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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Neichsregierung den gegenwärtigen Curs benutzen werde, um sich einer an¬
sehnlichen Summe Silbers zu entäußern. Ein Blick auf die neuesten inter¬
nationalen Vorgänge in diesem Gebiete zeigt, daß man in der That gut
daran thun wird, die jetzige Marktconjunctur zu starken Verkäufen zu benutzen,
denn es ist keine Aussicht vorhanden, daß die jetzige Notirung sich lange be¬
haupten oder gar noch steigen werde! Wir gelangen zu dieser Ueberzeugung
in Folge der neuesten Vorgänge in Frankreich, England und den Vereinigten
Staaten von Amerika.

Seit Monaten sind Theoretiker, Praktiker und Speculanten bemüht,
Mittel vorzuschlagen, durch welche der Silberbaisse für immer Einhalt gethan
werden könne. Den ehrlichen Schultheoretikern, welche für die Doppelwährung
schwärmen und dieselbe mittelst einer internationalen Conferenz über den gan¬
zen Erdkreis ausgedehnt wissen möchten, gesellt sich ein guter Theil Sauer¬
teig in Gestalt von Speculanten, welche je nach den verschiedenen Ländern ihre
Interessen in verschiedener Form zu wahren suchen. In Frankreich möchten
die Edelmetallhändler die Doppelwährung der Staaten des lateinischen Münz¬
vertrages noch so lange, wie möglich, als melkende Kuh behalten. Seit drei
Jahren hatte die lateinische Munzeonferenz kaum je den jährlichen Antheil an
der Ausprägung von Silberthalern festgestellt, als die Speculanten schon die
ganze Summe in Silberbarren bei der Münze deponirten, um von dem
Rechte der Prägung für Privatrechnung zu dem ganzen Belauf des Antheils
Frankreichs Gebrauch zu machen. Die belgische Regierung ist so vorsichtig
gewesen, ihr Deputat von 10 Mill. selbst auf Staatsrechnung zu prägen,
um dadurch der Staatskasse einen Nutzen von 1--2 Millionen zuzuwenden.
In Frankreich hat die Spekulation, indem sie die ganze Silberprägung vor¬
wegnahm, an der Gesammtsumme von 34 Millionen Franken nach dem Curs
zur Zeit des Schlusses der Conferenz Anfangs Februar wenigstens S Mill.
Franken, da der Silberpreis aber seitdem wieder bedeutend gefallen, wahr¬
scheinlich um die Hälfte mehr gewonnen. Obgleich die in dieser Frage maß-
gebensten Persönlichkeiten, der Finanzminister und der Bankgouverneur zu
den Fanatikern der Doppelwährung gehören, so war die Regierung, um
jener Ausbeutung der Staatsmittel ein Ziel zu setzen, dennoch genöthigt, sich
die schriftliche Ermächtigung zur Suspension der Silberprägung für Privat¬
rechnung ertheilen zu lassen und sie hat auch unmittelbar darauf von ihrem
Rechte Gebrauch gemacht, wie bereits an dieser Stelle mitgetheilt worden ist.
Nun darf nicht außer Acht gelassen werden, daß Frankreich bisher das Haupt¬
bollwerk der Doppelwährung war, daß der Einfluß Frankreichs es war,
welcher sich den übrigen Staaten der lateinischen Münzconvention aufdrang,
während die meisten übrigen Vertreter der einfachen Goldwährung zugeneigt
waren; namentlich die Repräsentanten der Schweiz dieselbe mehrfach nachträglich


Neichsregierung den gegenwärtigen Curs benutzen werde, um sich einer an¬
sehnlichen Summe Silbers zu entäußern. Ein Blick auf die neuesten inter¬
nationalen Vorgänge in diesem Gebiete zeigt, daß man in der That gut
daran thun wird, die jetzige Marktconjunctur zu starken Verkäufen zu benutzen,
denn es ist keine Aussicht vorhanden, daß die jetzige Notirung sich lange be¬
haupten oder gar noch steigen werde! Wir gelangen zu dieser Ueberzeugung
in Folge der neuesten Vorgänge in Frankreich, England und den Vereinigten
Staaten von Amerika.

Seit Monaten sind Theoretiker, Praktiker und Speculanten bemüht,
Mittel vorzuschlagen, durch welche der Silberbaisse für immer Einhalt gethan
werden könne. Den ehrlichen Schultheoretikern, welche für die Doppelwährung
schwärmen und dieselbe mittelst einer internationalen Conferenz über den gan¬
zen Erdkreis ausgedehnt wissen möchten, gesellt sich ein guter Theil Sauer¬
teig in Gestalt von Speculanten, welche je nach den verschiedenen Ländern ihre
Interessen in verschiedener Form zu wahren suchen. In Frankreich möchten
die Edelmetallhändler die Doppelwährung der Staaten des lateinischen Münz¬
vertrages noch so lange, wie möglich, als melkende Kuh behalten. Seit drei
Jahren hatte die lateinische Munzeonferenz kaum je den jährlichen Antheil an
der Ausprägung von Silberthalern festgestellt, als die Speculanten schon die
ganze Summe in Silberbarren bei der Münze deponirten, um von dem
Rechte der Prägung für Privatrechnung zu dem ganzen Belauf des Antheils
Frankreichs Gebrauch zu machen. Die belgische Regierung ist so vorsichtig
gewesen, ihr Deputat von 10 Mill. selbst auf Staatsrechnung zu prägen,
um dadurch der Staatskasse einen Nutzen von 1—2 Millionen zuzuwenden.
In Frankreich hat die Spekulation, indem sie die ganze Silberprägung vor¬
wegnahm, an der Gesammtsumme von 34 Millionen Franken nach dem Curs
zur Zeit des Schlusses der Conferenz Anfangs Februar wenigstens S Mill.
Franken, da der Silberpreis aber seitdem wieder bedeutend gefallen, wahr¬
scheinlich um die Hälfte mehr gewonnen. Obgleich die in dieser Frage maß-
gebensten Persönlichkeiten, der Finanzminister und der Bankgouverneur zu
den Fanatikern der Doppelwährung gehören, so war die Regierung, um
jener Ausbeutung der Staatsmittel ein Ziel zu setzen, dennoch genöthigt, sich
die schriftliche Ermächtigung zur Suspension der Silberprägung für Privat¬
rechnung ertheilen zu lassen und sie hat auch unmittelbar darauf von ihrem
Rechte Gebrauch gemacht, wie bereits an dieser Stelle mitgetheilt worden ist.
Nun darf nicht außer Acht gelassen werden, daß Frankreich bisher das Haupt¬
bollwerk der Doppelwährung war, daß der Einfluß Frankreichs es war,
welcher sich den übrigen Staaten der lateinischen Münzconvention aufdrang,
während die meisten übrigen Vertreter der einfachen Goldwährung zugeneigt
waren; namentlich die Repräsentanten der Schweiz dieselbe mehrfach nachträglich


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[0444] Neichsregierung den gegenwärtigen Curs benutzen werde, um sich einer an¬ sehnlichen Summe Silbers zu entäußern. Ein Blick auf die neuesten inter¬ nationalen Vorgänge in diesem Gebiete zeigt, daß man in der That gut daran thun wird, die jetzige Marktconjunctur zu starken Verkäufen zu benutzen, denn es ist keine Aussicht vorhanden, daß die jetzige Notirung sich lange be¬ haupten oder gar noch steigen werde! Wir gelangen zu dieser Ueberzeugung in Folge der neuesten Vorgänge in Frankreich, England und den Vereinigten Staaten von Amerika. Seit Monaten sind Theoretiker, Praktiker und Speculanten bemüht, Mittel vorzuschlagen, durch welche der Silberbaisse für immer Einhalt gethan werden könne. Den ehrlichen Schultheoretikern, welche für die Doppelwährung schwärmen und dieselbe mittelst einer internationalen Conferenz über den gan¬ zen Erdkreis ausgedehnt wissen möchten, gesellt sich ein guter Theil Sauer¬ teig in Gestalt von Speculanten, welche je nach den verschiedenen Ländern ihre Interessen in verschiedener Form zu wahren suchen. In Frankreich möchten die Edelmetallhändler die Doppelwährung der Staaten des lateinischen Münz¬ vertrages noch so lange, wie möglich, als melkende Kuh behalten. Seit drei Jahren hatte die lateinische Munzeonferenz kaum je den jährlichen Antheil an der Ausprägung von Silberthalern festgestellt, als die Speculanten schon die ganze Summe in Silberbarren bei der Münze deponirten, um von dem Rechte der Prägung für Privatrechnung zu dem ganzen Belauf des Antheils Frankreichs Gebrauch zu machen. Die belgische Regierung ist so vorsichtig gewesen, ihr Deputat von 10 Mill. selbst auf Staatsrechnung zu prägen, um dadurch der Staatskasse einen Nutzen von 1—2 Millionen zuzuwenden. In Frankreich hat die Spekulation, indem sie die ganze Silberprägung vor¬ wegnahm, an der Gesammtsumme von 34 Millionen Franken nach dem Curs zur Zeit des Schlusses der Conferenz Anfangs Februar wenigstens S Mill. Franken, da der Silberpreis aber seitdem wieder bedeutend gefallen, wahr¬ scheinlich um die Hälfte mehr gewonnen. Obgleich die in dieser Frage maß- gebensten Persönlichkeiten, der Finanzminister und der Bankgouverneur zu den Fanatikern der Doppelwährung gehören, so war die Regierung, um jener Ausbeutung der Staatsmittel ein Ziel zu setzen, dennoch genöthigt, sich die schriftliche Ermächtigung zur Suspension der Silberprägung für Privat¬ rechnung ertheilen zu lassen und sie hat auch unmittelbar darauf von ihrem Rechte Gebrauch gemacht, wie bereits an dieser Stelle mitgetheilt worden ist. Nun darf nicht außer Acht gelassen werden, daß Frankreich bisher das Haupt¬ bollwerk der Doppelwährung war, daß der Einfluß Frankreichs es war, welcher sich den übrigen Staaten der lateinischen Münzconvention aufdrang, während die meisten übrigen Vertreter der einfachen Goldwährung zugeneigt waren; namentlich die Repräsentanten der Schweiz dieselbe mehrfach nachträglich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/444>, abgerufen am 26.05.2024.