal vorkommen, welche die außerordentliche Inanspruchnahme der Bank herbeige¬ führt hatten — im Jahre 1848 die Februarrevolution und die Julischlacht, im Jahre 1870 der deutsch-französische Krieg mit seinen unerhörten Katastro¬ phen. Das erste Mal stellte sich das Vertrauen so rasch wieder her, daß die Bank von der ihr ertheilten Erlaubniß Fünfzigfranken-Noten auszugeben, gar keinen Gebrauch machte und daß sie schon nach kurzer Zeit die Baareinlösung ihrer Noten wieder aufnahm. In der gegenwärtigen Periode dauert der Zwangskurs zwar länger an und ist auch gegenwärtig im fünften Jahre noch nicht wieder aufgehoben, allein daran ist nur der erwähnte Umstand Schuld, daß der Staat den Nest des Dcchrlehns der Bank von 827 Millionen noch nicht abgetragen hat. Vielleicht würde sie aber trotzdem bereits die Zahlungen wieder aufgenommen haben, weil ihre Noten nie mehr als um 2 per Mille entwerthet waren und längst wieder auf pari stehen, weil ihr Baarschatz bereits weit mehr als die Hälfte des Notenumlaufes erreicht hat und der Baarschatz, das Portefeuille und die Darlehen nur noch um 263 Millionen hinter dem Notenumlauf zu¬ rückstehen, wenn sie nicht durch die Rücksicht auf die Operation der deutschen Münzreform genöthigt wäre, noch Vorsicht zu üben. Die außerordentliche Geschicklichkeit aber, mit welcher die Direktion der Bank von Frankreich seit einem Jahre ihren Baarschatz von mehr als 600 Millionen Franken aus den englischen und deutschen Goldvorräthen stärkte, hat dieser Anstalt in den Augen der Fachmänner den internationalen Ehrenplatz einer Musteranstalt eingetragen, welche von einem der bewährtesten Kenner des Bankwesens Herrn Walter Bagehot sogar für die Organisation der deutschen Reichsbank zum Vorbilde empfohlen wurde. Epochemachend in der Bankgeschichte war die im Jahre 186S angestellte große Enquete, in welcher nach dem Vorbilde der in den ersten Dezennien dieses Jahrhunderts vorgenommenen Untersuchungen von Parlaments-Commissionen über die Bank von England die hervor¬ ragendsten Banquiers, Oeconomisten, Kaufleute und Fabrikanten Frankreichs und sogar noch eine Anzahl von Gelehrten und Banquiers Englands, Deutsch¬ lands und Oesterreichs über den theoretischen und praktischen Werth der Organisation der Bank von Frankreich in kritischen Epochen vernommen wurden; denn diese Anstalt ging aus dieser Untersuchung mit gestärkten Ansehen hervor und es sind seitdem die Haupt-Controversen des. Bankwesens als gelöst zu betrachten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/74>, abgerufen am 28.05.2024.