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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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lichen Ausprägungen von Silbermünzen auf ein zwischen den einzelnen
Staaten repartirtes Minimum beschränkt wurden. Schon durch diese Restriction
ist der Weg betreten als dessen Ziel die alleinige Goldwährung betrachtet
werden muß. Wir sind der Ueberzeugung, daß die Staaten des lateinischen
Münzvertrages aber sehr bald genöthigt sein werden, diesem Ziele noch rascher
zuzueilen und die Ausprägung von 6-Franken-Thalern gänzlich einzustellen
und dagegen die kleineren, nicht vollgehaltigen Silbermünzen entsprechend zu
vermehren. Auch Holland hat einen Schritt in dieser Richtung gethan, indem
es die Silberprägung für Rechnung von Privaten gesetzlich aufhob. Die
ausschließliche Silberwährung besteht nur noch in Oesterreich und Rußland.
Oesterreich würde sich also durch die Beibehaltung der Silberwährung bei
Wiederherstellung der Metallgeldzahlungen gänzlich isoliren und die Con-
currenzfähigkeit seiner Production im Auslande fast ebensosehr schädigen, als
es bei der gegenwärtigen Papiergeldcirculation der Fall ist. Unter solchen
Umständen sollte das gegenwärtig bestehende Deficit kein Grund sein, um die
Regierungen von Oesterreich und Ungarn vor der Beschaffung der erforder¬
lichen Mittel zur Wiederherstellung der Metallgeldzahlung durch eine Anleihe
abzuschrecken. Denn die Zinsen dafür würden unmittelbar durch Ersparnisse
an Agio für Zahlungen des Staates im Auslande, sowie durch höhere
Steuererträgnisse aufgebracht werden.

Dabei wäre allerdings mit der Thatsache zu rechnen, daß das Gold ge¬
genwärtig viel höher im Preise steht, und die Frage zu lösen, wie sich der
Staat, ohne eine Ungerechtigkeit zu begehen, mit den geringsten Opfern aus
der Sache zieht. Da er nur Silber duldet, so kann er beim Uebergang zur
Goldwährung ohne Unbtlltgkeit in der Einlösung der Staatsnoten den In¬
habern der letzteren den höheren Preis anrechnen, also braucht er z. B. für
21 Gulden jener Silbernoten nur ca. 20 Gulden Gold hinzugeben. Die Preise
und Löhne werden sinken und einerseits die Staatsausgaben sich vermindern,
andererseits aber die Concurrenzfähigkeit der inländischen Produktionen mit
der ausländischen sich erhöhen und dadurch den ausländischen Handel vermehren
und die Zolleinnahmen steigern.

Nachdem alle Gründe der Anhänger der Silberwährung durch die
Wucht der Thatsachen widerlegt worden, sind dieselben gegenwärtig auf
die Einrede beschränkt, daß der Vorrath an Gold für die Durchführung
der Goldwährung in Europa und Amerika nicht ausreichen würde. Dieser
Grund ist aber nicht stichhaltig, weil sowohl der Vorrath als die jähr¬
liche Production an Gold immer noch bedeutend höher sind, als die des
Silbers. Nach drei von verschiedenen Autoritäten auf Grund amtlicher Er¬
hebungen gemachten Schätzungen betrug der Vorrath an Gold in den Staa¬
ten der abendländischen Civilisation am Ende des Jahres 1873 rund


Grenzboten III, l87K. 3

lichen Ausprägungen von Silbermünzen auf ein zwischen den einzelnen
Staaten repartirtes Minimum beschränkt wurden. Schon durch diese Restriction
ist der Weg betreten als dessen Ziel die alleinige Goldwährung betrachtet
werden muß. Wir sind der Ueberzeugung, daß die Staaten des lateinischen
Münzvertrages aber sehr bald genöthigt sein werden, diesem Ziele noch rascher
zuzueilen und die Ausprägung von 6-Franken-Thalern gänzlich einzustellen
und dagegen die kleineren, nicht vollgehaltigen Silbermünzen entsprechend zu
vermehren. Auch Holland hat einen Schritt in dieser Richtung gethan, indem
es die Silberprägung für Rechnung von Privaten gesetzlich aufhob. Die
ausschließliche Silberwährung besteht nur noch in Oesterreich und Rußland.
Oesterreich würde sich also durch die Beibehaltung der Silberwährung bei
Wiederherstellung der Metallgeldzahlungen gänzlich isoliren und die Con-
currenzfähigkeit seiner Production im Auslande fast ebensosehr schädigen, als
es bei der gegenwärtigen Papiergeldcirculation der Fall ist. Unter solchen
Umständen sollte das gegenwärtig bestehende Deficit kein Grund sein, um die
Regierungen von Oesterreich und Ungarn vor der Beschaffung der erforder¬
lichen Mittel zur Wiederherstellung der Metallgeldzahlung durch eine Anleihe
abzuschrecken. Denn die Zinsen dafür würden unmittelbar durch Ersparnisse
an Agio für Zahlungen des Staates im Auslande, sowie durch höhere
Steuererträgnisse aufgebracht werden.

Dabei wäre allerdings mit der Thatsache zu rechnen, daß das Gold ge¬
genwärtig viel höher im Preise steht, und die Frage zu lösen, wie sich der
Staat, ohne eine Ungerechtigkeit zu begehen, mit den geringsten Opfern aus
der Sache zieht. Da er nur Silber duldet, so kann er beim Uebergang zur
Goldwährung ohne Unbtlltgkeit in der Einlösung der Staatsnoten den In¬
habern der letzteren den höheren Preis anrechnen, also braucht er z. B. für
21 Gulden jener Silbernoten nur ca. 20 Gulden Gold hinzugeben. Die Preise
und Löhne werden sinken und einerseits die Staatsausgaben sich vermindern,
andererseits aber die Concurrenzfähigkeit der inländischen Produktionen mit
der ausländischen sich erhöhen und dadurch den ausländischen Handel vermehren
und die Zolleinnahmen steigern.

Nachdem alle Gründe der Anhänger der Silberwährung durch die
Wucht der Thatsachen widerlegt worden, sind dieselben gegenwärtig auf
die Einrede beschränkt, daß der Vorrath an Gold für die Durchführung
der Goldwährung in Europa und Amerika nicht ausreichen würde. Dieser
Grund ist aber nicht stichhaltig, weil sowohl der Vorrath als die jähr¬
liche Production an Gold immer noch bedeutend höher sind, als die des
Silbers. Nach drei von verschiedenen Autoritäten auf Grund amtlicher Er¬
hebungen gemachten Schätzungen betrug der Vorrath an Gold in den Staa¬
ten der abendländischen Civilisation am Ende des Jahres 1873 rund


Grenzboten III, l87K. 3
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[0025] lichen Ausprägungen von Silbermünzen auf ein zwischen den einzelnen Staaten repartirtes Minimum beschränkt wurden. Schon durch diese Restriction ist der Weg betreten als dessen Ziel die alleinige Goldwährung betrachtet werden muß. Wir sind der Ueberzeugung, daß die Staaten des lateinischen Münzvertrages aber sehr bald genöthigt sein werden, diesem Ziele noch rascher zuzueilen und die Ausprägung von 6-Franken-Thalern gänzlich einzustellen und dagegen die kleineren, nicht vollgehaltigen Silbermünzen entsprechend zu vermehren. Auch Holland hat einen Schritt in dieser Richtung gethan, indem es die Silberprägung für Rechnung von Privaten gesetzlich aufhob. Die ausschließliche Silberwährung besteht nur noch in Oesterreich und Rußland. Oesterreich würde sich also durch die Beibehaltung der Silberwährung bei Wiederherstellung der Metallgeldzahlungen gänzlich isoliren und die Con- currenzfähigkeit seiner Production im Auslande fast ebensosehr schädigen, als es bei der gegenwärtigen Papiergeldcirculation der Fall ist. Unter solchen Umständen sollte das gegenwärtig bestehende Deficit kein Grund sein, um die Regierungen von Oesterreich und Ungarn vor der Beschaffung der erforder¬ lichen Mittel zur Wiederherstellung der Metallgeldzahlung durch eine Anleihe abzuschrecken. Denn die Zinsen dafür würden unmittelbar durch Ersparnisse an Agio für Zahlungen des Staates im Auslande, sowie durch höhere Steuererträgnisse aufgebracht werden. Dabei wäre allerdings mit der Thatsache zu rechnen, daß das Gold ge¬ genwärtig viel höher im Preise steht, und die Frage zu lösen, wie sich der Staat, ohne eine Ungerechtigkeit zu begehen, mit den geringsten Opfern aus der Sache zieht. Da er nur Silber duldet, so kann er beim Uebergang zur Goldwährung ohne Unbtlltgkeit in der Einlösung der Staatsnoten den In¬ habern der letzteren den höheren Preis anrechnen, also braucht er z. B. für 21 Gulden jener Silbernoten nur ca. 20 Gulden Gold hinzugeben. Die Preise und Löhne werden sinken und einerseits die Staatsausgaben sich vermindern, andererseits aber die Concurrenzfähigkeit der inländischen Produktionen mit der ausländischen sich erhöhen und dadurch den ausländischen Handel vermehren und die Zolleinnahmen steigern. Nachdem alle Gründe der Anhänger der Silberwährung durch die Wucht der Thatsachen widerlegt worden, sind dieselben gegenwärtig auf die Einrede beschränkt, daß der Vorrath an Gold für die Durchführung der Goldwährung in Europa und Amerika nicht ausreichen würde. Dieser Grund ist aber nicht stichhaltig, weil sowohl der Vorrath als die jähr¬ liche Production an Gold immer noch bedeutend höher sind, als die des Silbers. Nach drei von verschiedenen Autoritäten auf Grund amtlicher Er¬ hebungen gemachten Schätzungen betrug der Vorrath an Gold in den Staa¬ ten der abendländischen Civilisation am Ende des Jahres 1873 rund Grenzboten III, l87K. 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/25>, abgerufen am 02.05.2024.