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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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als -- ein Hemd. Da nun diese Hemden von einerlei Schnitt, die Maje¬
stäten aber von verschiedener Größe waren, so trug sich's zu, daß bei einigen
kaum die Blöße bedeckt war."

Weimarische Nachrichten sind es auch, welche den Beschluß unserer Mit¬
theilungen machen; am 11. Mai 1786 schreibt Götter aus Gotha:

"Vor einiger Zeit war ich in Weimar, um einer Liebhaberkomödie bey¬
zuwohnen, die man zur Genesungsseyer der Herzogin Mutter gab. Ich kann
also Eurer Excellenz nun als Augenzeuge versichern, daß das Gerücht
Ihnen vom Talente der Msell. sah röter nicht zu viel gesagt hat. Aber,
was Sie mir vielleicht nicht so leicht auss Wort glauben werden, sie vereinigt
mit diesem Talent alle Theaterkenntniß, Gewandheit und Gegenwart des
Geistes einer routinirten Schauspielerin*).

Denken Sie sich die Figur der Koch, die Innigkeit der Brandes, die
Deklamation der Seylerin, aber dabey eine so sonore Stimme und so viel
Grazie des Spiels, als -- ich muß abbrechen um das Ansehen von Ueber¬
treibungen zu vermeiden! Wie Schade daß ein so seltenes Geschöpf seine Be¬
stimmung verfehlt hat -- verfehlen will! denn bey ihrem jugendlichen Wuchse
und bey ihrer Gabe, die Spuren der Jahre durch Kunst und Puz wegzuzau¬
bern, wäre noch nichts versäumt. -- Aber Prüderie -- und das sogenannte
ewige Brod! --

Das Stück war vom Cammerherrn von Einsiedel: "Die Aben-
theuer auf Reisen." Der Verfasser hat mir erlaubt, hinter her darein
zu pfuschen und ich darf mir, ohne Ruhmfertigkeit, schmeicheln, daß diese
Nachhülfe seinem Produkte nichts geschadet hat. Vielleicht erhalte ich auch
die Erlaubniß, es Eurer Excellenz im Manuskript für Ihr Theater mitzuthei¬
len. Es thut Wirkung, und wird deren in Manheim um so mehr thun,
weil sehr viel auf das Spiel berechnet ist. -- Bellomo, der noch immer für



") Bei der Lückenhaftigkeit beglaubigter Nachrichten über Corona Schröter einerseits und
dem Interesse, welches sie -- namentlich wieder in allerneuester Zeit -- beanspruchen muß
andrerseits, wird ein Brief von ihr nicht ungern gelesen werden, welcher -- an Friedr. Ludw.
Schröder nach Hamburg gerichtet -- aus dessen Nachlaß stammt und die in jedem Betracht
hochgebildete, einer sehr gewählten Sprache sich mit Glück bedienende Dame zeigt. Der Brief
lautet: "Weimar den 19. Januar 1795. Der Gedanke giebt meinem Herzen einen süßen Stolz, daß ich dem Manne, dem ich längst
meine größte Verehrung geweiht habe; dem unser Vaterland so unumgränzten Ruhm zuerkennt
und der diese allgemeine Bewunderung mit der Verehrung seiner Freunde, durch gleich große
Vorzüge seines Charakters vereinigt, daß ich diesem edlen Manne auch durch Dankbarkeit ver¬
pflichtet bin, und indem ich der angenehmen Obliegenheit mich entledige, Ihnen für die Güte,
mit welcher Sie Sich für meine kleinen Gesänge haben interessiren wollen, auf das verbind¬
lichste zu danken, ich zugleich die erwünschte Veranlassung habe, Ihnen die Gefühle meiner
Corona Schröter. wärmsten Hochschätzung und Verehrung darzuthun. Ich nehme mir die Freyheit, eine Adresse an ein Handels-Haus in Hamburg beyzufügen."

als — ein Hemd. Da nun diese Hemden von einerlei Schnitt, die Maje¬
stäten aber von verschiedener Größe waren, so trug sich's zu, daß bei einigen
kaum die Blöße bedeckt war."

Weimarische Nachrichten sind es auch, welche den Beschluß unserer Mit¬
theilungen machen; am 11. Mai 1786 schreibt Götter aus Gotha:

„Vor einiger Zeit war ich in Weimar, um einer Liebhaberkomödie bey¬
zuwohnen, die man zur Genesungsseyer der Herzogin Mutter gab. Ich kann
also Eurer Excellenz nun als Augenzeuge versichern, daß das Gerücht
Ihnen vom Talente der Msell. sah röter nicht zu viel gesagt hat. Aber,
was Sie mir vielleicht nicht so leicht auss Wort glauben werden, sie vereinigt
mit diesem Talent alle Theaterkenntniß, Gewandheit und Gegenwart des
Geistes einer routinirten Schauspielerin*).

Denken Sie sich die Figur der Koch, die Innigkeit der Brandes, die
Deklamation der Seylerin, aber dabey eine so sonore Stimme und so viel
Grazie des Spiels, als — ich muß abbrechen um das Ansehen von Ueber¬
treibungen zu vermeiden! Wie Schade daß ein so seltenes Geschöpf seine Be¬
stimmung verfehlt hat — verfehlen will! denn bey ihrem jugendlichen Wuchse
und bey ihrer Gabe, die Spuren der Jahre durch Kunst und Puz wegzuzau¬
bern, wäre noch nichts versäumt. — Aber Prüderie — und das sogenannte
ewige Brod! —

Das Stück war vom Cammerherrn von Einsiedel: „Die Aben-
theuer auf Reisen." Der Verfasser hat mir erlaubt, hinter her darein
zu pfuschen und ich darf mir, ohne Ruhmfertigkeit, schmeicheln, daß diese
Nachhülfe seinem Produkte nichts geschadet hat. Vielleicht erhalte ich auch
die Erlaubniß, es Eurer Excellenz im Manuskript für Ihr Theater mitzuthei¬
len. Es thut Wirkung, und wird deren in Manheim um so mehr thun,
weil sehr viel auf das Spiel berechnet ist. — Bellomo, der noch immer für



") Bei der Lückenhaftigkeit beglaubigter Nachrichten über Corona Schröter einerseits und
dem Interesse, welches sie — namentlich wieder in allerneuester Zeit — beanspruchen muß
andrerseits, wird ein Brief von ihr nicht ungern gelesen werden, welcher — an Friedr. Ludw.
Schröder nach Hamburg gerichtet — aus dessen Nachlaß stammt und die in jedem Betracht
hochgebildete, einer sehr gewählten Sprache sich mit Glück bedienende Dame zeigt. Der Brief
lautet: „Weimar den 19. Januar 1795. Der Gedanke giebt meinem Herzen einen süßen Stolz, daß ich dem Manne, dem ich längst
meine größte Verehrung geweiht habe; dem unser Vaterland so unumgränzten Ruhm zuerkennt
und der diese allgemeine Bewunderung mit der Verehrung seiner Freunde, durch gleich große
Vorzüge seines Charakters vereinigt, daß ich diesem edlen Manne auch durch Dankbarkeit ver¬
pflichtet bin, und indem ich der angenehmen Obliegenheit mich entledige, Ihnen für die Güte,
mit welcher Sie Sich für meine kleinen Gesänge haben interessiren wollen, auf das verbind¬
lichste zu danken, ich zugleich die erwünschte Veranlassung habe, Ihnen die Gefühle meiner
Corona Schröter. wärmsten Hochschätzung und Verehrung darzuthun. Ich nehme mir die Freyheit, eine Adresse an ein Handels-Haus in Hamburg beyzufügen."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/60>, abgerufen am 19.05.2024.