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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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fische Reich unter Heinrich dem Zweiten eine gemischte deutsche und französische
Bevölkerung; die Chroniken von 1326 erwähnen deutsche und romanische
Schiedsgerichte im metzer Lande, und zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts
war das Deutschthum in Metz so reichlich vertreten, daß der Rath der Stadt
sich bewogen fand, seine Erlasse nicht blos in französischer, sondern auch in
deutscher Sprache zu veröffentlichen. Vom Beginn der Frankenherrschaft im
späteren Lothringen bis 1352 lassen sich (f. Seite 326--336) im metzer Lande
in dieser Beziehung drei Perioden unterscheiden: 1) der Zeitraum, in welchem
das Deutsche die Sprache der Sieger ist und auch von den Besiegten ge¬
sprochen werden muß, welche letzteren jedoch ihre ursprüngliche Sprache,
Lateinisch und Romanisch, beibehalten; 2) der Zeitraum, in welchem die roma¬
nische und die deutsche Sprache um die Herrschaft ringen und jene das Ueber¬
gewicht über die letztere wie über das Lateinische erlangt; 3) der Zeitraum,
in welchem sich die Sprachgrenzen im metzer Gebiet gebildet haben, eine deutsche
und eine französisch redende Bevölkerung einträchtig neben einander leben,
und die deutsche Sprache, nach Gleichberechtigung mit der französischen
strebend, im Begriffe ist, diese Gleichberechtigung vollständig zu erlangen.
Nur die vom Verrath vorbereitete, gewaltsame Besitznahme der alten deutschen
Reichsstadt und ihres Gebietes durch die Franzosen bereitete diesem Gang
der Dinge dann ein rasches Ende. Es ist nachgewiesen, daß die metzer Be¬
völkerung während der ganzen ersten Periode aus deutschen und romanischen
Elementen zusammengesetzt war. Dieses Verhältniß bestand in der zweiten
Periode nicht nur fort, sondern entwickelte sich sogar zu einem definitiven
Abschluß, dem wir in der dritten begegnen. Von einer Verdrängung des
Deutschthums aus der Stadt Metz konnte um so weniger die Rede sein, als
der nordöstliche, nach Diedenhofen, Bolchen, Falkenberg und Saarburg zu ge¬
legene Theil des metzer Landes der Romanisirung so hartnäckigen Widerstand
leistete, daß dieselbe in diesem Gebiet nicht durchzudringen vermochte. Diese
deutsche" Bevölkerung der Nachbarschaft von Metz stand in ihrem Bürgerrechte
durchaus nicht hinter der romanischen zurück. Deutsche wie romanische Land¬
bewohner siedelten fortwährend nach der Stadt über, erwarben dort Häuser,
gründeten Geschäfte, gelangten zu städtischen Aemtern und halfen die Reichs¬
stadt gegen die ihr feindlichen Fürsten und Ritter der Nachbarschaft in zahl¬
reichen Fehden vertheidigen. Metz blieb also der Zusammenfluß der deutschen
und romanischen Elemente des kleinen Landes. Aber auch Deutsche wie
Franzosen aus dem ferneren Westen und Osten wanderten in Metz ein, um
dort zu verbleiben, und so wurde das Deutsche auch in der zweiten Periode
als Verkehrssprache soviel angewendet wie das Romanische. War letzteres in
dieser Zeit ausschließlich die Amts- und Schriftsprache, so erklärt sich das
einfach daraus, das jenes sich rascher entwickelte, bereicherte und verfeinerte.


fische Reich unter Heinrich dem Zweiten eine gemischte deutsche und französische
Bevölkerung; die Chroniken von 1326 erwähnen deutsche und romanische
Schiedsgerichte im metzer Lande, und zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts
war das Deutschthum in Metz so reichlich vertreten, daß der Rath der Stadt
sich bewogen fand, seine Erlasse nicht blos in französischer, sondern auch in
deutscher Sprache zu veröffentlichen. Vom Beginn der Frankenherrschaft im
späteren Lothringen bis 1352 lassen sich (f. Seite 326—336) im metzer Lande
in dieser Beziehung drei Perioden unterscheiden: 1) der Zeitraum, in welchem
das Deutsche die Sprache der Sieger ist und auch von den Besiegten ge¬
sprochen werden muß, welche letzteren jedoch ihre ursprüngliche Sprache,
Lateinisch und Romanisch, beibehalten; 2) der Zeitraum, in welchem die roma¬
nische und die deutsche Sprache um die Herrschaft ringen und jene das Ueber¬
gewicht über die letztere wie über das Lateinische erlangt; 3) der Zeitraum,
in welchem sich die Sprachgrenzen im metzer Gebiet gebildet haben, eine deutsche
und eine französisch redende Bevölkerung einträchtig neben einander leben,
und die deutsche Sprache, nach Gleichberechtigung mit der französischen
strebend, im Begriffe ist, diese Gleichberechtigung vollständig zu erlangen.
Nur die vom Verrath vorbereitete, gewaltsame Besitznahme der alten deutschen
Reichsstadt und ihres Gebietes durch die Franzosen bereitete diesem Gang
der Dinge dann ein rasches Ende. Es ist nachgewiesen, daß die metzer Be¬
völkerung während der ganzen ersten Periode aus deutschen und romanischen
Elementen zusammengesetzt war. Dieses Verhältniß bestand in der zweiten
Periode nicht nur fort, sondern entwickelte sich sogar zu einem definitiven
Abschluß, dem wir in der dritten begegnen. Von einer Verdrängung des
Deutschthums aus der Stadt Metz konnte um so weniger die Rede sein, als
der nordöstliche, nach Diedenhofen, Bolchen, Falkenberg und Saarburg zu ge¬
legene Theil des metzer Landes der Romanisirung so hartnäckigen Widerstand
leistete, daß dieselbe in diesem Gebiet nicht durchzudringen vermochte. Diese
deutsche" Bevölkerung der Nachbarschaft von Metz stand in ihrem Bürgerrechte
durchaus nicht hinter der romanischen zurück. Deutsche wie romanische Land¬
bewohner siedelten fortwährend nach der Stadt über, erwarben dort Häuser,
gründeten Geschäfte, gelangten zu städtischen Aemtern und halfen die Reichs¬
stadt gegen die ihr feindlichen Fürsten und Ritter der Nachbarschaft in zahl¬
reichen Fehden vertheidigen. Metz blieb also der Zusammenfluß der deutschen
und romanischen Elemente des kleinen Landes. Aber auch Deutsche wie
Franzosen aus dem ferneren Westen und Osten wanderten in Metz ein, um
dort zu verbleiben, und so wurde das Deutsche auch in der zweiten Periode
als Verkehrssprache soviel angewendet wie das Romanische. War letzteres in
dieser Zeit ausschließlich die Amts- und Schriftsprache, so erklärt sich das
einfach daraus, das jenes sich rascher entwickelte, bereicherte und verfeinerte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/87>, abgerufen am 05.05.2024.