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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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erscheint, wie die dürftige Umgebung eines reichen Schlosses. Die Dörfer
des Thales sind alle klein und verrathen wenig Wohlhabenheit; ist ihnen
doch noch kein Menschenalter seit der Aufhebung der Gutsunterthänigkeit
verflossen (1848)1 Auch der "Markt" Admont, der als Ort erst 1418 er¬
wähnt wird, läßt sich nicht vergleichen mit den oft so stattlichen Marktflecken
Oesterreichs. Eine einzige nicht eben lange Straße bildet ihn, die zur Enns-
brücke führt; einstöckige Häuser, das Erdgeschoß aus Stein, das obere Stock¬
werk aus dunkelgebräuntem Holz mit kleinen Fenstern, das breite, schwere
Dach weit übergreifend, stehen ohne sichere Linie, bald etwas vor, bald zurück¬
tretend, an den Seiten. Doch schon haben sie vielfach moderneren Gebäuden
mit grünen Jalousien Platz machen müssen, denn Admont ist ein beliebtes
Reiseziel, wenigstens der Oesterreicher, geworden; norddeutsche verirren sich noch
sehr selten dahin. Aber das Leben ist einfach und anheimelnd geblieben; mit
"Schön Willkommen!" und tiefem Knix tritt die Wirthin in dem Flur dem
Ankömmling entgegen, und mit einem "B'hüt' Ihna Gott" drückt sie ihm
beim Abschiede die Hand. Kein befrackter Kellner stört den Frieden des
Reisenden, und bei einem Schoppen trefflichen steirischen Weines thut sich die
ganze Herrlichkeit des "Kälbernen" oder des "Backhändl" auf. Abends aber
klingt etwa die Maultrommel oder die Cither, und ein kräftiger Jodler erinnert
an die Alpenwelt.

Wir nehmen Abschied von Admont, indem wir noch zu dem etwa ^
Stunde südlich auf steilem Bergeshange ragenden "stiftischen" Schlosse Röthel-
stein empor steigen. Abt Urban Textor hat es um 1635 erbaut, mehr als
ein großer, jagdlustiger Herr, denn als Abt. Heute steht es öde und verlassen,
wie ein verzaubertes Schloß. Ein weiter, mit zinnengekrönter Mauer um-
schlossner Hos legt sich im Westen vor, ganz mit Gras überwachsen, kaum,
daß noch ein schmaler Fußpfad nach dem Portale des Schlosses führt. Dieses
selbst umschließt nach der Weise der Renaissance einen länglich-viereckigen Hof,
den offne Säulengallerien umgeben, so, daß die südliche Langseite desselben
nur durch eine von Mauerwerk geschlossne Gallerie gebildet wird, während
die Wohnräume nach den übrigen Seiten liegen. Eckige Thürme mit steilem
Schieferdach erheben sich an den Ecken. In der langen Flucht von Zimmern
und Sälen fällt besonders der große Bankettsaal ins Auge, ein schöner Raum
mit parquettirtem Fußboden und Stuckdecke, die Wände gemalt mit -- übrigens
künstlerisch werthlosen -- Bildern sämmtlicher Schlösser, über die Admont
einst gebot oder noch gebietet, und mit diesen Ansichten ist in origineller
Weise die Darstellung von Scenen aus der Geschichte des Verlornen Sohnes
verbunden.

Da jetzt von altem Meublement so gut wie gar nichts mehr vorhanden
ist, so ist das Charakteristischeste der Ausstattung das schöne Schnitzwerk an


erscheint, wie die dürftige Umgebung eines reichen Schlosses. Die Dörfer
des Thales sind alle klein und verrathen wenig Wohlhabenheit; ist ihnen
doch noch kein Menschenalter seit der Aufhebung der Gutsunterthänigkeit
verflossen (1848)1 Auch der „Markt" Admont, der als Ort erst 1418 er¬
wähnt wird, läßt sich nicht vergleichen mit den oft so stattlichen Marktflecken
Oesterreichs. Eine einzige nicht eben lange Straße bildet ihn, die zur Enns-
brücke führt; einstöckige Häuser, das Erdgeschoß aus Stein, das obere Stock¬
werk aus dunkelgebräuntem Holz mit kleinen Fenstern, das breite, schwere
Dach weit übergreifend, stehen ohne sichere Linie, bald etwas vor, bald zurück¬
tretend, an den Seiten. Doch schon haben sie vielfach moderneren Gebäuden
mit grünen Jalousien Platz machen müssen, denn Admont ist ein beliebtes
Reiseziel, wenigstens der Oesterreicher, geworden; norddeutsche verirren sich noch
sehr selten dahin. Aber das Leben ist einfach und anheimelnd geblieben; mit
„Schön Willkommen!" und tiefem Knix tritt die Wirthin in dem Flur dem
Ankömmling entgegen, und mit einem „B'hüt' Ihna Gott" drückt sie ihm
beim Abschiede die Hand. Kein befrackter Kellner stört den Frieden des
Reisenden, und bei einem Schoppen trefflichen steirischen Weines thut sich die
ganze Herrlichkeit des „Kälbernen" oder des „Backhändl" auf. Abends aber
klingt etwa die Maultrommel oder die Cither, und ein kräftiger Jodler erinnert
an die Alpenwelt.

Wir nehmen Abschied von Admont, indem wir noch zu dem etwa ^
Stunde südlich auf steilem Bergeshange ragenden „stiftischen" Schlosse Röthel-
stein empor steigen. Abt Urban Textor hat es um 1635 erbaut, mehr als
ein großer, jagdlustiger Herr, denn als Abt. Heute steht es öde und verlassen,
wie ein verzaubertes Schloß. Ein weiter, mit zinnengekrönter Mauer um-
schlossner Hos legt sich im Westen vor, ganz mit Gras überwachsen, kaum,
daß noch ein schmaler Fußpfad nach dem Portale des Schlosses führt. Dieses
selbst umschließt nach der Weise der Renaissance einen länglich-viereckigen Hof,
den offne Säulengallerien umgeben, so, daß die südliche Langseite desselben
nur durch eine von Mauerwerk geschlossne Gallerie gebildet wird, während
die Wohnräume nach den übrigen Seiten liegen. Eckige Thürme mit steilem
Schieferdach erheben sich an den Ecken. In der langen Flucht von Zimmern
und Sälen fällt besonders der große Bankettsaal ins Auge, ein schöner Raum
mit parquettirtem Fußboden und Stuckdecke, die Wände gemalt mit — übrigens
künstlerisch werthlosen — Bildern sämmtlicher Schlösser, über die Admont
einst gebot oder noch gebietet, und mit diesen Ansichten ist in origineller
Weise die Darstellung von Scenen aus der Geschichte des Verlornen Sohnes
verbunden.

Da jetzt von altem Meublement so gut wie gar nichts mehr vorhanden
ist, so ist das Charakteristischeste der Ausstattung das schöne Schnitzwerk an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/230>, abgerufen am 21.09.2024.