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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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wir gewahr werden, daß der Erzähler dem geistlichen Stande angehört. Recht
anschaulich und mit guter Kritik schildert er uns zunächst das vieljährige
Ringen der Deutschen mit den Wenden zwischen Elbe und Oder, sowie Na¬
tur und Wesen, Religion und Sitte jener alten Slavenstämme. Ein farben¬
reiches Bild ist das zweite Kapitel, wo wir an das Hoflager der Ballen¬
städter und zu den Jagden, Gerichten und Festen dieses alten Fürstenge¬
schlechts geführt werden. Dasselbe gilt von Ur. 3, das uns ein Turnier
zu Rostock beschreibt, welches im Juli 1311 stattfand, und bet dem Waldemar
von Brandenburg vom dänischen König Erich zum Ritter geschlagen wurde.
Wieder vortrefflich ausgeführte Abschnitte sind die. welche uns vom falschen
Waldemar in Berlin und von Kaspar Gans v. Putlitz sowie, an die Schick¬
sale des Letzteren anknüpfend, von der Demüthigung des wilden und trotzigen
Adels der Mark durch Friedrich, den ersten hier regierenden Hohenzoller, er-'
zählen; ferner das, welches uns von Bernhard Ryke, dem Bürgermeister von
Berlin, berichtet, der demselben gewaltigen Fürsten erlag, sowie das. welches
die Fehde Nickels von Minkwitz erzählt, in welcher während der Uebergangs¬
zeit nach der Reformation der Geist, der in den wüsten Jahrzehnten des
Interregnums ganz Deutschland heimgesucht und verheert hatte, noch einmal
auftauchte. Sehr hübsch ist das Bild des Hauses eines berliner Bürger¬
meisters (Paul Blankenfelde) aus der letzten Hälfte des vierzehnten Jahr¬
hunderts, welches uns der Verfasser nach der Beschreibung von Chronisten
zusammengestellt hat. Eine anmuthige Darstellung alter Lebensweise und
alter Gemüthlichkeit haben wir sodann in dem Kapitel vor uns, welches
uns die Feier des Sonntag Lätare im Jahre 1560 auf einem Edelfitz der
Ukermark schildert und die Weinpredigt mittheilt, die der Pfarrer des dor¬
tigen Junkers über Sirach 32 vor diesem und seinen Gästen hielt. Der
folgende Abschnitt ist der Entstehung und der weiteren Geschichte der Schule
zum grauen Kloster gewidmet, der nächste dem weisen und haushälterischer
Markgrafen Hans von Küstrin. Ein weiteres Kapitel, "Aus trüber Zeit"
überschrieben, beschäftigt sich vorzüglich mit den kirchlichen, wissenschaftlichen
und künstlerischen Zuständen der Mark zwischen der Reformationszeit und
dem dreißigjährigen Kriege, die uns lebendig geschildert werden. Wieder ein
anderes betrachtet den großen Kurfürsten als Schöpfer des preußischen Heeres.
Das vorletzte, "Ein schwedischer Oberst", ist eine Art Novelle aus dem Jahre
1676. Den Schluß des Buches bildet ein Ueberblick über die historischen
Sagen der Mark, von denen eine Anzahl kurz angeführt werden. Wir em¬
pfehlen das Buch angelegentlich. Es ist offenbar mit Liebe geschrieben, der
Verfasser kennt den Schauplatz, auf dem seine Geschichten spielen, genau , er
hat Sinn für die Details, die er geschickt und wirksam zu gruppiren versteht,


wir gewahr werden, daß der Erzähler dem geistlichen Stande angehört. Recht
anschaulich und mit guter Kritik schildert er uns zunächst das vieljährige
Ringen der Deutschen mit den Wenden zwischen Elbe und Oder, sowie Na¬
tur und Wesen, Religion und Sitte jener alten Slavenstämme. Ein farben¬
reiches Bild ist das zweite Kapitel, wo wir an das Hoflager der Ballen¬
städter und zu den Jagden, Gerichten und Festen dieses alten Fürstenge¬
schlechts geführt werden. Dasselbe gilt von Ur. 3, das uns ein Turnier
zu Rostock beschreibt, welches im Juli 1311 stattfand, und bet dem Waldemar
von Brandenburg vom dänischen König Erich zum Ritter geschlagen wurde.
Wieder vortrefflich ausgeführte Abschnitte sind die. welche uns vom falschen
Waldemar in Berlin und von Kaspar Gans v. Putlitz sowie, an die Schick¬
sale des Letzteren anknüpfend, von der Demüthigung des wilden und trotzigen
Adels der Mark durch Friedrich, den ersten hier regierenden Hohenzoller, er-'
zählen; ferner das, welches uns von Bernhard Ryke, dem Bürgermeister von
Berlin, berichtet, der demselben gewaltigen Fürsten erlag, sowie das. welches
die Fehde Nickels von Minkwitz erzählt, in welcher während der Uebergangs¬
zeit nach der Reformation der Geist, der in den wüsten Jahrzehnten des
Interregnums ganz Deutschland heimgesucht und verheert hatte, noch einmal
auftauchte. Sehr hübsch ist das Bild des Hauses eines berliner Bürger¬
meisters (Paul Blankenfelde) aus der letzten Hälfte des vierzehnten Jahr¬
hunderts, welches uns der Verfasser nach der Beschreibung von Chronisten
zusammengestellt hat. Eine anmuthige Darstellung alter Lebensweise und
alter Gemüthlichkeit haben wir sodann in dem Kapitel vor uns, welches
uns die Feier des Sonntag Lätare im Jahre 1560 auf einem Edelfitz der
Ukermark schildert und die Weinpredigt mittheilt, die der Pfarrer des dor¬
tigen Junkers über Sirach 32 vor diesem und seinen Gästen hielt. Der
folgende Abschnitt ist der Entstehung und der weiteren Geschichte der Schule
zum grauen Kloster gewidmet, der nächste dem weisen und haushälterischer
Markgrafen Hans von Küstrin. Ein weiteres Kapitel, „Aus trüber Zeit"
überschrieben, beschäftigt sich vorzüglich mit den kirchlichen, wissenschaftlichen
und künstlerischen Zuständen der Mark zwischen der Reformationszeit und
dem dreißigjährigen Kriege, die uns lebendig geschildert werden. Wieder ein
anderes betrachtet den großen Kurfürsten als Schöpfer des preußischen Heeres.
Das vorletzte, „Ein schwedischer Oberst", ist eine Art Novelle aus dem Jahre
1676. Den Schluß des Buches bildet ein Ueberblick über die historischen
Sagen der Mark, von denen eine Anzahl kurz angeführt werden. Wir em¬
pfehlen das Buch angelegentlich. Es ist offenbar mit Liebe geschrieben, der
Verfasser kennt den Schauplatz, auf dem seine Geschichten spielen, genau , er
hat Sinn für die Details, die er geschickt und wirksam zu gruppiren versteht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/481>, abgerufen am 15.05.2024.