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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Gouverneur hatten sich nach dem Castel zurückgezogen. Auf Samuel Adams'
Einladung trat am 29. November eine Volksversammlung aus Boston und
den Städten Dorchester, Roxbury, Brookline und Cambridge in Boston zu¬
sammen und mußte, da sie über fünftausend Köpfe zählte, in einer Kirche
abgehalten werden -- hierdurch kam eine Art religiöser Weihe über die in
Eintracht geschaarte Versammlung, welche sich dahin erklärte, den Thee nicht
landen zu lassen, sondern heimzuschicken, dann die Zustimmung des Capitains
des Dartmouth hierzu erwirkte und den ganzen Vorfall der Provinz und
England mittheilte. Nachts wurden Wachen ausgestellt, um die Ausladung
von Thee zu verhüten, zumal noch zwei Schiffe mit Thee angelangt waren.
Hutchinson wüthete, er forderte in London, man solle Boston von der
Colonie Massachusetts lösen und mit einem Criminalprocesse belegen, und
als die Bostoner auf Heimsendung der Schiffe bestanden, duldete er sie nicht,
erklärte, sie müßten im Hafen bleiben bis sie den Zoll entrichtet, und ließ
die Geschütze im Castel laden, an dem sie vorbei mußten, wenn sie abfahren
wollten: so hoffte er Boston den Thee aufzuzwingen und das Besteuerungs-
prineip zum Siege zu führen. Von beiden Seiten stritt man, tödtlich mit
einander verfeindet, um Principien, königliche Beamtung und republikanische
Unabhängigkeitsliebe standen sich gegenüber, des Augenblicks gewärtig, wo
es zum Zweikampfe kommen würde. Zu diesem aber kam es am 18. De¬
cember 1773. Eine neue Volksversammlung von 7000 Mann einigte sich,
den Thee nicht ans Land zu lassen und forderte von Hutchinson die freie
Durchfuhr für die Theeschiffe -- er verweigerte sie, denn wenn der Tag, der
zwanzigste seit der Landung, verlief, so hatten die Zollbeamten gesetzlich das
Recht das Schiff zu nehmen und den Thee ins Castel zu schaffen und trotz
aller Schreierei war der Thee gelandet. Kaum aber war die Weigerung be¬
kannt geworden und Samuel Adams hatte ausgesprochen, die Versammlung
könne Nichts mehr thun, um das Land zu retten, als sonderbarer Weise der
grelle Kriegsruf des streitlustigen Jrokesenstammes der Mohawks draußen
ertönte und in der Versammlung erwiedert wurde. Wie im Nu füllten sich
die Straßen mit diesen Indianern, 40--30 aber zogen nach Griffin's Werft,
von Samuel Adams, Hancock und anderen Patrioten angefeuert, stellten
Wachen aus, bestiegen von Lendall Pitts geführt die Theeschiffe, erbrachen
die Kisten und schütteten den Thee -- 342 Kisten im Werthe von 18,000 Pf.
Se. -- ins Wasser, andere Waaren weder berührend noch versehrend. Ruhig
gingen sie nach gethaner Arbeit durch die Menge der Bevölkerung, die voll
Behagen zugeschaut, heim, d. h. jeder in seine Wohnung, waren es ja doch
keine Mohawks, sondern lauter angesehene Bostoner. Der Theesturm war
eine wohlüberlegte Handlung entschiedenster Gesinnung, die energischste Zu¬
rückweisung herrischen Zwanges und wahrlich kein übereilter oder täppischer


Gouverneur hatten sich nach dem Castel zurückgezogen. Auf Samuel Adams'
Einladung trat am 29. November eine Volksversammlung aus Boston und
den Städten Dorchester, Roxbury, Brookline und Cambridge in Boston zu¬
sammen und mußte, da sie über fünftausend Köpfe zählte, in einer Kirche
abgehalten werden — hierdurch kam eine Art religiöser Weihe über die in
Eintracht geschaarte Versammlung, welche sich dahin erklärte, den Thee nicht
landen zu lassen, sondern heimzuschicken, dann die Zustimmung des Capitains
des Dartmouth hierzu erwirkte und den ganzen Vorfall der Provinz und
England mittheilte. Nachts wurden Wachen ausgestellt, um die Ausladung
von Thee zu verhüten, zumal noch zwei Schiffe mit Thee angelangt waren.
Hutchinson wüthete, er forderte in London, man solle Boston von der
Colonie Massachusetts lösen und mit einem Criminalprocesse belegen, und
als die Bostoner auf Heimsendung der Schiffe bestanden, duldete er sie nicht,
erklärte, sie müßten im Hafen bleiben bis sie den Zoll entrichtet, und ließ
die Geschütze im Castel laden, an dem sie vorbei mußten, wenn sie abfahren
wollten: so hoffte er Boston den Thee aufzuzwingen und das Besteuerungs-
prineip zum Siege zu führen. Von beiden Seiten stritt man, tödtlich mit
einander verfeindet, um Principien, königliche Beamtung und republikanische
Unabhängigkeitsliebe standen sich gegenüber, des Augenblicks gewärtig, wo
es zum Zweikampfe kommen würde. Zu diesem aber kam es am 18. De¬
cember 1773. Eine neue Volksversammlung von 7000 Mann einigte sich,
den Thee nicht ans Land zu lassen und forderte von Hutchinson die freie
Durchfuhr für die Theeschiffe — er verweigerte sie, denn wenn der Tag, der
zwanzigste seit der Landung, verlief, so hatten die Zollbeamten gesetzlich das
Recht das Schiff zu nehmen und den Thee ins Castel zu schaffen und trotz
aller Schreierei war der Thee gelandet. Kaum aber war die Weigerung be¬
kannt geworden und Samuel Adams hatte ausgesprochen, die Versammlung
könne Nichts mehr thun, um das Land zu retten, als sonderbarer Weise der
grelle Kriegsruf des streitlustigen Jrokesenstammes der Mohawks draußen
ertönte und in der Versammlung erwiedert wurde. Wie im Nu füllten sich
die Straßen mit diesen Indianern, 40—30 aber zogen nach Griffin's Werft,
von Samuel Adams, Hancock und anderen Patrioten angefeuert, stellten
Wachen aus, bestiegen von Lendall Pitts geführt die Theeschiffe, erbrachen
die Kisten und schütteten den Thee — 342 Kisten im Werthe von 18,000 Pf.
Se. — ins Wasser, andere Waaren weder berührend noch versehrend. Ruhig
gingen sie nach gethaner Arbeit durch die Menge der Bevölkerung, die voll
Behagen zugeschaut, heim, d. h. jeder in seine Wohnung, waren es ja doch
keine Mohawks, sondern lauter angesehene Bostoner. Der Theesturm war
eine wohlüberlegte Handlung entschiedenster Gesinnung, die energischste Zu¬
rückweisung herrischen Zwanges und wahrlich kein übereilter oder täppischer


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[0098] Gouverneur hatten sich nach dem Castel zurückgezogen. Auf Samuel Adams' Einladung trat am 29. November eine Volksversammlung aus Boston und den Städten Dorchester, Roxbury, Brookline und Cambridge in Boston zu¬ sammen und mußte, da sie über fünftausend Köpfe zählte, in einer Kirche abgehalten werden — hierdurch kam eine Art religiöser Weihe über die in Eintracht geschaarte Versammlung, welche sich dahin erklärte, den Thee nicht landen zu lassen, sondern heimzuschicken, dann die Zustimmung des Capitains des Dartmouth hierzu erwirkte und den ganzen Vorfall der Provinz und England mittheilte. Nachts wurden Wachen ausgestellt, um die Ausladung von Thee zu verhüten, zumal noch zwei Schiffe mit Thee angelangt waren. Hutchinson wüthete, er forderte in London, man solle Boston von der Colonie Massachusetts lösen und mit einem Criminalprocesse belegen, und als die Bostoner auf Heimsendung der Schiffe bestanden, duldete er sie nicht, erklärte, sie müßten im Hafen bleiben bis sie den Zoll entrichtet, und ließ die Geschütze im Castel laden, an dem sie vorbei mußten, wenn sie abfahren wollten: so hoffte er Boston den Thee aufzuzwingen und das Besteuerungs- prineip zum Siege zu führen. Von beiden Seiten stritt man, tödtlich mit einander verfeindet, um Principien, königliche Beamtung und republikanische Unabhängigkeitsliebe standen sich gegenüber, des Augenblicks gewärtig, wo es zum Zweikampfe kommen würde. Zu diesem aber kam es am 18. De¬ cember 1773. Eine neue Volksversammlung von 7000 Mann einigte sich, den Thee nicht ans Land zu lassen und forderte von Hutchinson die freie Durchfuhr für die Theeschiffe — er verweigerte sie, denn wenn der Tag, der zwanzigste seit der Landung, verlief, so hatten die Zollbeamten gesetzlich das Recht das Schiff zu nehmen und den Thee ins Castel zu schaffen und trotz aller Schreierei war der Thee gelandet. Kaum aber war die Weigerung be¬ kannt geworden und Samuel Adams hatte ausgesprochen, die Versammlung könne Nichts mehr thun, um das Land zu retten, als sonderbarer Weise der grelle Kriegsruf des streitlustigen Jrokesenstammes der Mohawks draußen ertönte und in der Versammlung erwiedert wurde. Wie im Nu füllten sich die Straßen mit diesen Indianern, 40—30 aber zogen nach Griffin's Werft, von Samuel Adams, Hancock und anderen Patrioten angefeuert, stellten Wachen aus, bestiegen von Lendall Pitts geführt die Theeschiffe, erbrachen die Kisten und schütteten den Thee — 342 Kisten im Werthe von 18,000 Pf. Se. — ins Wasser, andere Waaren weder berührend noch versehrend. Ruhig gingen sie nach gethaner Arbeit durch die Menge der Bevölkerung, die voll Behagen zugeschaut, heim, d. h. jeder in seine Wohnung, waren es ja doch keine Mohawks, sondern lauter angesehene Bostoner. Der Theesturm war eine wohlüberlegte Handlung entschiedenster Gesinnung, die energischste Zu¬ rückweisung herrischen Zwanges und wahrlich kein übereilter oder täppischer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/98>, abgerufen am 07.05.2024.