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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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flössen ihr werthvolle Kunstwerke und namhafte Geldlegate zu, und so besteht
sie denn zur Zeit, also nach Verlauf von 15 Jahren, bereits aus 391 Oel-
gemälden, 83 Kartons und farbigen Zeichnungen und 16 Bildhauerwerken.

Inzwischen war im Frühjahr 1866 mit dem Bau eines eigenen Mu¬
seums zur Aufnahme der zukünftigen "Nationalgalerie" begonnen worden.
Die Pläne dazu hatte noch Slüter, kurz vor seinem Tode, mit Anlehnung
an die bekannten großartigen architektonischen Entwürfe Friedrich Wilhelm's IV.
vollendet, und die Landesvertretung bewilligte die Kosten des Baues unter
der Voraussetzung, daß in dem zu erbauenden Museum geeignete Räume zur
Ausstellung der im Besitz des Staates befindlichen Cartons von Cornelius
hergestellt würden. Als künstlerischer Leiter des Baues fungirte Oberhof'
baurath Strack, als technischer Baurath Erbkam. Die beiden ersten Baujahre
gingen allein über der Legung der Fundamente drauf, bis 1872 war das
Gebäude im Rohbau vollendet, von dieser Zeit an bis kurz vor der Eröffnung
ist an dem innern Ausbau und dem ausgedehnten monumentalen Schmucke
gearbeitet worden. Im Januar dieses Jahres fand die Uebergabe der Räume
an den neuernannten Direktor des Museums, Dr. Jordan, statt, und die
Aufstellung der Sammlung hat die Direktton bis zum letzten Tage vor der
Eröffnung in Anspruch genommen.

Der architektonischen Beschaffenheit des Bauwerkes wie einzelnen Partieen
seines monumentalen Schmuckes ist kürzlich in der "Zeitschrift für bildende
Kunst" von sachkundiger Seite nur ein sehr bedingtes Lob gespendet worden,
und, wie es scheint, leider mit Recht. Um so ungeschmälertere Anerkennung
darf man der in dem vorliegenden Kataloge gebotenen ersten literarischen
Manifestation des neuen Institutes zollen. Der Herausgeber bietet in der
Einleitung eine Geschichte der Sammlung, in welcher pietätvoller Weise die
Bemerkungen, die Waagen seiner Zeit dem von ihm besorgten kleineren
Kataloge vorausgeschickt hatte, wörtlich wieder mit abgedruckt sind, ferner
eine eingehende Beschreibung des Gebäudes und seines gesammten plastischen
und malerischen Schmuckes. Schon hier ist der lobenswerthe Grundsatz durch¬
geführt, daß in Anmerkungen am Fuße des Textes über die Künstler, welche
bei der Ausführung des monumentalen Schmuckes betheiligt gewesen, bio¬
graphische Notizen gegeben sind. Das darauf folgende Verzeichniß der Kunst¬
werke selbst ist in jeder Beziehung das Muster eines Galeriekatalogs. Für
die Gemäldeabtheilung bot Waagen's werthvolle Vorarbeit, welche auf den
eignen Mittheilungen des Stifters der Sammlung beruhte, vielfache Anhalte-
Punkte, wenn sie auch infolge der gesteigerten kunstwissenschaftlicher Ansprüche
unsrer Zeit für überholt gelten mußte; die übrigen Partieen sind natürlich
von Grund aus neu gearbeitet. Von jedem in der Sammlung vertretenen
Meister ist eine kurze Lebensskizze, ein Nachweis über seine Schulstellung und


flössen ihr werthvolle Kunstwerke und namhafte Geldlegate zu, und so besteht
sie denn zur Zeit, also nach Verlauf von 15 Jahren, bereits aus 391 Oel-
gemälden, 83 Kartons und farbigen Zeichnungen und 16 Bildhauerwerken.

Inzwischen war im Frühjahr 1866 mit dem Bau eines eigenen Mu¬
seums zur Aufnahme der zukünftigen „Nationalgalerie" begonnen worden.
Die Pläne dazu hatte noch Slüter, kurz vor seinem Tode, mit Anlehnung
an die bekannten großartigen architektonischen Entwürfe Friedrich Wilhelm's IV.
vollendet, und die Landesvertretung bewilligte die Kosten des Baues unter
der Voraussetzung, daß in dem zu erbauenden Museum geeignete Räume zur
Ausstellung der im Besitz des Staates befindlichen Cartons von Cornelius
hergestellt würden. Als künstlerischer Leiter des Baues fungirte Oberhof'
baurath Strack, als technischer Baurath Erbkam. Die beiden ersten Baujahre
gingen allein über der Legung der Fundamente drauf, bis 1872 war das
Gebäude im Rohbau vollendet, von dieser Zeit an bis kurz vor der Eröffnung
ist an dem innern Ausbau und dem ausgedehnten monumentalen Schmucke
gearbeitet worden. Im Januar dieses Jahres fand die Uebergabe der Räume
an den neuernannten Direktor des Museums, Dr. Jordan, statt, und die
Aufstellung der Sammlung hat die Direktton bis zum letzten Tage vor der
Eröffnung in Anspruch genommen.

Der architektonischen Beschaffenheit des Bauwerkes wie einzelnen Partieen
seines monumentalen Schmuckes ist kürzlich in der „Zeitschrift für bildende
Kunst" von sachkundiger Seite nur ein sehr bedingtes Lob gespendet worden,
und, wie es scheint, leider mit Recht. Um so ungeschmälertere Anerkennung
darf man der in dem vorliegenden Kataloge gebotenen ersten literarischen
Manifestation des neuen Institutes zollen. Der Herausgeber bietet in der
Einleitung eine Geschichte der Sammlung, in welcher pietätvoller Weise die
Bemerkungen, die Waagen seiner Zeit dem von ihm besorgten kleineren
Kataloge vorausgeschickt hatte, wörtlich wieder mit abgedruckt sind, ferner
eine eingehende Beschreibung des Gebäudes und seines gesammten plastischen
und malerischen Schmuckes. Schon hier ist der lobenswerthe Grundsatz durch¬
geführt, daß in Anmerkungen am Fuße des Textes über die Künstler, welche
bei der Ausführung des monumentalen Schmuckes betheiligt gewesen, bio¬
graphische Notizen gegeben sind. Das darauf folgende Verzeichniß der Kunst¬
werke selbst ist in jeder Beziehung das Muster eines Galeriekatalogs. Für
die Gemäldeabtheilung bot Waagen's werthvolle Vorarbeit, welche auf den
eignen Mittheilungen des Stifters der Sammlung beruhte, vielfache Anhalte-
Punkte, wenn sie auch infolge der gesteigerten kunstwissenschaftlicher Ansprüche
unsrer Zeit für überholt gelten mußte; die übrigen Partieen sind natürlich
von Grund aus neu gearbeitet. Von jedem in der Sammlung vertretenen
Meister ist eine kurze Lebensskizze, ein Nachweis über seine Schulstellung und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/201>, abgerufen am 28.05.2024.