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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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2) wegen der journalistischen Autorität des Blattes, das die Geisteserzeugnisse
und Phantasiegebilde desselben naiv und allen Ernstes der Lesewelt als ge¬
sunde Lektüre auftischt.

Gut ist es, daß die elsässische Bevölkerung ebenso wie die deutsche sich
über derartige verrückte Einfälle eines französischen Kraftgenies keine grauen
Haare wachsen läßt, sondern einfach darüber zur Tagesordnung übergeht und
ruhig auf dem Boden der thatsächlichen Verhältnisse und mit gegebenen Fac-
toren weiter rechnet. Ein gutes Zeichen in dieser Hinsicht ist die schon früher
wiederholt hervorgehobene fruchtbare Thätigkeit des Landesausschusses in ihrer
ruhigen und gemäßigten Haltung, die in vollem Maße das ungetheilte Lob
verdiente, welches ihr seiner Zeit in Reichstag und Presse gespendet wurde.
Auch die "Bezirkstage" werden von Jahr zu Jahr geschmeidiger. Ende dieses
Monats werden sie wieder auf eine kurze Zeit zusammentreten.

Anderseits versprechen auch die baldigen Neuwahlen zu diesen Bezirks¬
tagen und zum Reichstage bessere Resultate, wie früher -- es müßten denn
alle Zeichen trügen. Klerikal ist nun einmal das Elsaß in seiner Majorität
nicht: Das habe ich schon früher einmal gelegentlich betont, und das ist eine
ausgemachte Thatsache, so sehr auch die jetzigen Deputirten desselben im Cen¬
trum auf ihre Macht und ihren Einfluß im Lande pochen mögen. Ebenso¬
wenig behagt, wie gleichfalls schon hervorgehoben, den meisten Elsässern das
Prinzip des "laisLsr leurs et pg-ssor", welches sich die Protest-Candidaten zur
Devise erkoren haben, und der "passive Widerstand" derselben. Zwischen
diesen beiden Extremen, die beide nur einem gelegentlichen Pulses, nämlich
der Ungunst der damaligen Umstände den Sieg verdankt haben, giebt es nur
einen Mittelweg, nämlich den liberalen, d. h. den der liberalen altelsässtschen
Partei. Tritt also, was nahezu sicher ist, eine Aenderung ein in den Wahlen,
so können dieselben nur eine freisinnige Richtung und zwar, wie es den An¬
schein hat, nach den Tendenzen der deutschen Fortschrittspartei hin annehmen.
Von social-demokratischen Tendenzen kann hier zu Lande keine Rede sein.
Ein gelegentlicher Arbeiterverein dieser Richtung in Straßburg mit etwa einem
Dutzend Mitgliedern ist nach kurzem Schlummerdasein wieder eingegangen.
Ebensowenig haben die Stock-Conservativen hier zur Zeit irgend eine Hoffnung.
Dazu ist der Mittelstand und selbst die untern Klassen in Stadt und Land
einerseits zu aufgeklärt und anderseits zu wenig neuerungsfähig. Nach allen
Erwägungen muß man also schließen: Die Zukunft im Elsaß gehört dem
/u. Liberalismus.




Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres
35. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post-
anstalten des In- "ut Auslandes zu beziehen ist. Preis pro
Quartal 9 Mark.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im März 1876. Die Berlagshandlnng.




Verantwortlicher Redakteur: 0r. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbift in Leipzig. - Druck von Hiithel " Herrmann in Leipzig.

2) wegen der journalistischen Autorität des Blattes, das die Geisteserzeugnisse
und Phantasiegebilde desselben naiv und allen Ernstes der Lesewelt als ge¬
sunde Lektüre auftischt.

Gut ist es, daß die elsässische Bevölkerung ebenso wie die deutsche sich
über derartige verrückte Einfälle eines französischen Kraftgenies keine grauen
Haare wachsen läßt, sondern einfach darüber zur Tagesordnung übergeht und
ruhig auf dem Boden der thatsächlichen Verhältnisse und mit gegebenen Fac-
toren weiter rechnet. Ein gutes Zeichen in dieser Hinsicht ist die schon früher
wiederholt hervorgehobene fruchtbare Thätigkeit des Landesausschusses in ihrer
ruhigen und gemäßigten Haltung, die in vollem Maße das ungetheilte Lob
verdiente, welches ihr seiner Zeit in Reichstag und Presse gespendet wurde.
Auch die „Bezirkstage" werden von Jahr zu Jahr geschmeidiger. Ende dieses
Monats werden sie wieder auf eine kurze Zeit zusammentreten.

Anderseits versprechen auch die baldigen Neuwahlen zu diesen Bezirks¬
tagen und zum Reichstage bessere Resultate, wie früher — es müßten denn
alle Zeichen trügen. Klerikal ist nun einmal das Elsaß in seiner Majorität
nicht: Das habe ich schon früher einmal gelegentlich betont, und das ist eine
ausgemachte Thatsache, so sehr auch die jetzigen Deputirten desselben im Cen¬
trum auf ihre Macht und ihren Einfluß im Lande pochen mögen. Ebenso¬
wenig behagt, wie gleichfalls schon hervorgehoben, den meisten Elsässern das
Prinzip des „laisLsr leurs et pg-ssor", welches sich die Protest-Candidaten zur
Devise erkoren haben, und der „passive Widerstand" derselben. Zwischen
diesen beiden Extremen, die beide nur einem gelegentlichen Pulses, nämlich
der Ungunst der damaligen Umstände den Sieg verdankt haben, giebt es nur
einen Mittelweg, nämlich den liberalen, d. h. den der liberalen altelsässtschen
Partei. Tritt also, was nahezu sicher ist, eine Aenderung ein in den Wahlen,
so können dieselben nur eine freisinnige Richtung und zwar, wie es den An¬
schein hat, nach den Tendenzen der deutschen Fortschrittspartei hin annehmen.
Von social-demokratischen Tendenzen kann hier zu Lande keine Rede sein.
Ein gelegentlicher Arbeiterverein dieser Richtung in Straßburg mit etwa einem
Dutzend Mitgliedern ist nach kurzem Schlummerdasein wieder eingegangen.
Ebensowenig haben die Stock-Conservativen hier zur Zeit irgend eine Hoffnung.
Dazu ist der Mittelstand und selbst die untern Klassen in Stadt und Land
einerseits zu aufgeklärt und anderseits zu wenig neuerungsfähig. Nach allen
Erwägungen muß man also schließen: Die Zukunft im Elsaß gehört dem
/u. Liberalismus.




Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres
35. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post-
anstalten des In- «ut Auslandes zu beziehen ist. Preis pro
Quartal 9 Mark.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im März 1876. Die Berlagshandlnng.




Verantwortlicher Redakteur: 0r. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbift in Leipzig. - Druck von Hiithel » Herrmann in Leipzig.
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[0044] 2) wegen der journalistischen Autorität des Blattes, das die Geisteserzeugnisse und Phantasiegebilde desselben naiv und allen Ernstes der Lesewelt als ge¬ sunde Lektüre auftischt. Gut ist es, daß die elsässische Bevölkerung ebenso wie die deutsche sich über derartige verrückte Einfälle eines französischen Kraftgenies keine grauen Haare wachsen läßt, sondern einfach darüber zur Tagesordnung übergeht und ruhig auf dem Boden der thatsächlichen Verhältnisse und mit gegebenen Fac- toren weiter rechnet. Ein gutes Zeichen in dieser Hinsicht ist die schon früher wiederholt hervorgehobene fruchtbare Thätigkeit des Landesausschusses in ihrer ruhigen und gemäßigten Haltung, die in vollem Maße das ungetheilte Lob verdiente, welches ihr seiner Zeit in Reichstag und Presse gespendet wurde. Auch die „Bezirkstage" werden von Jahr zu Jahr geschmeidiger. Ende dieses Monats werden sie wieder auf eine kurze Zeit zusammentreten. Anderseits versprechen auch die baldigen Neuwahlen zu diesen Bezirks¬ tagen und zum Reichstage bessere Resultate, wie früher — es müßten denn alle Zeichen trügen. Klerikal ist nun einmal das Elsaß in seiner Majorität nicht: Das habe ich schon früher einmal gelegentlich betont, und das ist eine ausgemachte Thatsache, so sehr auch die jetzigen Deputirten desselben im Cen¬ trum auf ihre Macht und ihren Einfluß im Lande pochen mögen. Ebenso¬ wenig behagt, wie gleichfalls schon hervorgehoben, den meisten Elsässern das Prinzip des „laisLsr leurs et pg-ssor", welches sich die Protest-Candidaten zur Devise erkoren haben, und der „passive Widerstand" derselben. Zwischen diesen beiden Extremen, die beide nur einem gelegentlichen Pulses, nämlich der Ungunst der damaligen Umstände den Sieg verdankt haben, giebt es nur einen Mittelweg, nämlich den liberalen, d. h. den der liberalen altelsässtschen Partei. Tritt also, was nahezu sicher ist, eine Aenderung ein in den Wahlen, so können dieselben nur eine freisinnige Richtung und zwar, wie es den An¬ schein hat, nach den Tendenzen der deutschen Fortschrittspartei hin annehmen. Von social-demokratischen Tendenzen kann hier zu Lande keine Rede sein. Ein gelegentlicher Arbeiterverein dieser Richtung in Straßburg mit etwa einem Dutzend Mitgliedern ist nach kurzem Schlummerdasein wieder eingegangen. Ebensowenig haben die Stock-Conservativen hier zur Zeit irgend eine Hoffnung. Dazu ist der Mittelstand und selbst die untern Klassen in Stadt und Land einerseits zu aufgeklärt und anderseits zu wenig neuerungsfähig. Nach allen Erwägungen muß man also schließen: Die Zukunft im Elsaß gehört dem /u. Liberalismus. Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres 35. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post- anstalten des In- «ut Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal 9 Mark. Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben freundlichst gebeten. Leipzig, im März 1876. Die Berlagshandlnng. Verantwortlicher Redakteur: 0r. Haus Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Herbift in Leipzig. - Druck von Hiithel » Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/44>, abgerufen am 19.05.2024.