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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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konnte selbst nach der günstigsten Auslegung desselben kaum einen andern
Zweck haben, als verschiedenen wichtigen Zeugen wider Babcock den Mund
zu schließen. Der Brief hat auch thatsächlich diese Wirkung gehabt; Babcock
ist freigesprochen, aber der General-Anwalt Pierrepont dürfte sich noch wegen
seines eigenthümlichen Schreibens und dessen Folgen vor dem Justiz-Comite
des Repräsentantenhauses des Kongresses zu verantworten haben.

Der Finanzminister Bristow hat von Anfang an bei den Whisky-Pro¬
zessen den Ausspruch Grant's: "1,6t, no Anne? man escape" (Laßt keinen
Schuldigen entwischen) mit Recht buchstäblich genommen und als die weit¬
gehendste Vollmacht zur Reinigung des Bundesbeamtenthums von der Cor-
ruption betrachtet. Bristow ist dadurch der Schrecken aller "Ringe" und
Corruptionisten geworden und die Union, der er durch seine redliche Pflicht¬
erfüllung so wichtige Dienste geleistet hat, steht in ungetheilter Sympathie
zu ihm. Alle ehrlichen Bürger- und Reformfreunde in den Vereinigten
Staaten erwarten von ihm, daß er, so lange es irgend angeht, auf seinem
schwierigen Posten ausharrt. Sollte es Präsident Grant wagen, ihn zur
Resignation zu treiben oder ihn zu entlassen, so würde dies einer der größten
Mißgriffe seiner, jetzt nahezu achtjährigen Administration sein. "Bristow,"
sagt die "New-Uork Tribune" mit Recht, "darf weder um einer Etiketten¬
frage willen, noch weil er sich persönlich in seinem Amte unbehaglich fühlt,
zurücktreten. Er steht auf der Bresche und es ist seine Pflicht, die Batterie,
welche in die Reihen der'Whiskydiebe ihre zerstörenden Geschosse richtet, so
lange zu vertheidigen, als er noch ein Stück Munition hat."

Präsident Grant spielt ein gefährliches Spiel und täuscht sich, unserer
Ansicht nach, vollständig, wenn er glaubt die Situation noch immer beherr¬
schen zu können. Auch in der republikanischen Partei befinden sich noch viele
ehrliche und rechtschaffene Männer, welche der Ansicht sind, daß gründlich mit
der Corruption aufgeräumt werden müsse, im Interesse des Landes wie der
Partei. Diese Männer wünschen die Erhaltung der jetzt herrschenden (repu¬
blikanischen) Partei auf Grundlage einer gesunden Reform, wie sie etwa auch
Karl Schurz will, um die Union vor dem Schicksal zu bewahren, daß die
Leitung der Republik in die Hände der, aus so gemischten und vielfach ver¬
trauensunwürdigen Elementen bestehenden Partei der Demokraten fällt. Wenn
die Demokraten gegenwärtig so laut über Corruption im Aemterwesen klagen,
so geschieht dies wesentlich aus Brodneid; sie sehnen sich nur selbst nach den
Fleischtöpfen des öffentlichen Dienstes. Wo und wann immer sie in der Ge"
walt waren, -- sie haben stets die öffentlichen Aemter als "Beute" für sich
in Anspruch genommen; und in der so wichtigen Geldfrage zählt die Mehr¬
zahl von ihnen zu den "Jnflationisten", d. h. zu den Anhängern eines unein-
lösbaren Papiergeldes.


konnte selbst nach der günstigsten Auslegung desselben kaum einen andern
Zweck haben, als verschiedenen wichtigen Zeugen wider Babcock den Mund
zu schließen. Der Brief hat auch thatsächlich diese Wirkung gehabt; Babcock
ist freigesprochen, aber der General-Anwalt Pierrepont dürfte sich noch wegen
seines eigenthümlichen Schreibens und dessen Folgen vor dem Justiz-Comite
des Repräsentantenhauses des Kongresses zu verantworten haben.

Der Finanzminister Bristow hat von Anfang an bei den Whisky-Pro¬
zessen den Ausspruch Grant's: „1,6t, no Anne? man escape" (Laßt keinen
Schuldigen entwischen) mit Recht buchstäblich genommen und als die weit¬
gehendste Vollmacht zur Reinigung des Bundesbeamtenthums von der Cor-
ruption betrachtet. Bristow ist dadurch der Schrecken aller „Ringe" und
Corruptionisten geworden und die Union, der er durch seine redliche Pflicht¬
erfüllung so wichtige Dienste geleistet hat, steht in ungetheilter Sympathie
zu ihm. Alle ehrlichen Bürger- und Reformfreunde in den Vereinigten
Staaten erwarten von ihm, daß er, so lange es irgend angeht, auf seinem
schwierigen Posten ausharrt. Sollte es Präsident Grant wagen, ihn zur
Resignation zu treiben oder ihn zu entlassen, so würde dies einer der größten
Mißgriffe seiner, jetzt nahezu achtjährigen Administration sein. „Bristow,"
sagt die „New-Uork Tribune" mit Recht, „darf weder um einer Etiketten¬
frage willen, noch weil er sich persönlich in seinem Amte unbehaglich fühlt,
zurücktreten. Er steht auf der Bresche und es ist seine Pflicht, die Batterie,
welche in die Reihen der'Whiskydiebe ihre zerstörenden Geschosse richtet, so
lange zu vertheidigen, als er noch ein Stück Munition hat."

Präsident Grant spielt ein gefährliches Spiel und täuscht sich, unserer
Ansicht nach, vollständig, wenn er glaubt die Situation noch immer beherr¬
schen zu können. Auch in der republikanischen Partei befinden sich noch viele
ehrliche und rechtschaffene Männer, welche der Ansicht sind, daß gründlich mit
der Corruption aufgeräumt werden müsse, im Interesse des Landes wie der
Partei. Diese Männer wünschen die Erhaltung der jetzt herrschenden (repu¬
blikanischen) Partei auf Grundlage einer gesunden Reform, wie sie etwa auch
Karl Schurz will, um die Union vor dem Schicksal zu bewahren, daß die
Leitung der Republik in die Hände der, aus so gemischten und vielfach ver¬
trauensunwürdigen Elementen bestehenden Partei der Demokraten fällt. Wenn
die Demokraten gegenwärtig so laut über Corruption im Aemterwesen klagen,
so geschieht dies wesentlich aus Brodneid; sie sehnen sich nur selbst nach den
Fleischtöpfen des öffentlichen Dienstes. Wo und wann immer sie in der Ge«
walt waren, — sie haben stets die öffentlichen Aemter als „Beute" für sich
in Anspruch genommen; und in der so wichtigen Geldfrage zählt die Mehr¬
zahl von ihnen zu den „Jnflationisten", d. h. zu den Anhängern eines unein-
lösbaren Papiergeldes.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/35>, abgerufen am 19.05.2024.