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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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mals höchste Würde der Kirche empfing. Vielleicht hatte Ulfilas diese Er¬
hebung nächst seinen persönlichen Eigenschaften der Huld und Empfehlung des
Kaisers Constantius zu verdanken, der bald nach dem Tode seines Vaters
Constantin im Osten des Reiches zur Herrschaft gelangt war. Derselbe
mochte hoffen, daß der junge Würdenträger unter seinen Volksgenossen dem
Christenthums zum Siege verhelfen, diese dadurch dem römischen Reiche enger
verbünden und von weiteren feindlichen Einfällen abhalten werde. In der
That lag es dem Ulfilas fern, den bischöflichen Schmuck blos als einen Zu<
wachs an äußerlichen Glänze zu betrachten und den Anforderungen seines
Amtes nur in Bezug auf die in der Hauptstadt lebenden Gothen zu genügen.
Die Nothwendigkeit, sich in der freien Aeußerung seiner religiösen Ueberzeu¬
gung zu beschränken, die haarspaltenden Streitigkeiten seiner griechischen Um¬
gebung über das göttliche Wesen, die Herrschsucht der Priester, die Sitten¬
verderbnis bei Hoch und Gering, dies alles verleidete ihm seinen Aufenthalt
in Konstantinopel. Ihm lag vor Allem das praktische Christenthum am
Herzen, selbst "göttlich zu leben" und andere zu einem göttlichen Leben zu
führen. Als nun gar nach dem Tode des Eusebius die Feindschaft der Par¬
teien aus den Straßen Constantinopels zum blutigen Ausbruch kam, hielt ihn
nichts hier länger zurück.

Unter den Westgothen waren damals 2 Vögte zu besonderem Ansehen ge¬
langt. Fritigern und Athanarich. Namentlich dieser letztere trug sich mit
hochfliegenden Plänen, zum mindesten beabsichtigte er die Aufrichtung eines
westgothischen Königthums, ohne Zweifel aber im Anschluß daran auch Ero¬
berungszüge ins römische Gebiet. Wie nun die Herrscher dieses letzteren früher
das Heidenthum, jetzt aber das Christenthum schützten, nicht etwa immer aus
Gründen der Wahrheit, sondern oft aus politischen Rücksichten, so suchte
Athanarich den christlichen Neuerungen gegenüber die Stütze seiner Macht in
der altehrwürdigen heimischen Religion. Gerade hier nun begann Ulfilas
seine apostolische Wirksamkeit. Unter unzähligen Mühsalen und Gefahren,
die ihm die Natur des Ortes und die Feindseligkeit der Menschen bereiteten,
durchwanderte er das unwegsame Land und entwickelte im Anfang vorsichtig
und im Stillen die Keime des Christenthums, die er hier und dort vorfand.
Erst als er eine große Schaar seiner Landsleute im Glauben befestigt hatte,
trat er mehr in die Oeffentlichkeit hervor, um die ganze Masse des Volkes zu
gewinnen. Sieben Jahre lang war er in dieser Weise thätig. Als aber
Athanarich bemerkte, welche bedeutende Ausdehnung das Christenthum ge¬
wonnen h^e, ordnete er eine blutige Verfolgung der Neubekehrten an und viele
derselben erlitten rühmlichen Märtyrertod. Einige starben gerichtlich ver¬
urtheilt, andere, ohne auch nur gehört worden zu sein. Sobald irgend Je¬
mand eine Gabe zur christlichen Kirche trug, wurde er ergriffen und dem


mals höchste Würde der Kirche empfing. Vielleicht hatte Ulfilas diese Er¬
hebung nächst seinen persönlichen Eigenschaften der Huld und Empfehlung des
Kaisers Constantius zu verdanken, der bald nach dem Tode seines Vaters
Constantin im Osten des Reiches zur Herrschaft gelangt war. Derselbe
mochte hoffen, daß der junge Würdenträger unter seinen Volksgenossen dem
Christenthums zum Siege verhelfen, diese dadurch dem römischen Reiche enger
verbünden und von weiteren feindlichen Einfällen abhalten werde. In der
That lag es dem Ulfilas fern, den bischöflichen Schmuck blos als einen Zu<
wachs an äußerlichen Glänze zu betrachten und den Anforderungen seines
Amtes nur in Bezug auf die in der Hauptstadt lebenden Gothen zu genügen.
Die Nothwendigkeit, sich in der freien Aeußerung seiner religiösen Ueberzeu¬
gung zu beschränken, die haarspaltenden Streitigkeiten seiner griechischen Um¬
gebung über das göttliche Wesen, die Herrschsucht der Priester, die Sitten¬
verderbnis bei Hoch und Gering, dies alles verleidete ihm seinen Aufenthalt
in Konstantinopel. Ihm lag vor Allem das praktische Christenthum am
Herzen, selbst „göttlich zu leben" und andere zu einem göttlichen Leben zu
führen. Als nun gar nach dem Tode des Eusebius die Feindschaft der Par¬
teien aus den Straßen Constantinopels zum blutigen Ausbruch kam, hielt ihn
nichts hier länger zurück.

Unter den Westgothen waren damals 2 Vögte zu besonderem Ansehen ge¬
langt. Fritigern und Athanarich. Namentlich dieser letztere trug sich mit
hochfliegenden Plänen, zum mindesten beabsichtigte er die Aufrichtung eines
westgothischen Königthums, ohne Zweifel aber im Anschluß daran auch Ero¬
berungszüge ins römische Gebiet. Wie nun die Herrscher dieses letzteren früher
das Heidenthum, jetzt aber das Christenthum schützten, nicht etwa immer aus
Gründen der Wahrheit, sondern oft aus politischen Rücksichten, so suchte
Athanarich den christlichen Neuerungen gegenüber die Stütze seiner Macht in
der altehrwürdigen heimischen Religion. Gerade hier nun begann Ulfilas
seine apostolische Wirksamkeit. Unter unzähligen Mühsalen und Gefahren,
die ihm die Natur des Ortes und die Feindseligkeit der Menschen bereiteten,
durchwanderte er das unwegsame Land und entwickelte im Anfang vorsichtig
und im Stillen die Keime des Christenthums, die er hier und dort vorfand.
Erst als er eine große Schaar seiner Landsleute im Glauben befestigt hatte,
trat er mehr in die Oeffentlichkeit hervor, um die ganze Masse des Volkes zu
gewinnen. Sieben Jahre lang war er in dieser Weise thätig. Als aber
Athanarich bemerkte, welche bedeutende Ausdehnung das Christenthum ge¬
wonnen h^e, ordnete er eine blutige Verfolgung der Neubekehrten an und viele
derselben erlitten rühmlichen Märtyrertod. Einige starben gerichtlich ver¬
urtheilt, andere, ohne auch nur gehört worden zu sein. Sobald irgend Je¬
mand eine Gabe zur christlichen Kirche trug, wurde er ergriffen und dem


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[0011] mals höchste Würde der Kirche empfing. Vielleicht hatte Ulfilas diese Er¬ hebung nächst seinen persönlichen Eigenschaften der Huld und Empfehlung des Kaisers Constantius zu verdanken, der bald nach dem Tode seines Vaters Constantin im Osten des Reiches zur Herrschaft gelangt war. Derselbe mochte hoffen, daß der junge Würdenträger unter seinen Volksgenossen dem Christenthums zum Siege verhelfen, diese dadurch dem römischen Reiche enger verbünden und von weiteren feindlichen Einfällen abhalten werde. In der That lag es dem Ulfilas fern, den bischöflichen Schmuck blos als einen Zu< wachs an äußerlichen Glänze zu betrachten und den Anforderungen seines Amtes nur in Bezug auf die in der Hauptstadt lebenden Gothen zu genügen. Die Nothwendigkeit, sich in der freien Aeußerung seiner religiösen Ueberzeu¬ gung zu beschränken, die haarspaltenden Streitigkeiten seiner griechischen Um¬ gebung über das göttliche Wesen, die Herrschsucht der Priester, die Sitten¬ verderbnis bei Hoch und Gering, dies alles verleidete ihm seinen Aufenthalt in Konstantinopel. Ihm lag vor Allem das praktische Christenthum am Herzen, selbst „göttlich zu leben" und andere zu einem göttlichen Leben zu führen. Als nun gar nach dem Tode des Eusebius die Feindschaft der Par¬ teien aus den Straßen Constantinopels zum blutigen Ausbruch kam, hielt ihn nichts hier länger zurück. Unter den Westgothen waren damals 2 Vögte zu besonderem Ansehen ge¬ langt. Fritigern und Athanarich. Namentlich dieser letztere trug sich mit hochfliegenden Plänen, zum mindesten beabsichtigte er die Aufrichtung eines westgothischen Königthums, ohne Zweifel aber im Anschluß daran auch Ero¬ berungszüge ins römische Gebiet. Wie nun die Herrscher dieses letzteren früher das Heidenthum, jetzt aber das Christenthum schützten, nicht etwa immer aus Gründen der Wahrheit, sondern oft aus politischen Rücksichten, so suchte Athanarich den christlichen Neuerungen gegenüber die Stütze seiner Macht in der altehrwürdigen heimischen Religion. Gerade hier nun begann Ulfilas seine apostolische Wirksamkeit. Unter unzähligen Mühsalen und Gefahren, die ihm die Natur des Ortes und die Feindseligkeit der Menschen bereiteten, durchwanderte er das unwegsame Land und entwickelte im Anfang vorsichtig und im Stillen die Keime des Christenthums, die er hier und dort vorfand. Erst als er eine große Schaar seiner Landsleute im Glauben befestigt hatte, trat er mehr in die Oeffentlichkeit hervor, um die ganze Masse des Volkes zu gewinnen. Sieben Jahre lang war er in dieser Weise thätig. Als aber Athanarich bemerkte, welche bedeutende Ausdehnung das Christenthum ge¬ wonnen h^e, ordnete er eine blutige Verfolgung der Neubekehrten an und viele derselben erlitten rühmlichen Märtyrertod. Einige starben gerichtlich ver¬ urtheilt, andere, ohne auch nur gehört worden zu sein. Sobald irgend Je¬ mand eine Gabe zur christlichen Kirche trug, wurde er ergriffen und dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/11>, abgerufen am 24.05.2024.