Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Resultat derselben in einer künstlerischen Sprache zugänglich zu machen. --
Der Erfolg jenes ersten Essays war ein geradezu erstaunlicher. Longmans,
der Verleger des Edinburgh-Review, versicherte, daß noch nie eine Nummer
einen solchen Absatz gehabt habe, wie die betreffende mit dem Bettrag Ma¬
caulay's. In England spielen ja überhaupt die literarisch-politischen Zeitschriften
(^VeoKlies, ^ortmAktlies, NoiMIiss) eine bei weitem wichtigere Rolle als
in irgend einem Lande des Kontinents. Und nun vergegenwärtige man sich
den Eindruck, den dieser funkensprühende Stil, die markigen Antithesen,
der harmonische, fast metrische Rhythmus, das wahrhaft intuitive Wissen,
die Neuheit der Auffassung von Milton's dichterischer und politischer Be¬
deutung auf ein großes, gebildetes Publikum machen mußten, welches sich
bislang daran gewöhnt hatte, die Resultate gelehrter Forschungen nur in
dem confusen, langweiligen Gelehrtenstil zu lesen.

Wie Lord Byron nach dem Erscheinen der ersten beiden Gesänge seines
OKilä IlarM, so konnte jetzt Macaulay von sich sagen: "Ich erwachte eines
Morgens als berühmter Mann!" Er wurde der Held des Tages, der "Löwe"
der Gesellschaft, Einladungen aus den besten und allerbesten Kreisen drängten
einander. Murray, der große Murray, der vornehmste der englischen Verleger,
sah voll Neid auf die Besitzer des Edinburgh-Review, die einen so kostbaren
Schatz für ihr Journal entdeckt. Es ist ein wunderbares Zusammentreffen,
daß dasselbe Edinburgh-Review, welches durch seinen Tadel der ersten poetischen
Versuche Lord Byron's bestimmend auf dessen ganzes dichterisches Leben einge¬
wirkt hat, so auch, freilich in angenehmerer Weise, einem der größten
Prosaiker Englands den Weg zu seinem nachmaligen dauernden Ruhme
ebnen sollte. Auch in mancher andern Beziehung bietet Macaulay's Leben
Berührungspunkte mit dem des frühgestorbenen Dichters. Dieselbe Univer-
sität hatte Beide in ihren Mauern gesehen, von Beiden gleichmäßig verab¬
scheut,*) -- in demselben Jahre, in dem Lord Byron allzufrüh und fern der
Heimath starb, ging Macaulay's Stern auf. Kaum dreißig Jahre alt, griff Ma¬
caulay den Thurm des Glaubens, die Verkörperung der englischen Heuchelei,
den bigotten Zionswächter -- den Hofpoeten Southey an, machte ihn zum
zweiten Male unendlich lächerlich, wie Byron schon einmal -- nur erfolgloser
-- gethan, und trug nicht wenig dazu bei, daß Southey's Name damals
wie heute nur mit Spott oder mit einem mitleidigen Achselzucken genannt wurde.

Der schnell anwachsende Schriftstellerruhm hinderte Thomas Macaulay
nicht in seinen juristischen Amtsgeschäften, die ihn namentlich bei den eireuit-
courts, einer Art ambulanter Themis, in Athem hielten. Jedenfalls scheint



*) Auch Milton war in Cambridge erzogen worden und sprach sein Leben lang nur mit
Abscheu davon.

Resultat derselben in einer künstlerischen Sprache zugänglich zu machen. —
Der Erfolg jenes ersten Essays war ein geradezu erstaunlicher. Longmans,
der Verleger des Edinburgh-Review, versicherte, daß noch nie eine Nummer
einen solchen Absatz gehabt habe, wie die betreffende mit dem Bettrag Ma¬
caulay's. In England spielen ja überhaupt die literarisch-politischen Zeitschriften
(^VeoKlies, ^ortmAktlies, NoiMIiss) eine bei weitem wichtigere Rolle als
in irgend einem Lande des Kontinents. Und nun vergegenwärtige man sich
den Eindruck, den dieser funkensprühende Stil, die markigen Antithesen,
der harmonische, fast metrische Rhythmus, das wahrhaft intuitive Wissen,
die Neuheit der Auffassung von Milton's dichterischer und politischer Be¬
deutung auf ein großes, gebildetes Publikum machen mußten, welches sich
bislang daran gewöhnt hatte, die Resultate gelehrter Forschungen nur in
dem confusen, langweiligen Gelehrtenstil zu lesen.

Wie Lord Byron nach dem Erscheinen der ersten beiden Gesänge seines
OKilä IlarM, so konnte jetzt Macaulay von sich sagen: „Ich erwachte eines
Morgens als berühmter Mann!" Er wurde der Held des Tages, der „Löwe"
der Gesellschaft, Einladungen aus den besten und allerbesten Kreisen drängten
einander. Murray, der große Murray, der vornehmste der englischen Verleger,
sah voll Neid auf die Besitzer des Edinburgh-Review, die einen so kostbaren
Schatz für ihr Journal entdeckt. Es ist ein wunderbares Zusammentreffen,
daß dasselbe Edinburgh-Review, welches durch seinen Tadel der ersten poetischen
Versuche Lord Byron's bestimmend auf dessen ganzes dichterisches Leben einge¬
wirkt hat, so auch, freilich in angenehmerer Weise, einem der größten
Prosaiker Englands den Weg zu seinem nachmaligen dauernden Ruhme
ebnen sollte. Auch in mancher andern Beziehung bietet Macaulay's Leben
Berührungspunkte mit dem des frühgestorbenen Dichters. Dieselbe Univer-
sität hatte Beide in ihren Mauern gesehen, von Beiden gleichmäßig verab¬
scheut,*) — in demselben Jahre, in dem Lord Byron allzufrüh und fern der
Heimath starb, ging Macaulay's Stern auf. Kaum dreißig Jahre alt, griff Ma¬
caulay den Thurm des Glaubens, die Verkörperung der englischen Heuchelei,
den bigotten Zionswächter — den Hofpoeten Southey an, machte ihn zum
zweiten Male unendlich lächerlich, wie Byron schon einmal — nur erfolgloser
— gethan, und trug nicht wenig dazu bei, daß Southey's Name damals
wie heute nur mit Spott oder mit einem mitleidigen Achselzucken genannt wurde.

Der schnell anwachsende Schriftstellerruhm hinderte Thomas Macaulay
nicht in seinen juristischen Amtsgeschäften, die ihn namentlich bei den eireuit-
courts, einer Art ambulanter Themis, in Athem hielten. Jedenfalls scheint



*) Auch Milton war in Cambridge erzogen worden und sprach sein Leben lang nur mit
Abscheu davon.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0174" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136285"/>
          <p xml:id="ID_413" prev="#ID_412"> Resultat derselben in einer künstlerischen Sprache zugänglich zu machen. &#x2014;<lb/>
Der Erfolg jenes ersten Essays war ein geradezu erstaunlicher. Longmans,<lb/>
der Verleger des Edinburgh-Review, versicherte, daß noch nie eine Nummer<lb/>
einen solchen Absatz gehabt habe, wie die betreffende mit dem Bettrag Ma¬<lb/>
caulay's. In England spielen ja überhaupt die literarisch-politischen Zeitschriften<lb/>
(^VeoKlies, ^ortmAktlies, NoiMIiss) eine bei weitem wichtigere Rolle als<lb/>
in irgend einem Lande des Kontinents. Und nun vergegenwärtige man sich<lb/>
den Eindruck, den dieser funkensprühende Stil, die markigen Antithesen,<lb/>
der harmonische, fast metrische Rhythmus, das wahrhaft intuitive Wissen,<lb/>
die Neuheit der Auffassung von Milton's dichterischer und politischer Be¬<lb/>
deutung auf ein großes, gebildetes Publikum machen mußten, welches sich<lb/>
bislang daran gewöhnt hatte, die Resultate gelehrter Forschungen nur in<lb/>
dem confusen, langweiligen Gelehrtenstil zu lesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_414"> Wie Lord Byron nach dem Erscheinen der ersten beiden Gesänge seines<lb/>
OKilä IlarM, so konnte jetzt Macaulay von sich sagen: &#x201E;Ich erwachte eines<lb/>
Morgens als berühmter Mann!" Er wurde der Held des Tages, der &#x201E;Löwe"<lb/>
der Gesellschaft, Einladungen aus den besten und allerbesten Kreisen drängten<lb/>
einander. Murray, der große Murray, der vornehmste der englischen Verleger,<lb/>
sah voll Neid auf die Besitzer des Edinburgh-Review, die einen so kostbaren<lb/>
Schatz für ihr Journal entdeckt. Es ist ein wunderbares Zusammentreffen,<lb/>
daß dasselbe Edinburgh-Review, welches durch seinen Tadel der ersten poetischen<lb/>
Versuche Lord Byron's bestimmend auf dessen ganzes dichterisches Leben einge¬<lb/>
wirkt hat, so auch, freilich in angenehmerer Weise, einem der größten<lb/>
Prosaiker Englands den Weg zu seinem nachmaligen dauernden Ruhme<lb/>
ebnen sollte. Auch in mancher andern Beziehung bietet Macaulay's Leben<lb/>
Berührungspunkte mit dem des frühgestorbenen Dichters. Dieselbe Univer-<lb/>
sität hatte Beide in ihren Mauern gesehen, von Beiden gleichmäßig verab¬<lb/>
scheut,*) &#x2014; in demselben Jahre, in dem Lord Byron allzufrüh und fern der<lb/>
Heimath starb, ging Macaulay's Stern auf. Kaum dreißig Jahre alt, griff Ma¬<lb/>
caulay den Thurm des Glaubens, die Verkörperung der englischen Heuchelei,<lb/>
den bigotten Zionswächter &#x2014; den Hofpoeten Southey an, machte ihn zum<lb/>
zweiten Male unendlich lächerlich, wie Byron schon einmal &#x2014; nur erfolgloser<lb/>
&#x2014; gethan, und trug nicht wenig dazu bei, daß Southey's Name damals<lb/>
wie heute nur mit Spott oder mit einem mitleidigen Achselzucken genannt wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_415" next="#ID_416"> Der schnell anwachsende Schriftstellerruhm hinderte Thomas Macaulay<lb/>
nicht in seinen juristischen Amtsgeschäften, die ihn namentlich bei den eireuit-<lb/>
courts, einer Art ambulanter Themis, in Athem hielten. Jedenfalls scheint</p><lb/>
          <note xml:id="FID_10" place="foot"> *) Auch Milton war in Cambridge erzogen worden und sprach sein Leben lang nur mit<lb/>
Abscheu davon.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0174] Resultat derselben in einer künstlerischen Sprache zugänglich zu machen. — Der Erfolg jenes ersten Essays war ein geradezu erstaunlicher. Longmans, der Verleger des Edinburgh-Review, versicherte, daß noch nie eine Nummer einen solchen Absatz gehabt habe, wie die betreffende mit dem Bettrag Ma¬ caulay's. In England spielen ja überhaupt die literarisch-politischen Zeitschriften (^VeoKlies, ^ortmAktlies, NoiMIiss) eine bei weitem wichtigere Rolle als in irgend einem Lande des Kontinents. Und nun vergegenwärtige man sich den Eindruck, den dieser funkensprühende Stil, die markigen Antithesen, der harmonische, fast metrische Rhythmus, das wahrhaft intuitive Wissen, die Neuheit der Auffassung von Milton's dichterischer und politischer Be¬ deutung auf ein großes, gebildetes Publikum machen mußten, welches sich bislang daran gewöhnt hatte, die Resultate gelehrter Forschungen nur in dem confusen, langweiligen Gelehrtenstil zu lesen. Wie Lord Byron nach dem Erscheinen der ersten beiden Gesänge seines OKilä IlarM, so konnte jetzt Macaulay von sich sagen: „Ich erwachte eines Morgens als berühmter Mann!" Er wurde der Held des Tages, der „Löwe" der Gesellschaft, Einladungen aus den besten und allerbesten Kreisen drängten einander. Murray, der große Murray, der vornehmste der englischen Verleger, sah voll Neid auf die Besitzer des Edinburgh-Review, die einen so kostbaren Schatz für ihr Journal entdeckt. Es ist ein wunderbares Zusammentreffen, daß dasselbe Edinburgh-Review, welches durch seinen Tadel der ersten poetischen Versuche Lord Byron's bestimmend auf dessen ganzes dichterisches Leben einge¬ wirkt hat, so auch, freilich in angenehmerer Weise, einem der größten Prosaiker Englands den Weg zu seinem nachmaligen dauernden Ruhme ebnen sollte. Auch in mancher andern Beziehung bietet Macaulay's Leben Berührungspunkte mit dem des frühgestorbenen Dichters. Dieselbe Univer- sität hatte Beide in ihren Mauern gesehen, von Beiden gleichmäßig verab¬ scheut,*) — in demselben Jahre, in dem Lord Byron allzufrüh und fern der Heimath starb, ging Macaulay's Stern auf. Kaum dreißig Jahre alt, griff Ma¬ caulay den Thurm des Glaubens, die Verkörperung der englischen Heuchelei, den bigotten Zionswächter — den Hofpoeten Southey an, machte ihn zum zweiten Male unendlich lächerlich, wie Byron schon einmal — nur erfolgloser — gethan, und trug nicht wenig dazu bei, daß Southey's Name damals wie heute nur mit Spott oder mit einem mitleidigen Achselzucken genannt wurde. Der schnell anwachsende Schriftstellerruhm hinderte Thomas Macaulay nicht in seinen juristischen Amtsgeschäften, die ihn namentlich bei den eireuit- courts, einer Art ambulanter Themis, in Athem hielten. Jedenfalls scheint *) Auch Milton war in Cambridge erzogen worden und sprach sein Leben lang nur mit Abscheu davon.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/174
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/174>, abgerufen am 18.05.2024.