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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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einbringt, und solche, welche nur um des Schutzes und der Sicherheit willen,
welche die Mafia ihren Mitgliedern gewährt, die Aufnahme in die Gesellschaft
erstreben. Jener Prüfung haben sich nur die zu unterwerfen, welche zu der
erstgenannten Klasse gehören wollen, und die Form, in welcher derjenige,
welcher Aufnahme in den Verein als actives, zur Theilnahme am Gewinn
desselben berechtigtes Mitglied erlangt, ist die folgende. Fünf oder sechs
von den Chefs der Mafiusi versammeln sich und schaffen sich vor allen Dingen
Gewißheit, ob der Aspirant irgend eine Schande bringende oder feige Handlung
begangen hat. Die schändlichsten Handlungen nach dem Codex der Mafiusi
sind, jemand bei der Polizei angezeigt zu haben, durch unvorsichtiges Plau¬
dern veranlaßt zu haben, daß jemand verdächtig geworden oder von der Be¬
hörde ergriffen worden ist, serner gegen jemanden vor Gericht Zeugniß abge¬
legt zu haben, gleichviel, ob der Angeklagte den Zeugen geschädigt oder be¬
leidigt hat. sodann, von Jemand, daß er solch Zeugniß abgelegt habe, ge¬
wußt und es den Mafiusi nicht mitgetheilt zu haben, damit sie vor ihm auf
ihrer Hut sein könnten, und eine Anzahl ähnlicher Bergehungen.

Unter einer feigen Handlung wird die Weigerung verstanden, sich, wenn
man beleidigt und herausgefordert wird, mit dem Betreffenden auf Messer zu
schlagen. Taschendiebe und Leute, die sich mit dem Rauben von Kleinigkeiten
befassen, werden niemals in die Gesellschaft aufgenommen, da deren Mitglie¬
der eben "ehrenhafte Jünglinge" zu sein beanspruchen. Dagegen verleiht ein
Mord, vorausgesetzt, daß er in einem Zweikampfe oder als Rache für wider¬
fahrene Beleidigung verübt worden ist, den Anspruch auf Mitgliedschaft.
Einige Jahre oder Monate Einsperrung wegen eines ähnlichen Vergehens
oder wegen Verweigerung von Auskunft oder Zeugniß vor der Staatsbehörde
waren (vorzüglich unter der Herrschaft der Bourbonen, wo das Gesetz dem
Richter gestattete, jemanden aus den Verdacht hin, Zeuge eines Verbrechens
gewesen zu sein und nicht zeugen zu wollen, in das Gefängniß zu setzen und
eine Zeitlang dort festzuhalten) gleichfalls eine starke Empfehlung für den
Bewerber um den Eintritt in die Genossenschaft als actives und vollberech¬
tigtes Mitglied derselben.

Die Wasserprobe, welche das zweite Erforderniß der Zulassung ist, da
der Candidat thatsächlich darzuthun hat, daß er, "dem Eisen furchtlos gegen¬
übertreten" (for al krönte al kerro) kann, und welche in der That ein
Duell in aller Form darstellt, wird in folgender Weise vorgenommen. Die
fünf oder sechs Chefs der Mafiusi, welche die Examinationscommission bil¬
den, ziehen Loose, unter denen eins beschrieben ist, und derjenige, auf den
das letztere fällt, ist der Gegner des Aspiranten. Man sucht sich einen passen¬
den Ort aus, gewöhnlich in einem Walde oder auf einem abgelegenen. Felde,
hier werfen die beiden Kämpfer ihre Röcke oder die Sammetjacke ab, welche


einbringt, und solche, welche nur um des Schutzes und der Sicherheit willen,
welche die Mafia ihren Mitgliedern gewährt, die Aufnahme in die Gesellschaft
erstreben. Jener Prüfung haben sich nur die zu unterwerfen, welche zu der
erstgenannten Klasse gehören wollen, und die Form, in welcher derjenige,
welcher Aufnahme in den Verein als actives, zur Theilnahme am Gewinn
desselben berechtigtes Mitglied erlangt, ist die folgende. Fünf oder sechs
von den Chefs der Mafiusi versammeln sich und schaffen sich vor allen Dingen
Gewißheit, ob der Aspirant irgend eine Schande bringende oder feige Handlung
begangen hat. Die schändlichsten Handlungen nach dem Codex der Mafiusi
sind, jemand bei der Polizei angezeigt zu haben, durch unvorsichtiges Plau¬
dern veranlaßt zu haben, daß jemand verdächtig geworden oder von der Be¬
hörde ergriffen worden ist, serner gegen jemanden vor Gericht Zeugniß abge¬
legt zu haben, gleichviel, ob der Angeklagte den Zeugen geschädigt oder be¬
leidigt hat. sodann, von Jemand, daß er solch Zeugniß abgelegt habe, ge¬
wußt und es den Mafiusi nicht mitgetheilt zu haben, damit sie vor ihm auf
ihrer Hut sein könnten, und eine Anzahl ähnlicher Bergehungen.

Unter einer feigen Handlung wird die Weigerung verstanden, sich, wenn
man beleidigt und herausgefordert wird, mit dem Betreffenden auf Messer zu
schlagen. Taschendiebe und Leute, die sich mit dem Rauben von Kleinigkeiten
befassen, werden niemals in die Gesellschaft aufgenommen, da deren Mitglie¬
der eben „ehrenhafte Jünglinge" zu sein beanspruchen. Dagegen verleiht ein
Mord, vorausgesetzt, daß er in einem Zweikampfe oder als Rache für wider¬
fahrene Beleidigung verübt worden ist, den Anspruch auf Mitgliedschaft.
Einige Jahre oder Monate Einsperrung wegen eines ähnlichen Vergehens
oder wegen Verweigerung von Auskunft oder Zeugniß vor der Staatsbehörde
waren (vorzüglich unter der Herrschaft der Bourbonen, wo das Gesetz dem
Richter gestattete, jemanden aus den Verdacht hin, Zeuge eines Verbrechens
gewesen zu sein und nicht zeugen zu wollen, in das Gefängniß zu setzen und
eine Zeitlang dort festzuhalten) gleichfalls eine starke Empfehlung für den
Bewerber um den Eintritt in die Genossenschaft als actives und vollberech¬
tigtes Mitglied derselben.

Die Wasserprobe, welche das zweite Erforderniß der Zulassung ist, da
der Candidat thatsächlich darzuthun hat, daß er, „dem Eisen furchtlos gegen¬
übertreten" (for al krönte al kerro) kann, und welche in der That ein
Duell in aller Form darstellt, wird in folgender Weise vorgenommen. Die
fünf oder sechs Chefs der Mafiusi, welche die Examinationscommission bil¬
den, ziehen Loose, unter denen eins beschrieben ist, und derjenige, auf den
das letztere fällt, ist der Gegner des Aspiranten. Man sucht sich einen passen¬
den Ort aus, gewöhnlich in einem Walde oder auf einem abgelegenen. Felde,
hier werfen die beiden Kämpfer ihre Röcke oder die Sammetjacke ab, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/19>, abgerufen am 19.05.2024.