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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Wir kommen zur Lausitz preußischen und sächsischen Antheils. Hier
wohnen etwa 140.000 Wenden nieder- und oberlausitzer Zunge, rings von
Deutschen umgeben und von deutschen Sprachinseln bereits vielfach, nament¬
lich in der Niederlausitz, durchsetzt, schon fast durchgängig ein zweisprachiges
Volk, da auch in der Volksschule das Deutsche die vorherrschende, wenn nicht
die. alleinige Unterrichtssprache ist und außerdem die allgemeine Wehrpflicht
mit dem wachsenden Verkehr verbunden die Erhaltung dieses nationalen Son¬
derlebens wenig begünstigt. Von den 4 Gymnasien der sächsischen und preu¬
ßischen Ober-Lausitz (Görlitz, Lauban, Zittau, Bautzen) berücksichtigt demnach
nur noch das zu Bautzen. mitten im wendischen Sprachgebiete, aber in einer
deutschen Stadt gelegen das Wendische, indem hier facultativ. wesentlich für
künftige Theologen, in 2 Abtheilungen je 1 Stunde diese Sprache gelehrt
wird. In der zum Regierungsbezirk Frankfurt, Provinz Brandenburg ge¬
hörigen Nieder-Lausttz. deren wendischer Dialekt von dem oberlausitzer we¬
sentlich sich unterscheidet, kommt unter 4 Gymnasien (Guben. Sorau. Cottbus.
Luckau) nur das evangelische Städtische Gymnasium zu Cottbus, dem Mittelpunkte
der ganzen Landschaft, das "mjesto", die "Stadt", schlechtweg bei den Wenden
heißt, für das Wendische in Betracht. Diese Anstalt, welche früher wohl "die
Universität der Wenden" sich nannte, bietet jetzt facultativen wendischen Un¬
terricht in 3 Abtheilungen zu 2 Stunden der wie der in Bautzen, wesentlich
von künftigen Theologen benützt wird *). Daß das Wendische nirgends als
Unterrichtssprache fungirt, versteht sich nach dem Gesagten von selbst.

Noch bleiben nun die Verhältnisse Schleswigs zu erörtern. Be¬
kanntlich läuft hier die Sprachgrenze nördlich von Flensburg, indem sie das
Sundewitt und die Insel Alsen mit zum dänischen Gebiete zieht. Darüber
südlich hinaus ist Flensburg wenigstens eine halbdänische Stadt, umgekehrt
tragen die größeren Städte nördlich dieser Linie, Apenrade, Hadersleben,
Christiansfeld durchaus deutschen Charakter. In dänischen Interesse hatte
hier seit 18S1 die Kopenhagener Regierung das deutsche Wesen zum Theil ganz
bei Seite gedrängt, nur die Domschule zu Schleswig als deutsche Anstalt be¬
stehen lassen, dagegen die Schule zu Hadersleben in eine ganz dänische, die
zu Flensburg in" eine gemischte verwandelt. Erst 1864 brachte die Umgestal¬
tung aller in deutsche Anstalten. Den Bedürfnissen der national gemischten
Landschaft entsprechend gewähren jedoch laut Verfügung des Provinzialschul-
eollegiums vom 20. Februar 1869. die nur schon vorhandene Zustände be¬
stätigte**), alle 4 Gymnasien des Herzogthums. die sämmtlich evangelisch sind
und königlicher Collatur unterstehen. Flensburg, Hadersleben. Schleswig




') s. auch Wiese I. 133.
") Wiese II. 52.

Wir kommen zur Lausitz preußischen und sächsischen Antheils. Hier
wohnen etwa 140.000 Wenden nieder- und oberlausitzer Zunge, rings von
Deutschen umgeben und von deutschen Sprachinseln bereits vielfach, nament¬
lich in der Niederlausitz, durchsetzt, schon fast durchgängig ein zweisprachiges
Volk, da auch in der Volksschule das Deutsche die vorherrschende, wenn nicht
die. alleinige Unterrichtssprache ist und außerdem die allgemeine Wehrpflicht
mit dem wachsenden Verkehr verbunden die Erhaltung dieses nationalen Son¬
derlebens wenig begünstigt. Von den 4 Gymnasien der sächsischen und preu¬
ßischen Ober-Lausitz (Görlitz, Lauban, Zittau, Bautzen) berücksichtigt demnach
nur noch das zu Bautzen. mitten im wendischen Sprachgebiete, aber in einer
deutschen Stadt gelegen das Wendische, indem hier facultativ. wesentlich für
künftige Theologen, in 2 Abtheilungen je 1 Stunde diese Sprache gelehrt
wird. In der zum Regierungsbezirk Frankfurt, Provinz Brandenburg ge¬
hörigen Nieder-Lausttz. deren wendischer Dialekt von dem oberlausitzer we¬
sentlich sich unterscheidet, kommt unter 4 Gymnasien (Guben. Sorau. Cottbus.
Luckau) nur das evangelische Städtische Gymnasium zu Cottbus, dem Mittelpunkte
der ganzen Landschaft, das „mjesto", die „Stadt", schlechtweg bei den Wenden
heißt, für das Wendische in Betracht. Diese Anstalt, welche früher wohl „die
Universität der Wenden" sich nannte, bietet jetzt facultativen wendischen Un¬
terricht in 3 Abtheilungen zu 2 Stunden der wie der in Bautzen, wesentlich
von künftigen Theologen benützt wird *). Daß das Wendische nirgends als
Unterrichtssprache fungirt, versteht sich nach dem Gesagten von selbst.

Noch bleiben nun die Verhältnisse Schleswigs zu erörtern. Be¬
kanntlich läuft hier die Sprachgrenze nördlich von Flensburg, indem sie das
Sundewitt und die Insel Alsen mit zum dänischen Gebiete zieht. Darüber
südlich hinaus ist Flensburg wenigstens eine halbdänische Stadt, umgekehrt
tragen die größeren Städte nördlich dieser Linie, Apenrade, Hadersleben,
Christiansfeld durchaus deutschen Charakter. In dänischen Interesse hatte
hier seit 18S1 die Kopenhagener Regierung das deutsche Wesen zum Theil ganz
bei Seite gedrängt, nur die Domschule zu Schleswig als deutsche Anstalt be¬
stehen lassen, dagegen die Schule zu Hadersleben in eine ganz dänische, die
zu Flensburg in" eine gemischte verwandelt. Erst 1864 brachte die Umgestal¬
tung aller in deutsche Anstalten. Den Bedürfnissen der national gemischten
Landschaft entsprechend gewähren jedoch laut Verfügung des Provinzialschul-
eollegiums vom 20. Februar 1869. die nur schon vorhandene Zustände be¬
stätigte**), alle 4 Gymnasien des Herzogthums. die sämmtlich evangelisch sind
und königlicher Collatur unterstehen. Flensburg, Hadersleben. Schleswig




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[0034] Wir kommen zur Lausitz preußischen und sächsischen Antheils. Hier wohnen etwa 140.000 Wenden nieder- und oberlausitzer Zunge, rings von Deutschen umgeben und von deutschen Sprachinseln bereits vielfach, nament¬ lich in der Niederlausitz, durchsetzt, schon fast durchgängig ein zweisprachiges Volk, da auch in der Volksschule das Deutsche die vorherrschende, wenn nicht die. alleinige Unterrichtssprache ist und außerdem die allgemeine Wehrpflicht mit dem wachsenden Verkehr verbunden die Erhaltung dieses nationalen Son¬ derlebens wenig begünstigt. Von den 4 Gymnasien der sächsischen und preu¬ ßischen Ober-Lausitz (Görlitz, Lauban, Zittau, Bautzen) berücksichtigt demnach nur noch das zu Bautzen. mitten im wendischen Sprachgebiete, aber in einer deutschen Stadt gelegen das Wendische, indem hier facultativ. wesentlich für künftige Theologen, in 2 Abtheilungen je 1 Stunde diese Sprache gelehrt wird. In der zum Regierungsbezirk Frankfurt, Provinz Brandenburg ge¬ hörigen Nieder-Lausttz. deren wendischer Dialekt von dem oberlausitzer we¬ sentlich sich unterscheidet, kommt unter 4 Gymnasien (Guben. Sorau. Cottbus. Luckau) nur das evangelische Städtische Gymnasium zu Cottbus, dem Mittelpunkte der ganzen Landschaft, das „mjesto", die „Stadt", schlechtweg bei den Wenden heißt, für das Wendische in Betracht. Diese Anstalt, welche früher wohl „die Universität der Wenden" sich nannte, bietet jetzt facultativen wendischen Un¬ terricht in 3 Abtheilungen zu 2 Stunden der wie der in Bautzen, wesentlich von künftigen Theologen benützt wird *). Daß das Wendische nirgends als Unterrichtssprache fungirt, versteht sich nach dem Gesagten von selbst. Noch bleiben nun die Verhältnisse Schleswigs zu erörtern. Be¬ kanntlich läuft hier die Sprachgrenze nördlich von Flensburg, indem sie das Sundewitt und die Insel Alsen mit zum dänischen Gebiete zieht. Darüber südlich hinaus ist Flensburg wenigstens eine halbdänische Stadt, umgekehrt tragen die größeren Städte nördlich dieser Linie, Apenrade, Hadersleben, Christiansfeld durchaus deutschen Charakter. In dänischen Interesse hatte hier seit 18S1 die Kopenhagener Regierung das deutsche Wesen zum Theil ganz bei Seite gedrängt, nur die Domschule zu Schleswig als deutsche Anstalt be¬ stehen lassen, dagegen die Schule zu Hadersleben in eine ganz dänische, die zu Flensburg in" eine gemischte verwandelt. Erst 1864 brachte die Umgestal¬ tung aller in deutsche Anstalten. Den Bedürfnissen der national gemischten Landschaft entsprechend gewähren jedoch laut Verfügung des Provinzialschul- eollegiums vom 20. Februar 1869. die nur schon vorhandene Zustände be¬ stätigte**), alle 4 Gymnasien des Herzogthums. die sämmtlich evangelisch sind und königlicher Collatur unterstehen. Flensburg, Hadersleben. Schleswig ') s. auch Wiese I. 133. ") Wiese II. 52.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/34>, abgerufen am 24.05.2024.