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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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zählt zu den entschiedenen Anhängern des Freihandelssystems und bekämpft
mit schneidigen Waffen das in den Vereinigten Staaten zum Verderben des
Landes leider noch immer herrschende Schutzzoll- oder vielmehr Prohibitiv-
system. Er versieht seine Grundsätze mit aller Energie, ohne die Anschaungen
seiner Gegner absichtlich und in böswilliger Weise in ein falsches Licht zu
stellen. Es kommt ihm eben überall auf die Wahrheit an im Interesse der
Sache, viel weniger auf seinen eigenen Ruhm oder seinen besonderen Vortheil.
Rückkehr zum Freihandel und Hartgeldwährung sind nach Nordhoff eine
Lebensbedingung für das materielle Gedeihen der nordamerikanischen Union.

Ein nicht minder beachtenswertes, in mancher Hinsicht ähnliches Buch
ist von einem andern Deutsch-Amerikaner, Herrn Charles Rümelin, dessen
Name auch im alten Vaterlande einen guten Klang hat, verfaßt worden; das¬
selbe erschien im Jahre 1875 zu Cincinnati im Verlag von Robert Clarke & Co.
unter dem Titel "?reatise vn ?olities s, Loisuee" und beansprucht in keiner Weise,
wie dies vom Verfasser selbst in der Einleitung ausdrücklich constatirt wird, als
ein systematisches Handbuch der Staatslehre angesehen zu werden. Die ein¬
zelnen Theile oder Kapitel der Schrift (es sind deren 36) sind zu verschiedenen
Zeiten und bei besonderen Veranlassungen geschrieben, wurden aber später
vervollständigt und zu einem leidlich harmonischen Ganzen umgeschmolzen.
Rümelin betrachtet die Wissenschaft vom Staate als keine abgeschlossene
Wissenschaft; auch bespricht er in der in Rede stehenden Schrift verschiedene
Fragen, die, streng genommen, nicht in die Lehre vom Staate gehören, wäh¬
rend er andere Punkte, die mit Recht in der Staatslehre behandelt zu
werden pflegen, gar nicht berührt. Trotz alledem ist das Buch nicht ohne
theoretischen und praktischen Werth, und wenn es auch zunächst, ähnlich wie
das Nordhoff'sche Buch, für Amerikaner geschrieben ist, so enthält es doch
ebenfalls manche Ausführungen und Bemerkungen, die ein allgemeines In¬
teresse für sich in Anspruch nehmen und von europäischen Lehrern beachtet zu
werden verdienen. Das Wort "?olities" ist in den Vereinigten Staaten durch
das einseitig, ja fast handwerksmäßig ausgebildete politische Parteiwesen seit
längerer Zeit förmlich in Verruf gekommen, so daß die Bezeichnung "Ks is a
politicis-n" (er ist ein Politiker) in manchen Kreisen jenseit des atlantischen
Oceans nahezu die Bedeutung eines Schimpfworts erlangt hat. Rümelin ist
sich dieser Thatsache wohl bewußt; aber sein Streben ist, wie er selbst mit
eindringlichen Worten hervorhebt, darauf gerichtet, das opfermuthige, patrio¬
tische Interesse an politischen Fragen zu wecken, die "falschen Politiker" (M
Lpurious politicians) aber, welche die Politik nur als eine Stufenleiter zur
Erreichung selbstsüchtiger Zwecke (g, stsp-laääer to ponsr) betrachten, in ihrer
ganzen Verwerflichkeit darzustellen. Dem Vorwurfe, er sei ein doctrinärer
Theoretiker; begegnet er mit den Worten: er wolle lieber ehrlichen Theorien


zählt zu den entschiedenen Anhängern des Freihandelssystems und bekämpft
mit schneidigen Waffen das in den Vereinigten Staaten zum Verderben des
Landes leider noch immer herrschende Schutzzoll- oder vielmehr Prohibitiv-
system. Er versieht seine Grundsätze mit aller Energie, ohne die Anschaungen
seiner Gegner absichtlich und in böswilliger Weise in ein falsches Licht zu
stellen. Es kommt ihm eben überall auf die Wahrheit an im Interesse der
Sache, viel weniger auf seinen eigenen Ruhm oder seinen besonderen Vortheil.
Rückkehr zum Freihandel und Hartgeldwährung sind nach Nordhoff eine
Lebensbedingung für das materielle Gedeihen der nordamerikanischen Union.

Ein nicht minder beachtenswertes, in mancher Hinsicht ähnliches Buch
ist von einem andern Deutsch-Amerikaner, Herrn Charles Rümelin, dessen
Name auch im alten Vaterlande einen guten Klang hat, verfaßt worden; das¬
selbe erschien im Jahre 1875 zu Cincinnati im Verlag von Robert Clarke & Co.
unter dem Titel „?reatise vn ?olities s, Loisuee" und beansprucht in keiner Weise,
wie dies vom Verfasser selbst in der Einleitung ausdrücklich constatirt wird, als
ein systematisches Handbuch der Staatslehre angesehen zu werden. Die ein¬
zelnen Theile oder Kapitel der Schrift (es sind deren 36) sind zu verschiedenen
Zeiten und bei besonderen Veranlassungen geschrieben, wurden aber später
vervollständigt und zu einem leidlich harmonischen Ganzen umgeschmolzen.
Rümelin betrachtet die Wissenschaft vom Staate als keine abgeschlossene
Wissenschaft; auch bespricht er in der in Rede stehenden Schrift verschiedene
Fragen, die, streng genommen, nicht in die Lehre vom Staate gehören, wäh¬
rend er andere Punkte, die mit Recht in der Staatslehre behandelt zu
werden pflegen, gar nicht berührt. Trotz alledem ist das Buch nicht ohne
theoretischen und praktischen Werth, und wenn es auch zunächst, ähnlich wie
das Nordhoff'sche Buch, für Amerikaner geschrieben ist, so enthält es doch
ebenfalls manche Ausführungen und Bemerkungen, die ein allgemeines In¬
teresse für sich in Anspruch nehmen und von europäischen Lehrern beachtet zu
werden verdienen. Das Wort „?olities" ist in den Vereinigten Staaten durch
das einseitig, ja fast handwerksmäßig ausgebildete politische Parteiwesen seit
längerer Zeit förmlich in Verruf gekommen, so daß die Bezeichnung „Ks is a
politicis-n" (er ist ein Politiker) in manchen Kreisen jenseit des atlantischen
Oceans nahezu die Bedeutung eines Schimpfworts erlangt hat. Rümelin ist
sich dieser Thatsache wohl bewußt; aber sein Streben ist, wie er selbst mit
eindringlichen Worten hervorhebt, darauf gerichtet, das opfermuthige, patrio¬
tische Interesse an politischen Fragen zu wecken, die „falschen Politiker" (M
Lpurious politicians) aber, welche die Politik nur als eine Stufenleiter zur
Erreichung selbstsüchtiger Zwecke (g, stsp-laääer to ponsr) betrachten, in ihrer
ganzen Verwerflichkeit darzustellen. Dem Vorwurfe, er sei ein doctrinärer
Theoretiker; begegnet er mit den Worten: er wolle lieber ehrlichen Theorien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/125>, abgerufen am 27.04.2024.