Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lehr von Pitman's Haar." Jemand in Kansas wünschte zu wissen, ob ich
dächte, daß Pulsifer's Renovator mit Vortheil von einem Manne gebraucht
werden könnte, der skalpirt worden wäre. Zwei Leute in Jersey schrieben in
einer Weise, die mit der Sache ganz und gar nichts zu schaffen hatte, indem
sie sich erkundigten, ob ich jedem von ihnen ein gutes Dienstmädchen verschaffen
könne. Ich empfing einen vertraulichen Brief von einem Manne, der bereit
war, mich an "etwas Gutem" theilnehmen zu lassen, wenn ich fünfhundert
Dollar baares Capital einschießen könnte. Frau Singerley in Frankford er¬
zählte mir, daß sie ihren Hund geschoren, und zwar zu dicht an der Haut,
und daß es ihr leichter ums Herz werden werde, wenn ich sie benachrichtigen
wollte, ob der Renovator auch bei einem Hunde neue Haare erzeugen werde.
Eine liebende Mutter in Rhode Island sagte, ihr kleiner Knabe habe zu¬
fällig eine Flasche von dem Zeuge getrunken, und sie würde wahnsinnig
werden, wenn ich ihr nicht die Versicherung geben könnte, daß ihr Kind nicht
Gefahr liefe, seinen Magen so voll Haare zu bekommen, daß er zuwüchse.
Ueber elfhundert Knaben endlich erkundigten sich, welche Wirkung der Reno¬
vator auf den Wuchs von Backenbärten haben würde, welche Neigung zum
stagniren verriethen.

Aber eine noch gräßlichere Marter waren die Besucher. Heerdenweise
kamen die Kahlköpfigen, um mich zu besuchen. Sie verfolgten mich in und
außer dem Hause. Wenn ich in die Kirche ging, rief mich der Küster während
des Gebetes hinaus, wo ich einen Mann in der Vorhalle sah, der sich Ge¬
wißheit zu verschaffen wünschte, ob Pitman sich den Kopf mit der Medicin
blos gebadet oder sie sich mit einer Bürste eingerieben habe. Wenn ich zu
einer Abendgesellschaft ging, so hielt mich gewiß irgend ein kahlköpfiger Schuft
mitten im Tanze auf, um mich zu fragen, ob Pitman's Haar im Vollmond
oder bei Neumond zu wachsen angefangen habe. Während ich mich rasiren
ließ, stürzte jemand in den Laden herein und bestand, während der Barbier
mich an der Nase hielt, hartnäckig darauf, ich solle ihm sagen, ob Pitman
Luftlöcher in seinem Hute trüge. Wenn ich einer Trauung beiwohnte, so
war es ziemlich gewiß, daß ein kahlköpfiger Hallunke neben mich an den
Altar trat und mich fragte, ob Pitman je in Nachtmützen geschlafen habe,
und mehr als einmal wurde ich des Nachts aus dem Bette geholt, von
Elenden, die, bevor sie die Stadt verließen, zu erfahren wünschten, ob ich
dächte, es könne den Haaren schaden, wenn man sie hinten scheitelte.

Die Sache wurde unausstehlich. Ich erließ Befehle an die Dienstboten,
niemand, der einen kahlen Kopf hätte, ins Haus zu lassen. Aber noch an
diesem selben Tage erlangte ein Fremder Einlaß in unsern Salon, und als
ich hinunter ging, um nach seinem Begehr zu fragen, schlich er leise überall
im Zimmer herum, schloß geheimnißvoll alle Thüren und fragte mich flüsternd,


lehr von Pitman's Haar." Jemand in Kansas wünschte zu wissen, ob ich
dächte, daß Pulsifer's Renovator mit Vortheil von einem Manne gebraucht
werden könnte, der skalpirt worden wäre. Zwei Leute in Jersey schrieben in
einer Weise, die mit der Sache ganz und gar nichts zu schaffen hatte, indem
sie sich erkundigten, ob ich jedem von ihnen ein gutes Dienstmädchen verschaffen
könne. Ich empfing einen vertraulichen Brief von einem Manne, der bereit
war, mich an „etwas Gutem" theilnehmen zu lassen, wenn ich fünfhundert
Dollar baares Capital einschießen könnte. Frau Singerley in Frankford er¬
zählte mir, daß sie ihren Hund geschoren, und zwar zu dicht an der Haut,
und daß es ihr leichter ums Herz werden werde, wenn ich sie benachrichtigen
wollte, ob der Renovator auch bei einem Hunde neue Haare erzeugen werde.
Eine liebende Mutter in Rhode Island sagte, ihr kleiner Knabe habe zu¬
fällig eine Flasche von dem Zeuge getrunken, und sie würde wahnsinnig
werden, wenn ich ihr nicht die Versicherung geben könnte, daß ihr Kind nicht
Gefahr liefe, seinen Magen so voll Haare zu bekommen, daß er zuwüchse.
Ueber elfhundert Knaben endlich erkundigten sich, welche Wirkung der Reno¬
vator auf den Wuchs von Backenbärten haben würde, welche Neigung zum
stagniren verriethen.

Aber eine noch gräßlichere Marter waren die Besucher. Heerdenweise
kamen die Kahlköpfigen, um mich zu besuchen. Sie verfolgten mich in und
außer dem Hause. Wenn ich in die Kirche ging, rief mich der Küster während
des Gebetes hinaus, wo ich einen Mann in der Vorhalle sah, der sich Ge¬
wißheit zu verschaffen wünschte, ob Pitman sich den Kopf mit der Medicin
blos gebadet oder sie sich mit einer Bürste eingerieben habe. Wenn ich zu
einer Abendgesellschaft ging, so hielt mich gewiß irgend ein kahlköpfiger Schuft
mitten im Tanze auf, um mich zu fragen, ob Pitman's Haar im Vollmond
oder bei Neumond zu wachsen angefangen habe. Während ich mich rasiren
ließ, stürzte jemand in den Laden herein und bestand, während der Barbier
mich an der Nase hielt, hartnäckig darauf, ich solle ihm sagen, ob Pitman
Luftlöcher in seinem Hute trüge. Wenn ich einer Trauung beiwohnte, so
war es ziemlich gewiß, daß ein kahlköpfiger Hallunke neben mich an den
Altar trat und mich fragte, ob Pitman je in Nachtmützen geschlafen habe,
und mehr als einmal wurde ich des Nachts aus dem Bette geholt, von
Elenden, die, bevor sie die Stadt verließen, zu erfahren wünschten, ob ich
dächte, es könne den Haaren schaden, wenn man sie hinten scheitelte.

Die Sache wurde unausstehlich. Ich erließ Befehle an die Dienstboten,
niemand, der einen kahlen Kopf hätte, ins Haus zu lassen. Aber noch an
diesem selben Tage erlangte ein Fremder Einlaß in unsern Salon, und als
ich hinunter ging, um nach seinem Begehr zu fragen, schlich er leise überall
im Zimmer herum, schloß geheimnißvoll alle Thüren und fragte mich flüsternd,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136009"/>
          <p xml:id="ID_1425" prev="#ID_1424"> lehr von Pitman's Haar." Jemand in Kansas wünschte zu wissen, ob ich<lb/>
dächte, daß Pulsifer's Renovator mit Vortheil von einem Manne gebraucht<lb/>
werden könnte, der skalpirt worden wäre. Zwei Leute in Jersey schrieben in<lb/>
einer Weise, die mit der Sache ganz und gar nichts zu schaffen hatte, indem<lb/>
sie sich erkundigten, ob ich jedem von ihnen ein gutes Dienstmädchen verschaffen<lb/>
könne. Ich empfing einen vertraulichen Brief von einem Manne, der bereit<lb/>
war, mich an &#x201E;etwas Gutem" theilnehmen zu lassen, wenn ich fünfhundert<lb/>
Dollar baares Capital einschießen könnte. Frau Singerley in Frankford er¬<lb/>
zählte mir, daß sie ihren Hund geschoren, und zwar zu dicht an der Haut,<lb/>
und daß es ihr leichter ums Herz werden werde, wenn ich sie benachrichtigen<lb/>
wollte, ob der Renovator auch bei einem Hunde neue Haare erzeugen werde.<lb/>
Eine liebende Mutter in Rhode Island sagte, ihr kleiner Knabe habe zu¬<lb/>
fällig eine Flasche von dem Zeuge getrunken, und sie würde wahnsinnig<lb/>
werden, wenn ich ihr nicht die Versicherung geben könnte, daß ihr Kind nicht<lb/>
Gefahr liefe, seinen Magen so voll Haare zu bekommen, daß er zuwüchse.<lb/>
Ueber elfhundert Knaben endlich erkundigten sich, welche Wirkung der Reno¬<lb/>
vator auf den Wuchs von Backenbärten haben würde, welche Neigung zum<lb/>
stagniren verriethen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1426"> Aber eine noch gräßlichere Marter waren die Besucher. Heerdenweise<lb/>
kamen die Kahlköpfigen, um mich zu besuchen. Sie verfolgten mich in und<lb/>
außer dem Hause. Wenn ich in die Kirche ging, rief mich der Küster während<lb/>
des Gebetes hinaus, wo ich einen Mann in der Vorhalle sah, der sich Ge¬<lb/>
wißheit zu verschaffen wünschte, ob Pitman sich den Kopf mit der Medicin<lb/>
blos gebadet oder sie sich mit einer Bürste eingerieben habe. Wenn ich zu<lb/>
einer Abendgesellschaft ging, so hielt mich gewiß irgend ein kahlköpfiger Schuft<lb/>
mitten im Tanze auf, um mich zu fragen, ob Pitman's Haar im Vollmond<lb/>
oder bei Neumond zu wachsen angefangen habe. Während ich mich rasiren<lb/>
ließ, stürzte jemand in den Laden herein und bestand, während der Barbier<lb/>
mich an der Nase hielt, hartnäckig darauf, ich solle ihm sagen, ob Pitman<lb/>
Luftlöcher in seinem Hute trüge. Wenn ich einer Trauung beiwohnte, so<lb/>
war es ziemlich gewiß, daß ein kahlköpfiger Hallunke neben mich an den<lb/>
Altar trat und mich fragte, ob Pitman je in Nachtmützen geschlafen habe,<lb/>
und mehr als einmal wurde ich des Nachts aus dem Bette geholt, von<lb/>
Elenden, die, bevor sie die Stadt verließen, zu erfahren wünschten, ob ich<lb/>
dächte, es könne den Haaren schaden, wenn man sie hinten scheitelte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1427" next="#ID_1428"> Die Sache wurde unausstehlich. Ich erließ Befehle an die Dienstboten,<lb/>
niemand, der einen kahlen Kopf hätte, ins Haus zu lassen. Aber noch an<lb/>
diesem selben Tage erlangte ein Fremder Einlaß in unsern Salon, und als<lb/>
ich hinunter ging, um nach seinem Begehr zu fragen, schlich er leise überall<lb/>
im Zimmer herum, schloß geheimnißvoll alle Thüren und fragte mich flüsternd,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0428] lehr von Pitman's Haar." Jemand in Kansas wünschte zu wissen, ob ich dächte, daß Pulsifer's Renovator mit Vortheil von einem Manne gebraucht werden könnte, der skalpirt worden wäre. Zwei Leute in Jersey schrieben in einer Weise, die mit der Sache ganz und gar nichts zu schaffen hatte, indem sie sich erkundigten, ob ich jedem von ihnen ein gutes Dienstmädchen verschaffen könne. Ich empfing einen vertraulichen Brief von einem Manne, der bereit war, mich an „etwas Gutem" theilnehmen zu lassen, wenn ich fünfhundert Dollar baares Capital einschießen könnte. Frau Singerley in Frankford er¬ zählte mir, daß sie ihren Hund geschoren, und zwar zu dicht an der Haut, und daß es ihr leichter ums Herz werden werde, wenn ich sie benachrichtigen wollte, ob der Renovator auch bei einem Hunde neue Haare erzeugen werde. Eine liebende Mutter in Rhode Island sagte, ihr kleiner Knabe habe zu¬ fällig eine Flasche von dem Zeuge getrunken, und sie würde wahnsinnig werden, wenn ich ihr nicht die Versicherung geben könnte, daß ihr Kind nicht Gefahr liefe, seinen Magen so voll Haare zu bekommen, daß er zuwüchse. Ueber elfhundert Knaben endlich erkundigten sich, welche Wirkung der Reno¬ vator auf den Wuchs von Backenbärten haben würde, welche Neigung zum stagniren verriethen. Aber eine noch gräßlichere Marter waren die Besucher. Heerdenweise kamen die Kahlköpfigen, um mich zu besuchen. Sie verfolgten mich in und außer dem Hause. Wenn ich in die Kirche ging, rief mich der Küster während des Gebetes hinaus, wo ich einen Mann in der Vorhalle sah, der sich Ge¬ wißheit zu verschaffen wünschte, ob Pitman sich den Kopf mit der Medicin blos gebadet oder sie sich mit einer Bürste eingerieben habe. Wenn ich zu einer Abendgesellschaft ging, so hielt mich gewiß irgend ein kahlköpfiger Schuft mitten im Tanze auf, um mich zu fragen, ob Pitman's Haar im Vollmond oder bei Neumond zu wachsen angefangen habe. Während ich mich rasiren ließ, stürzte jemand in den Laden herein und bestand, während der Barbier mich an der Nase hielt, hartnäckig darauf, ich solle ihm sagen, ob Pitman Luftlöcher in seinem Hute trüge. Wenn ich einer Trauung beiwohnte, so war es ziemlich gewiß, daß ein kahlköpfiger Hallunke neben mich an den Altar trat und mich fragte, ob Pitman je in Nachtmützen geschlafen habe, und mehr als einmal wurde ich des Nachts aus dem Bette geholt, von Elenden, die, bevor sie die Stadt verließen, zu erfahren wünschten, ob ich dächte, es könne den Haaren schaden, wenn man sie hinten scheitelte. Die Sache wurde unausstehlich. Ich erließ Befehle an die Dienstboten, niemand, der einen kahlen Kopf hätte, ins Haus zu lassen. Aber noch an diesem selben Tage erlangte ein Fremder Einlaß in unsern Salon, und als ich hinunter ging, um nach seinem Begehr zu fragen, schlich er leise überall im Zimmer herum, schloß geheimnißvoll alle Thüren und fragte mich flüsternd,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/428
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/428>, abgerufen am 19.05.2024.