Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Cölibatszwang und dessen Aufhebung gewürdigt von Dr. Joh. Friedrich
v- Schulte, Geh. Justizrath und Professor der Rechte. Bonn 1876. Druck und
Verlag von P. Neusser.

Gegenüber der bedeutsamen Frage, welche die katholische Welt bewegt,
ist es erfreulich, daß die Verheißung dieser Schrift in Erfüllung gegangen
und zugleich in so vollendeter Weise ins Dasein getreten ist. In dem
Maße, als ihr Verfasser stets lebendigen und einflußreichen Antheil an
jener genommen hat, wie es sich auch schon in den verschiedenen Stadien
ihrer Behandlung und Beurtheilung kennzeichnet, ließ sich von vorn herein
eine treffliche Leistung erwarten. Wir möchten zunächst betonen, daß der ge¬
lehrten Forschung sich eine feine Beobachtung aller in Frage kommenden
Verhältnisse zugesellt hat. Den Schwierigkeiten, welche die Darstellung an
sich hat, ist mit ganz besonderm Geschick in der Behandlung begegnet und
die vollendete Objectivität, die dem Verfasser besonders nachgerühmt werden
wuß, hat ermöglicht, daß wir ein klares, lebensvolles und zugleich wahr¬
heitsgetreues Bild vor uns haben. Die Arbeit, welche recht eigentlich eine
bedeutende sociale Frage behandelt, sollte die Lecture jedes Gebildeten sein.
-- Indem der Verfasser zunächst den Inhalt und die Bedeutung des Cölibat-
gesetzes entwickelt, sendet er mit erschöpfenden Quellenmaterial die Geschichte
und nähere Gestalt des Cölibats bis zum Tridentiner Concile in gemein
verständlicher Weise voraus, um dann das Verhältniß der Frage zu den
einzelnen Staatsgesetzen zu fixiren und in rechtlicher Hinsicht zu ventiliren,
wie sich namentlich dieselbe den Altkatholiken gegenüber stellen muß. Im
Weitern beleuchtet dann der Verfasser die für den Cölibat seitens der Hier¬
archie geltend gemachten Gründe und geht hierauf, nachdem diese völlig ent¬
kräftet sind, zu den wahren Gründen für denselben über, welche in schla¬
gender Weise, mit umfassender historischer Kenntniß festgestellt sind. Diesen
Wie den folgenden Abschnitt der Arbeit rechnen wir zu den bedeutendsten und
anziehendsten. Beide zeichnen sich durch außerordentliche Schärfe und Ge¬
messenheit aus. Schwerlich wird man der anziehenden, von tiefen Wahr¬
heiten begleiteten Darstellung über die trüben Folgen des Cölibats eine
stichhaltige Widerlegung gegenüber stellen können, mit welchen Mitteln sie
voraussichtlich auch von Seiten der Gegner versucht werden wird. Kein
protestantischer Kirchenhistortker dürfte nach unserer Ueberzeugung im Stande
sein, ein getreueres Bild von den Ansichten, dem Wesen und Wirken der
Zum Cölibat verurtheilten katholischen Geistlichkeit zu entfalten. Höchst an-
Ziehend sind besonders die unwiderlegbaren statistischen Notizen, die mit muster¬
haften Geschick zur Geltung gebracht sind. Wer in so seiner Weise, wie der
Verfasser die krankhaften Erscheinungen im Bereich der eignen Kirche beobachtet
und zur Anschauung gebracht hat, ist in der That berufen, seinem Mahnrufe


Der Cölibatszwang und dessen Aufhebung gewürdigt von Dr. Joh. Friedrich
v- Schulte, Geh. Justizrath und Professor der Rechte. Bonn 1876. Druck und
Verlag von P. Neusser.

Gegenüber der bedeutsamen Frage, welche die katholische Welt bewegt,
ist es erfreulich, daß die Verheißung dieser Schrift in Erfüllung gegangen
und zugleich in so vollendeter Weise ins Dasein getreten ist. In dem
Maße, als ihr Verfasser stets lebendigen und einflußreichen Antheil an
jener genommen hat, wie es sich auch schon in den verschiedenen Stadien
ihrer Behandlung und Beurtheilung kennzeichnet, ließ sich von vorn herein
eine treffliche Leistung erwarten. Wir möchten zunächst betonen, daß der ge¬
lehrten Forschung sich eine feine Beobachtung aller in Frage kommenden
Verhältnisse zugesellt hat. Den Schwierigkeiten, welche die Darstellung an
sich hat, ist mit ganz besonderm Geschick in der Behandlung begegnet und
die vollendete Objectivität, die dem Verfasser besonders nachgerühmt werden
wuß, hat ermöglicht, daß wir ein klares, lebensvolles und zugleich wahr¬
heitsgetreues Bild vor uns haben. Die Arbeit, welche recht eigentlich eine
bedeutende sociale Frage behandelt, sollte die Lecture jedes Gebildeten sein.
— Indem der Verfasser zunächst den Inhalt und die Bedeutung des Cölibat-
gesetzes entwickelt, sendet er mit erschöpfenden Quellenmaterial die Geschichte
und nähere Gestalt des Cölibats bis zum Tridentiner Concile in gemein
verständlicher Weise voraus, um dann das Verhältniß der Frage zu den
einzelnen Staatsgesetzen zu fixiren und in rechtlicher Hinsicht zu ventiliren,
wie sich namentlich dieselbe den Altkatholiken gegenüber stellen muß. Im
Weitern beleuchtet dann der Verfasser die für den Cölibat seitens der Hier¬
archie geltend gemachten Gründe und geht hierauf, nachdem diese völlig ent¬
kräftet sind, zu den wahren Gründen für denselben über, welche in schla¬
gender Weise, mit umfassender historischer Kenntniß festgestellt sind. Diesen
Wie den folgenden Abschnitt der Arbeit rechnen wir zu den bedeutendsten und
anziehendsten. Beide zeichnen sich durch außerordentliche Schärfe und Ge¬
messenheit aus. Schwerlich wird man der anziehenden, von tiefen Wahr¬
heiten begleiteten Darstellung über die trüben Folgen des Cölibats eine
stichhaltige Widerlegung gegenüber stellen können, mit welchen Mitteln sie
voraussichtlich auch von Seiten der Gegner versucht werden wird. Kein
protestantischer Kirchenhistortker dürfte nach unserer Ueberzeugung im Stande
sein, ein getreueres Bild von den Ansichten, dem Wesen und Wirken der
Zum Cölibat verurtheilten katholischen Geistlichkeit zu entfalten. Höchst an-
Ziehend sind besonders die unwiderlegbaren statistischen Notizen, die mit muster¬
haften Geschick zur Geltung gebracht sind. Wer in so seiner Weise, wie der
Verfasser die krankhaften Erscheinungen im Bereich der eignen Kirche beobachtet
und zur Anschauung gebracht hat, ist in der That berufen, seinem Mahnrufe


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0323" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135904"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Der Cölibatszwang und dessen Aufhebung gewürdigt von Dr. Joh. Friedrich<lb/>
v- Schulte, Geh. Justizrath und Professor der Rechte.  Bonn 1876.  Druck und<lb/>
Verlag von P. Neusser.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1060" next="#ID_1061"> Gegenüber der bedeutsamen Frage, welche die katholische Welt bewegt,<lb/>
ist es erfreulich, daß die Verheißung dieser Schrift in Erfüllung gegangen<lb/>
und zugleich in so vollendeter Weise ins Dasein getreten ist.  In dem<lb/>
Maße, als ihr Verfasser stets lebendigen und einflußreichen Antheil an<lb/>
jener genommen hat, wie es sich auch schon in den verschiedenen Stadien<lb/>
ihrer Behandlung und Beurtheilung kennzeichnet, ließ sich von vorn herein<lb/>
eine treffliche Leistung erwarten.  Wir möchten zunächst betonen, daß der ge¬<lb/>
lehrten Forschung sich eine feine Beobachtung aller in Frage kommenden<lb/>
Verhältnisse zugesellt hat.  Den Schwierigkeiten, welche die Darstellung an<lb/>
sich hat, ist mit ganz besonderm Geschick in der Behandlung begegnet und<lb/>
die vollendete Objectivität, die dem Verfasser besonders nachgerühmt werden<lb/>
wuß, hat ermöglicht, daß wir ein klares, lebensvolles und zugleich wahr¬<lb/>
heitsgetreues Bild vor uns haben.  Die Arbeit, welche recht eigentlich eine<lb/>
bedeutende sociale Frage behandelt, sollte die Lecture jedes Gebildeten sein.<lb/>
&#x2014; Indem der Verfasser zunächst den Inhalt und die Bedeutung des Cölibat-<lb/>
gesetzes entwickelt, sendet er mit erschöpfenden Quellenmaterial die Geschichte<lb/>
und nähere Gestalt des Cölibats bis zum Tridentiner Concile in gemein<lb/>
verständlicher Weise voraus, um dann das Verhältniß der Frage zu den<lb/>
einzelnen Staatsgesetzen zu fixiren und in rechtlicher Hinsicht zu ventiliren,<lb/>
wie sich namentlich dieselbe den Altkatholiken gegenüber stellen muß. Im<lb/>
Weitern beleuchtet dann der Verfasser die für den Cölibat seitens der Hier¬<lb/>
archie geltend gemachten Gründe und geht hierauf, nachdem diese völlig ent¬<lb/>
kräftet sind, zu den wahren Gründen für denselben über, welche in schla¬<lb/>
gender Weise, mit umfassender historischer Kenntniß festgestellt sind. Diesen<lb/>
Wie den folgenden Abschnitt der Arbeit rechnen wir zu den bedeutendsten und<lb/>
anziehendsten.  Beide zeichnen sich durch außerordentliche Schärfe und Ge¬<lb/>
messenheit aus.  Schwerlich wird man der anziehenden, von tiefen Wahr¬<lb/>
heiten begleiteten Darstellung über die trüben Folgen des Cölibats eine<lb/>
stichhaltige Widerlegung gegenüber stellen können, mit welchen Mitteln sie<lb/>
voraussichtlich auch von Seiten der Gegner versucht werden wird. Kein<lb/>
protestantischer Kirchenhistortker dürfte nach unserer Ueberzeugung im Stande<lb/>
sein, ein getreueres Bild von den Ansichten, dem Wesen und Wirken der<lb/>
Zum Cölibat verurtheilten katholischen Geistlichkeit zu entfalten.  Höchst an-<lb/>
Ziehend sind besonders die unwiderlegbaren statistischen Notizen, die mit muster¬<lb/>
haften Geschick zur Geltung gebracht sind.  Wer in so seiner Weise, wie der<lb/>
Verfasser die krankhaften Erscheinungen im Bereich der eignen Kirche beobachtet<lb/>
und zur Anschauung gebracht hat, ist in der That berufen, seinem Mahnrufe</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0323] Der Cölibatszwang und dessen Aufhebung gewürdigt von Dr. Joh. Friedrich v- Schulte, Geh. Justizrath und Professor der Rechte. Bonn 1876. Druck und Verlag von P. Neusser. Gegenüber der bedeutsamen Frage, welche die katholische Welt bewegt, ist es erfreulich, daß die Verheißung dieser Schrift in Erfüllung gegangen und zugleich in so vollendeter Weise ins Dasein getreten ist. In dem Maße, als ihr Verfasser stets lebendigen und einflußreichen Antheil an jener genommen hat, wie es sich auch schon in den verschiedenen Stadien ihrer Behandlung und Beurtheilung kennzeichnet, ließ sich von vorn herein eine treffliche Leistung erwarten. Wir möchten zunächst betonen, daß der ge¬ lehrten Forschung sich eine feine Beobachtung aller in Frage kommenden Verhältnisse zugesellt hat. Den Schwierigkeiten, welche die Darstellung an sich hat, ist mit ganz besonderm Geschick in der Behandlung begegnet und die vollendete Objectivität, die dem Verfasser besonders nachgerühmt werden wuß, hat ermöglicht, daß wir ein klares, lebensvolles und zugleich wahr¬ heitsgetreues Bild vor uns haben. Die Arbeit, welche recht eigentlich eine bedeutende sociale Frage behandelt, sollte die Lecture jedes Gebildeten sein. — Indem der Verfasser zunächst den Inhalt und die Bedeutung des Cölibat- gesetzes entwickelt, sendet er mit erschöpfenden Quellenmaterial die Geschichte und nähere Gestalt des Cölibats bis zum Tridentiner Concile in gemein verständlicher Weise voraus, um dann das Verhältniß der Frage zu den einzelnen Staatsgesetzen zu fixiren und in rechtlicher Hinsicht zu ventiliren, wie sich namentlich dieselbe den Altkatholiken gegenüber stellen muß. Im Weitern beleuchtet dann der Verfasser die für den Cölibat seitens der Hier¬ archie geltend gemachten Gründe und geht hierauf, nachdem diese völlig ent¬ kräftet sind, zu den wahren Gründen für denselben über, welche in schla¬ gender Weise, mit umfassender historischer Kenntniß festgestellt sind. Diesen Wie den folgenden Abschnitt der Arbeit rechnen wir zu den bedeutendsten und anziehendsten. Beide zeichnen sich durch außerordentliche Schärfe und Ge¬ messenheit aus. Schwerlich wird man der anziehenden, von tiefen Wahr¬ heiten begleiteten Darstellung über die trüben Folgen des Cölibats eine stichhaltige Widerlegung gegenüber stellen können, mit welchen Mitteln sie voraussichtlich auch von Seiten der Gegner versucht werden wird. Kein protestantischer Kirchenhistortker dürfte nach unserer Ueberzeugung im Stande sein, ein getreueres Bild von den Ansichten, dem Wesen und Wirken der Zum Cölibat verurtheilten katholischen Geistlichkeit zu entfalten. Höchst an- Ziehend sind besonders die unwiderlegbaren statistischen Notizen, die mit muster¬ haften Geschick zur Geltung gebracht sind. Wer in so seiner Weise, wie der Verfasser die krankhaften Erscheinungen im Bereich der eignen Kirche beobachtet und zur Anschauung gebracht hat, ist in der That berufen, seinem Mahnrufe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/323
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/323>, abgerufen am 19.05.2024.