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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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man den Hochzeitskuchen zuletzt in dünne Streifen, wirft diese über die Köpfe
von Braut und Bräutigam und schiebt sie dann durch den Ring, mit dem
jene diesem angetraut worden ist. In manchen Orten Muß dieses Durch¬
stecken neunmal geschehen. Junge Leute, welche sich diese Kuchenstreifen des
Nachts unter ihr Kopfkissen legen, sehen im Traume ihren Schatz.

In der Nachbarschaft von Burnley ist es Gebrauch, den Trauring in
Molken von ungehopstem Bier zu legen. Welche unverheirathete Person dann,
wenn die Molken ausgeschenkt werden, den Ring in ihrem Trinkgefäße findet,
ist diejenige von der Gesellschaft, die zuerst heirathet.

Ein anderes Ringorakel im Norden Englands findet am Tage der
heiligen Fetes, englisch Saint Faith, dem 6. October statt und besteht in
folgendem Verfahren. Drei Mädchen kommen zusammen und kneten sich
einen Kuchen aus Mehl, Zucker, Salz und fließendem Wasser, wobei jede bei
der Mengung gleichviel beitragen und thun muß. Der Kuchen wird dann
in einem Ofen gebacken und dabei von jedem der drei Mädchen dreimal um¬
gewendet, was alles schweigend gethan werden muß. Ist das Gebäck fertig,
so wird es in drei gleiche Theile zerschnitten, und jedes der Mädchen zer¬
theilt ihr Stück wieder in neun Streifen, die nun nach einander durch einen
Trauring geschoben werden, welchen man sich von einer sieben Jahre ver-
heiratheten Frau zu leihen hat. Darauf entkleiden sich die drei Zaubei-
schwestern, indem sie dazu ihre Kuchenschnitten verspeisen und die folgende
Beschwörung nach einander hersagen:


"O AvoÄ Kant ?s.nil, hö Icincl to ni^i>t
^un KrinA to me in)? IiEÄi't's Äelixlit,
I^et in^ kuturo liusbancl vivo,
^ita inzs visions eliaste ann druf."

Alle drei müssen sich dann in ein Bett zusammenlegen, über dem sie den
Ring an einem Bindfaden aufgehangen haben. Sie werden dann im Traume
sehen, was für einen Mann ihnen das Schicksal beschieden hat.

Eine sehr eigenthümliche Befragung der Zukunft, die in England im
Erntemonat vorgenommen zu werden pflegte, war nach einem alten Volks¬
küche, das wie unsere "Haimonskinder" oder unsre "Schöne Melusine" auf
Märkten verkauft wurde, folgende:

"Wenn Du zu Bett gehest, so lege Dir ein Gebetbuch unter den Kopf,
welches bei der Stelle des Trauungsrituals: "Mit diesem Ringe vermähle
ich mich mit Dir" aufgeschlagen ist. Lege darauf einen Schlüssel, einen Ring,
eine Blume, einen Weidenzweig, einen kleinen Kuchen in Form eines Herzens,
eine Kruste Brot und die folgenden Karten: die Zehne von Treffle, die
Neune von Herz, das Aß von Pique und das Aß von Carreau. Winkle alles


man den Hochzeitskuchen zuletzt in dünne Streifen, wirft diese über die Köpfe
von Braut und Bräutigam und schiebt sie dann durch den Ring, mit dem
jene diesem angetraut worden ist. In manchen Orten Muß dieses Durch¬
stecken neunmal geschehen. Junge Leute, welche sich diese Kuchenstreifen des
Nachts unter ihr Kopfkissen legen, sehen im Traume ihren Schatz.

In der Nachbarschaft von Burnley ist es Gebrauch, den Trauring in
Molken von ungehopstem Bier zu legen. Welche unverheirathete Person dann,
wenn die Molken ausgeschenkt werden, den Ring in ihrem Trinkgefäße findet,
ist diejenige von der Gesellschaft, die zuerst heirathet.

Ein anderes Ringorakel im Norden Englands findet am Tage der
heiligen Fetes, englisch Saint Faith, dem 6. October statt und besteht in
folgendem Verfahren. Drei Mädchen kommen zusammen und kneten sich
einen Kuchen aus Mehl, Zucker, Salz und fließendem Wasser, wobei jede bei
der Mengung gleichviel beitragen und thun muß. Der Kuchen wird dann
in einem Ofen gebacken und dabei von jedem der drei Mädchen dreimal um¬
gewendet, was alles schweigend gethan werden muß. Ist das Gebäck fertig,
so wird es in drei gleiche Theile zerschnitten, und jedes der Mädchen zer¬
theilt ihr Stück wieder in neun Streifen, die nun nach einander durch einen
Trauring geschoben werden, welchen man sich von einer sieben Jahre ver-
heiratheten Frau zu leihen hat. Darauf entkleiden sich die drei Zaubei-
schwestern, indem sie dazu ihre Kuchenschnitten verspeisen und die folgende
Beschwörung nach einander hersagen:


„O AvoÄ Kant ?s.nil, hö Icincl to ni^i>t
^un KrinA to me in)? IiEÄi't's Äelixlit,
I^et in^ kuturo liusbancl vivo,
^ita inzs visions eliaste ann druf."

Alle drei müssen sich dann in ein Bett zusammenlegen, über dem sie den
Ring an einem Bindfaden aufgehangen haben. Sie werden dann im Traume
sehen, was für einen Mann ihnen das Schicksal beschieden hat.

Eine sehr eigenthümliche Befragung der Zukunft, die in England im
Erntemonat vorgenommen zu werden pflegte, war nach einem alten Volks¬
küche, das wie unsere „Haimonskinder" oder unsre „Schöne Melusine" auf
Märkten verkauft wurde, folgende:

„Wenn Du zu Bett gehest, so lege Dir ein Gebetbuch unter den Kopf,
welches bei der Stelle des Trauungsrituals: „Mit diesem Ringe vermähle
ich mich mit Dir" aufgeschlagen ist. Lege darauf einen Schlüssel, einen Ring,
eine Blume, einen Weidenzweig, einen kleinen Kuchen in Form eines Herzens,
eine Kruste Brot und die folgenden Karten: die Zehne von Treffle, die
Neune von Herz, das Aß von Pique und das Aß von Carreau. Winkle alles


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/220>, abgerufen am 15.05.2024.