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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Oesterreich scheiden: das graue, umwetterte Haupt des hohen Pyrgas (7200'),
die zerklüfteten Wände des Scheibelsteins (6900), die zackigen Kämme des
Hexenthurms, der Kreuzmauer und wie sie alle heißen, bis zum gewaltigen
Buchstein im Osten (7000') und der zinnengekrönten Mauer des Hochthors
(7200'), das in lebloser Oede alles umher überragt. Gefurchten Antlitzes
schauen sie alle hernieder ins Thal, tausendfach zerrissen durch Schneewasser,
verwittert durch Sturm und Regen, in einem ewigen Zerstörungsproeeß be¬
griffen; an ihren steilen Flanken haftet selbst im Hochsommer der Winter¬
schnee, um ihre Gipfel schweben die weißen Wölkchen, kämpfen die grauen
Dunstmassen, immer von neuem sich ballend. Wie Zwerge schieben sich vor
diese Riesen niedere, bewaldete Berge in oft unterbrochener Kette, deren Ge¬
stein der Triasgruppe angehört. Im Süden steigen die Massen weniger hoch
empor; breit und mächtig erhebt sich noch aus dichtem Walde der Gipfel des
Reichensteins, aber weiter nach Westen reihen sich bis Rottenmann, das Enns-
vom Paltenthale scheidend, niedrigere, bewaldete Rücken. Selbst gegen Westen
scheint das Thal geschlossen; wie ein Grenzpfeiler taucht hier, einem Zucker¬
hute gleich, der Tausstng bei Lietzen empor. Doch führt hier seit Alters auf
breiter Thalsohle die Straße nach dem oberen Ennsthale. Sonst öffnet sich
der Kessel von Admont nur nach einer Seite, Zwischen dem Buchstein und
der südlichen Gebirgsmauer thut sich eine tiefe Einsenkung auf, sie führt über
Se. Gallen in nordöstlicher Richtung nach dem unteren Ennsthale; sie war
bis in die neueste Zeit die einzige Straße nach dem Donauthale, denn nach
Osten sperrten die feindlichen Felsmassen des "Gehäuses" jeden Verkehr, erst
seit 1841 legte hier die Jnnerberger Gesellschaft eine Fahrstraße an.

Inmitten dieses Ringes von grauen Felsmassen und dunklen Wäldern
breitet sich die Thalfläche von Admont aus, bedeckt mit Feldern, Wiesen und
Obstgärten, durchzogen von der vielgewundenen, hellgrünen Enns, die ^äa-
mulläa, valliZ des Mittelalters. Aber die Fülle des Bergwassers hat auch
große Strecken in Teiche oder Sümpfe verwandelt und mächtige Torflager
gebildet, die gegen 400 Joch einnehmen, und zerstörend brechen zur Zeit der
Schneeschmelze die Wasser des Gebirges herein, lange Streifen mit Schutt
erfüllend, die ihnen überlassen werden müssen, trotzdem daß im Sommer nur
eine schwache Wasserader im breiten, von Buschwerk umsäumten Kiesbette
rinnt. Dafür gedeiht auf den Bergweiden das schöne silbergraue Vieh der
steirtschen Alpen, und die Berge der Südseite bergen einen Reichthum von
Eisenerz, dessen Ausbeutung noch vor dem 12. Jahrhundert begonnen wurde
und heute noch dauert. Auch die Jagd ist ergiebig genug. Die Raubthiere
des deutschen Bergwaldes haben sich noch sehr lange hier behauptet, der Bar
bis ins vorige Jahrhundert; der letzte Wolf fiel erst 1824, erst fünf Jah"
später sogar der letzte Luchs.


Oesterreich scheiden: das graue, umwetterte Haupt des hohen Pyrgas (7200'),
die zerklüfteten Wände des Scheibelsteins (6900), die zackigen Kämme des
Hexenthurms, der Kreuzmauer und wie sie alle heißen, bis zum gewaltigen
Buchstein im Osten (7000') und der zinnengekrönten Mauer des Hochthors
(7200'), das in lebloser Oede alles umher überragt. Gefurchten Antlitzes
schauen sie alle hernieder ins Thal, tausendfach zerrissen durch Schneewasser,
verwittert durch Sturm und Regen, in einem ewigen Zerstörungsproeeß be¬
griffen; an ihren steilen Flanken haftet selbst im Hochsommer der Winter¬
schnee, um ihre Gipfel schweben die weißen Wölkchen, kämpfen die grauen
Dunstmassen, immer von neuem sich ballend. Wie Zwerge schieben sich vor
diese Riesen niedere, bewaldete Berge in oft unterbrochener Kette, deren Ge¬
stein der Triasgruppe angehört. Im Süden steigen die Massen weniger hoch
empor; breit und mächtig erhebt sich noch aus dichtem Walde der Gipfel des
Reichensteins, aber weiter nach Westen reihen sich bis Rottenmann, das Enns-
vom Paltenthale scheidend, niedrigere, bewaldete Rücken. Selbst gegen Westen
scheint das Thal geschlossen; wie ein Grenzpfeiler taucht hier, einem Zucker¬
hute gleich, der Tausstng bei Lietzen empor. Doch führt hier seit Alters auf
breiter Thalsohle die Straße nach dem oberen Ennsthale. Sonst öffnet sich
der Kessel von Admont nur nach einer Seite, Zwischen dem Buchstein und
der südlichen Gebirgsmauer thut sich eine tiefe Einsenkung auf, sie führt über
Se. Gallen in nordöstlicher Richtung nach dem unteren Ennsthale; sie war
bis in die neueste Zeit die einzige Straße nach dem Donauthale, denn nach
Osten sperrten die feindlichen Felsmassen des „Gehäuses" jeden Verkehr, erst
seit 1841 legte hier die Jnnerberger Gesellschaft eine Fahrstraße an.

Inmitten dieses Ringes von grauen Felsmassen und dunklen Wäldern
breitet sich die Thalfläche von Admont aus, bedeckt mit Feldern, Wiesen und
Obstgärten, durchzogen von der vielgewundenen, hellgrünen Enns, die ^äa-
mulläa, valliZ des Mittelalters. Aber die Fülle des Bergwassers hat auch
große Strecken in Teiche oder Sümpfe verwandelt und mächtige Torflager
gebildet, die gegen 400 Joch einnehmen, und zerstörend brechen zur Zeit der
Schneeschmelze die Wasser des Gebirges herein, lange Streifen mit Schutt
erfüllend, die ihnen überlassen werden müssen, trotzdem daß im Sommer nur
eine schwache Wasserader im breiten, von Buschwerk umsäumten Kiesbette
rinnt. Dafür gedeiht auf den Bergweiden das schöne silbergraue Vieh der
steirtschen Alpen, und die Berge der Südseite bergen einen Reichthum von
Eisenerz, dessen Ausbeutung noch vor dem 12. Jahrhundert begonnen wurde
und heute noch dauert. Auch die Jagd ist ergiebig genug. Die Raubthiere
des deutschen Bergwaldes haben sich noch sehr lange hier behauptet, der Bar
bis ins vorige Jahrhundert; der letzte Wolf fiel erst 1824, erst fünf Jah"
später sogar der letzte Luchs.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/218>, abgerufen am 29.04.2024.