Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Doch greifen wir nicht vor. Die obigen Bemerkungen sollten blos an¬
deuten , daß in dem reizenden Berglande, von dem die nachfolgenden Blätter
einiges Nähere berichten werden, auf Sommergäste im Allgemeinen einstweilen
nicht gerechnet ist. Allein keine lange Zeit dürfte wohl dahin gehen, bis der
mit der neuen Bahn unfehlbar eindringende Touristenstrom, wie nördlich (in
Schlesien, so auch südlich in Böhmen an allen dazu passend gelegenen Orten
Villeggiaturveranstaltungen ins Leben ruft. Für diese künftigen Sommer¬
frischler an den südlichen und südwestlichen Abhängen am Riesen - und Jser-
gebirge sind meine Schilderungen mehrerer besonders schöner und anmuthender
Punkte der gedachten Landschaft zunächst bestimmt.

Wer gewohntermaßen von der schlesischen Seite kommt, a^s dem berühm¬
ten Hirschberger Thale , das von Alters her ein Hauptcentrum des Touristen¬
verkehrs und Sommerlebens in den Sudeten bildet, der überschreitet bei Neu¬
welt, einem gräflich Harrach'schen Glasindustriedorfe, die österreichische
Grenze. In der That gemahnt es uns da wie eine neue Welt. Nicht als
ob sich die Landschaft jählings verändert hätte, Naturscenerie und Staffage
bleiben im Gegentheil hüben und drüben vorerst ganz die nämlichen: rings
dunkle Nadelholzwände, auf dem Wiesengehänge des Grundes, so weit der
Blick reicht, die netten kleinen Gebirgshäuser ausgesäet, als wären sie einer
Nürnberger Spielzeugschachtel entnommen, zur Seite der über wildes Gestein
rauschende Bach, der die Glasschleifen in Gang setzt -- das Alles steht unge¬
fähr ebenso aus wie jenseit des schwarzgelben Grenzpfahls das Bild von
Schreibersau, dem wie Neuwelt das Glas den Lebensathem einhaucht, nur
daß dort die erhabeneren Gipfel des Koppenzugs zum Vorschein kommen,
die hier hinter den näheren Höhen zurücktreten.

Im Uebrigen jedoch ist wirklich Alles, oder doch sehr Vieles, anders als
am Nordrande des Gebirges: die Menschen und ihre Denk- und Bildungs¬
weise, die Mundart, die Namendezeichnung einer Menge von Dingen und Ver¬
richtungen, Speise und Trank u. s. w., als trennte nicht eine imaginäre Linie,
sondern ein weites Zwischenland die beiden Gebirgsflanken.






Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum in Leipzig.
Äerlag von F. L. Hervig in Leipzig, -- Druck von Hüthel 6, Herrmann in Leipzig.

Doch greifen wir nicht vor. Die obigen Bemerkungen sollten blos an¬
deuten , daß in dem reizenden Berglande, von dem die nachfolgenden Blätter
einiges Nähere berichten werden, auf Sommergäste im Allgemeinen einstweilen
nicht gerechnet ist. Allein keine lange Zeit dürfte wohl dahin gehen, bis der
mit der neuen Bahn unfehlbar eindringende Touristenstrom, wie nördlich (in
Schlesien, so auch südlich in Böhmen an allen dazu passend gelegenen Orten
Villeggiaturveranstaltungen ins Leben ruft. Für diese künftigen Sommer¬
frischler an den südlichen und südwestlichen Abhängen am Riesen - und Jser-
gebirge sind meine Schilderungen mehrerer besonders schöner und anmuthender
Punkte der gedachten Landschaft zunächst bestimmt.

Wer gewohntermaßen von der schlesischen Seite kommt, a^s dem berühm¬
ten Hirschberger Thale , das von Alters her ein Hauptcentrum des Touristen¬
verkehrs und Sommerlebens in den Sudeten bildet, der überschreitet bei Neu¬
welt, einem gräflich Harrach'schen Glasindustriedorfe, die österreichische
Grenze. In der That gemahnt es uns da wie eine neue Welt. Nicht als
ob sich die Landschaft jählings verändert hätte, Naturscenerie und Staffage
bleiben im Gegentheil hüben und drüben vorerst ganz die nämlichen: rings
dunkle Nadelholzwände, auf dem Wiesengehänge des Grundes, so weit der
Blick reicht, die netten kleinen Gebirgshäuser ausgesäet, als wären sie einer
Nürnberger Spielzeugschachtel entnommen, zur Seite der über wildes Gestein
rauschende Bach, der die Glasschleifen in Gang setzt — das Alles steht unge¬
fähr ebenso aus wie jenseit des schwarzgelben Grenzpfahls das Bild von
Schreibersau, dem wie Neuwelt das Glas den Lebensathem einhaucht, nur
daß dort die erhabeneren Gipfel des Koppenzugs zum Vorschein kommen,
die hier hinter den näheren Höhen zurücktreten.

Im Uebrigen jedoch ist wirklich Alles, oder doch sehr Vieles, anders als
am Nordrande des Gebirges: die Menschen und ihre Denk- und Bildungs¬
weise, die Mundart, die Namendezeichnung einer Menge von Dingen und Ver¬
richtungen, Speise und Trank u. s. w., als trennte nicht eine imaginäre Linie,
sondern ein weites Zwischenland die beiden Gebirgsflanken.






Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum in Leipzig.
Äerlag von F. L. Hervig in Leipzig, — Druck von Hüthel 6, Herrmann in Leipzig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0044" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134390"/>
          <p xml:id="ID_92"> Doch greifen wir nicht vor. Die obigen Bemerkungen sollten blos an¬<lb/>
deuten , daß in dem reizenden Berglande, von dem die nachfolgenden Blätter<lb/>
einiges Nähere berichten werden, auf Sommergäste im Allgemeinen einstweilen<lb/>
nicht gerechnet ist. Allein keine lange Zeit dürfte wohl dahin gehen, bis der<lb/>
mit der neuen Bahn unfehlbar eindringende Touristenstrom, wie nördlich (in<lb/>
Schlesien, so auch südlich in Böhmen an allen dazu passend gelegenen Orten<lb/>
Villeggiaturveranstaltungen ins Leben ruft. Für diese künftigen Sommer¬<lb/>
frischler an den südlichen und südwestlichen Abhängen am Riesen - und Jser-<lb/>
gebirge sind meine Schilderungen mehrerer besonders schöner und anmuthender<lb/>
Punkte der gedachten Landschaft zunächst bestimmt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_93"> Wer gewohntermaßen von der schlesischen Seite kommt, a^s dem berühm¬<lb/>
ten Hirschberger Thale , das von Alters her ein Hauptcentrum des Touristen¬<lb/>
verkehrs und Sommerlebens in den Sudeten bildet, der überschreitet bei Neu¬<lb/>
welt, einem gräflich Harrach'schen Glasindustriedorfe, die österreichische<lb/>
Grenze. In der That gemahnt es uns da wie eine neue Welt. Nicht als<lb/>
ob sich die Landschaft jählings verändert hätte, Naturscenerie und Staffage<lb/>
bleiben im Gegentheil hüben und drüben vorerst ganz die nämlichen: rings<lb/>
dunkle Nadelholzwände, auf dem Wiesengehänge des Grundes, so weit der<lb/>
Blick reicht, die netten kleinen Gebirgshäuser ausgesäet, als wären sie einer<lb/>
Nürnberger Spielzeugschachtel entnommen, zur Seite der über wildes Gestein<lb/>
rauschende Bach, der die Glasschleifen in Gang setzt &#x2014; das Alles steht unge¬<lb/>
fähr ebenso aus wie jenseit des schwarzgelben Grenzpfahls das Bild von<lb/>
Schreibersau, dem wie Neuwelt das Glas den Lebensathem einhaucht, nur<lb/>
daß dort die erhabeneren Gipfel des Koppenzugs zum Vorschein kommen,<lb/>
die hier hinter den näheren Höhen zurücktreten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_94"> Im Uebrigen jedoch ist wirklich Alles, oder doch sehr Vieles, anders als<lb/>
am Nordrande des Gebirges: die Menschen und ihre Denk- und Bildungs¬<lb/>
weise, die Mundart, die Namendezeichnung einer Menge von Dingen und Ver¬<lb/>
richtungen, Speise und Trank u. s. w., als trennte nicht eine imaginäre Linie,<lb/>
sondern ein weites Zwischenland die beiden Gebirgsflanken.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note type="byline"> Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum in Leipzig.<lb/>
Äerlag von F. L. Hervig in Leipzig, &#x2014; Druck von Hüthel 6, Herrmann in Leipzig.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0044] Doch greifen wir nicht vor. Die obigen Bemerkungen sollten blos an¬ deuten , daß in dem reizenden Berglande, von dem die nachfolgenden Blätter einiges Nähere berichten werden, auf Sommergäste im Allgemeinen einstweilen nicht gerechnet ist. Allein keine lange Zeit dürfte wohl dahin gehen, bis der mit der neuen Bahn unfehlbar eindringende Touristenstrom, wie nördlich (in Schlesien, so auch südlich in Böhmen an allen dazu passend gelegenen Orten Villeggiaturveranstaltungen ins Leben ruft. Für diese künftigen Sommer¬ frischler an den südlichen und südwestlichen Abhängen am Riesen - und Jser- gebirge sind meine Schilderungen mehrerer besonders schöner und anmuthender Punkte der gedachten Landschaft zunächst bestimmt. Wer gewohntermaßen von der schlesischen Seite kommt, a^s dem berühm¬ ten Hirschberger Thale , das von Alters her ein Hauptcentrum des Touristen¬ verkehrs und Sommerlebens in den Sudeten bildet, der überschreitet bei Neu¬ welt, einem gräflich Harrach'schen Glasindustriedorfe, die österreichische Grenze. In der That gemahnt es uns da wie eine neue Welt. Nicht als ob sich die Landschaft jählings verändert hätte, Naturscenerie und Staffage bleiben im Gegentheil hüben und drüben vorerst ganz die nämlichen: rings dunkle Nadelholzwände, auf dem Wiesengehänge des Grundes, so weit der Blick reicht, die netten kleinen Gebirgshäuser ausgesäet, als wären sie einer Nürnberger Spielzeugschachtel entnommen, zur Seite der über wildes Gestein rauschende Bach, der die Glasschleifen in Gang setzt — das Alles steht unge¬ fähr ebenso aus wie jenseit des schwarzgelben Grenzpfahls das Bild von Schreibersau, dem wie Neuwelt das Glas den Lebensathem einhaucht, nur daß dort die erhabeneren Gipfel des Koppenzugs zum Vorschein kommen, die hier hinter den näheren Höhen zurücktreten. Im Uebrigen jedoch ist wirklich Alles, oder doch sehr Vieles, anders als am Nordrande des Gebirges: die Menschen und ihre Denk- und Bildungs¬ weise, die Mundart, die Namendezeichnung einer Menge von Dingen und Ver¬ richtungen, Speise und Trank u. s. w., als trennte nicht eine imaginäre Linie, sondern ein weites Zwischenland die beiden Gebirgsflanken. Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum in Leipzig. Äerlag von F. L. Hervig in Leipzig, — Druck von Hüthel 6, Herrmann in Leipzig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/44
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/44>, abgerufen am 24.05.2024.