Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einer schlichten kleinen Pfeilerbastlika. Die letztere ebenso wie der Thurm
der ersteren gehören dem Uebergangsstile an. Die nächsten sechs Tafeln sind
Wechselburg (Zschillen) gewidmet. Was bei der Restauration der Kirche,
an der schon seit mehreren Jahren gearbeitet wird, zur Aufnahme ausge¬
wählt werden konnte, ist eine Außenansicht des Ostchores, die Kanzel, das
Grabmal des Stifters, des Grafen Dedo, und seiner Gemahlin, mehrere archi¬
tektonische Details aus dem Innern und -- das großartigste Blatt des ganzen
Werkes! -- die herrliche Kreuzgruppe. Endlich werden uns auf Tafel 38
bis 40 noch zwei Außenansichten und das Innere der Kunigundenkirche in
Rochlitz geboten. Der Text zu allen diesen Blättern unterscheidet sich in
nichts von dem übrigen Texte. "Drei Pröbste vom Lauterberge folgen sich
in Zschillen. 1190 stirbt der Gründer. 1278 revoltiren die Mönche von
Zschillen. sie mißhandeln ihren Probst und werfen ihn über die Kloster¬
mauer; daraufhin ward das ganze Nest aufgehoben und dem deutschen
Orden übergeben." In diesem Tone geht es weiter, bis Otte's "Handbuch"
den Verfasser wieder mit einigen Winken über die Anlage der Kirche ablöst.
Bon der Crucifixgruppe heißt es. daß ihre Ausführung "sorgfältiger" als
an den Statuen der goldnen Pforte in Freiberg und an denen des Altars
und der Kanzel in Wechselburg sei; der Christuskörper "entbehre des Natur¬
studiums und der Geläufigkeit der Beobachtung, welche wir an Köpfen und
Extremitäten, sowie an der Gewandung im hohen Grade bewundern müssen."
Ueber die Erklärung der beiden Gestalten, die unter den Füßen der Maria
und des Johannes liegen, scheint der Herausgeber gelehrte Scrupel zu haben,
da er ihre Deutung auf die überwundenen Mächte des Heidenthums und
des Judenthums mit Fragezeichen versieht. Ich verweise dem gegenüber auf
die neuerdings in der "Zeitschrift für bildende Kunst" (XI., S. 266 fg.) er¬
schienene eingehende Besprechung der Gruppe von Lübke, der auf Grund
einer durchaus zutreffenden Charakteristik ihrer Stilformen und eines Ver¬
gleichs mit datirten Denkmälern die Entstehung der Gruppe um 1280 an¬
setzt, betreffs der Wechselburger Kirche überhaupt aber, ebenso wie der Roch-
litzer Kunigundenkirche auf Puttrichs "Denkmale" (Lfg. 1 und 19--20). Ueber
die Erbauung der beiden Kirchen in Dippoldiswalde fehlt es ganz und gar an
sicheren Nachrichten.

Hiermit breche ich diese Bemerkungen ab. Ich denke, sie werden hin¬
länglich gezeigt haben, daß die Abfassung des Textes zu der vorliegenden
Publication nicht gerade in die geeignetsten Hände gelegt worden ist. Hätte
ich mehr gegeben, als ich gegeben habe, hätte ich eine zusammenhängende
historische Darstellung, eine eingehende Beschreibung und Analyse der abge¬
bildeten Monumente versucht, so würde ich geradezu die Arbeit gemacht haben,
die der Herausgeber hätte machen müssen. Insbesondere den Versuch zu


einer schlichten kleinen Pfeilerbastlika. Die letztere ebenso wie der Thurm
der ersteren gehören dem Uebergangsstile an. Die nächsten sechs Tafeln sind
Wechselburg (Zschillen) gewidmet. Was bei der Restauration der Kirche,
an der schon seit mehreren Jahren gearbeitet wird, zur Aufnahme ausge¬
wählt werden konnte, ist eine Außenansicht des Ostchores, die Kanzel, das
Grabmal des Stifters, des Grafen Dedo, und seiner Gemahlin, mehrere archi¬
tektonische Details aus dem Innern und — das großartigste Blatt des ganzen
Werkes! — die herrliche Kreuzgruppe. Endlich werden uns auf Tafel 38
bis 40 noch zwei Außenansichten und das Innere der Kunigundenkirche in
Rochlitz geboten. Der Text zu allen diesen Blättern unterscheidet sich in
nichts von dem übrigen Texte. „Drei Pröbste vom Lauterberge folgen sich
in Zschillen. 1190 stirbt der Gründer. 1278 revoltiren die Mönche von
Zschillen. sie mißhandeln ihren Probst und werfen ihn über die Kloster¬
mauer; daraufhin ward das ganze Nest aufgehoben und dem deutschen
Orden übergeben." In diesem Tone geht es weiter, bis Otte's „Handbuch"
den Verfasser wieder mit einigen Winken über die Anlage der Kirche ablöst.
Bon der Crucifixgruppe heißt es. daß ihre Ausführung „sorgfältiger" als
an den Statuen der goldnen Pforte in Freiberg und an denen des Altars
und der Kanzel in Wechselburg sei; der Christuskörper „entbehre des Natur¬
studiums und der Geläufigkeit der Beobachtung, welche wir an Köpfen und
Extremitäten, sowie an der Gewandung im hohen Grade bewundern müssen."
Ueber die Erklärung der beiden Gestalten, die unter den Füßen der Maria
und des Johannes liegen, scheint der Herausgeber gelehrte Scrupel zu haben,
da er ihre Deutung auf die überwundenen Mächte des Heidenthums und
des Judenthums mit Fragezeichen versieht. Ich verweise dem gegenüber auf
die neuerdings in der „Zeitschrift für bildende Kunst" (XI., S. 266 fg.) er¬
schienene eingehende Besprechung der Gruppe von Lübke, der auf Grund
einer durchaus zutreffenden Charakteristik ihrer Stilformen und eines Ver¬
gleichs mit datirten Denkmälern die Entstehung der Gruppe um 1280 an¬
setzt, betreffs der Wechselburger Kirche überhaupt aber, ebenso wie der Roch-
litzer Kunigundenkirche auf Puttrichs „Denkmale" (Lfg. 1 und 19—20). Ueber
die Erbauung der beiden Kirchen in Dippoldiswalde fehlt es ganz und gar an
sicheren Nachrichten.

Hiermit breche ich diese Bemerkungen ab. Ich denke, sie werden hin¬
länglich gezeigt haben, daß die Abfassung des Textes zu der vorliegenden
Publication nicht gerade in die geeignetsten Hände gelegt worden ist. Hätte
ich mehr gegeben, als ich gegeben habe, hätte ich eine zusammenhängende
historische Darstellung, eine eingehende Beschreibung und Analyse der abge¬
bildeten Monumente versucht, so würde ich geradezu die Arbeit gemacht haben,
die der Herausgeber hätte machen müssen. Insbesondere den Versuch zu


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0502" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137141"/>
          <p xml:id="ID_1556" prev="#ID_1555"> einer schlichten kleinen Pfeilerbastlika. Die letztere ebenso wie der Thurm<lb/>
der ersteren gehören dem Uebergangsstile an. Die nächsten sechs Tafeln sind<lb/>
Wechselburg (Zschillen) gewidmet. Was bei der Restauration der Kirche,<lb/>
an der schon seit mehreren Jahren gearbeitet wird, zur Aufnahme ausge¬<lb/>
wählt werden konnte, ist eine Außenansicht des Ostchores, die Kanzel, das<lb/>
Grabmal des Stifters, des Grafen Dedo, und seiner Gemahlin, mehrere archi¬<lb/>
tektonische Details aus dem Innern und &#x2014; das großartigste Blatt des ganzen<lb/>
Werkes! &#x2014; die herrliche Kreuzgruppe. Endlich werden uns auf Tafel 38<lb/>
bis 40 noch zwei Außenansichten und das Innere der Kunigundenkirche in<lb/>
Rochlitz geboten. Der Text zu allen diesen Blättern unterscheidet sich in<lb/>
nichts von dem übrigen Texte. &#x201E;Drei Pröbste vom Lauterberge folgen sich<lb/>
in Zschillen. 1190 stirbt der Gründer. 1278 revoltiren die Mönche von<lb/>
Zschillen. sie mißhandeln ihren Probst und werfen ihn über die Kloster¬<lb/>
mauer; daraufhin ward das ganze Nest aufgehoben und dem deutschen<lb/>
Orden übergeben." In diesem Tone geht es weiter, bis Otte's &#x201E;Handbuch"<lb/>
den Verfasser wieder mit einigen Winken über die Anlage der Kirche ablöst.<lb/>
Bon der Crucifixgruppe heißt es. daß ihre Ausführung &#x201E;sorgfältiger" als<lb/>
an den Statuen der goldnen Pforte in Freiberg und an denen des Altars<lb/>
und der Kanzel in Wechselburg sei; der Christuskörper &#x201E;entbehre des Natur¬<lb/>
studiums und der Geläufigkeit der Beobachtung, welche wir an Köpfen und<lb/>
Extremitäten, sowie an der Gewandung im hohen Grade bewundern müssen."<lb/>
Ueber die Erklärung der beiden Gestalten, die unter den Füßen der Maria<lb/>
und des Johannes liegen, scheint der Herausgeber gelehrte Scrupel zu haben,<lb/>
da er ihre Deutung auf die überwundenen Mächte des Heidenthums und<lb/>
des Judenthums mit Fragezeichen versieht. Ich verweise dem gegenüber auf<lb/>
die neuerdings in der &#x201E;Zeitschrift für bildende Kunst" (XI., S. 266 fg.) er¬<lb/>
schienene eingehende Besprechung der Gruppe von Lübke, der auf Grund<lb/>
einer durchaus zutreffenden Charakteristik ihrer Stilformen und eines Ver¬<lb/>
gleichs mit datirten Denkmälern die Entstehung der Gruppe um 1280 an¬<lb/>
setzt, betreffs der Wechselburger Kirche überhaupt aber, ebenso wie der Roch-<lb/>
litzer Kunigundenkirche auf Puttrichs &#x201E;Denkmale" (Lfg. 1 und 19&#x2014;20). Ueber<lb/>
die Erbauung der beiden Kirchen in Dippoldiswalde fehlt es ganz und gar an<lb/>
sicheren Nachrichten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1557" next="#ID_1558"> Hiermit breche ich diese Bemerkungen ab. Ich denke, sie werden hin¬<lb/>
länglich gezeigt haben, daß die Abfassung des Textes zu der vorliegenden<lb/>
Publication nicht gerade in die geeignetsten Hände gelegt worden ist. Hätte<lb/>
ich mehr gegeben, als ich gegeben habe, hätte ich eine zusammenhängende<lb/>
historische Darstellung, eine eingehende Beschreibung und Analyse der abge¬<lb/>
bildeten Monumente versucht, so würde ich geradezu die Arbeit gemacht haben,<lb/>
die der Herausgeber hätte machen müssen.  Insbesondere den Versuch zu</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0502] einer schlichten kleinen Pfeilerbastlika. Die letztere ebenso wie der Thurm der ersteren gehören dem Uebergangsstile an. Die nächsten sechs Tafeln sind Wechselburg (Zschillen) gewidmet. Was bei der Restauration der Kirche, an der schon seit mehreren Jahren gearbeitet wird, zur Aufnahme ausge¬ wählt werden konnte, ist eine Außenansicht des Ostchores, die Kanzel, das Grabmal des Stifters, des Grafen Dedo, und seiner Gemahlin, mehrere archi¬ tektonische Details aus dem Innern und — das großartigste Blatt des ganzen Werkes! — die herrliche Kreuzgruppe. Endlich werden uns auf Tafel 38 bis 40 noch zwei Außenansichten und das Innere der Kunigundenkirche in Rochlitz geboten. Der Text zu allen diesen Blättern unterscheidet sich in nichts von dem übrigen Texte. „Drei Pröbste vom Lauterberge folgen sich in Zschillen. 1190 stirbt der Gründer. 1278 revoltiren die Mönche von Zschillen. sie mißhandeln ihren Probst und werfen ihn über die Kloster¬ mauer; daraufhin ward das ganze Nest aufgehoben und dem deutschen Orden übergeben." In diesem Tone geht es weiter, bis Otte's „Handbuch" den Verfasser wieder mit einigen Winken über die Anlage der Kirche ablöst. Bon der Crucifixgruppe heißt es. daß ihre Ausführung „sorgfältiger" als an den Statuen der goldnen Pforte in Freiberg und an denen des Altars und der Kanzel in Wechselburg sei; der Christuskörper „entbehre des Natur¬ studiums und der Geläufigkeit der Beobachtung, welche wir an Köpfen und Extremitäten, sowie an der Gewandung im hohen Grade bewundern müssen." Ueber die Erklärung der beiden Gestalten, die unter den Füßen der Maria und des Johannes liegen, scheint der Herausgeber gelehrte Scrupel zu haben, da er ihre Deutung auf die überwundenen Mächte des Heidenthums und des Judenthums mit Fragezeichen versieht. Ich verweise dem gegenüber auf die neuerdings in der „Zeitschrift für bildende Kunst" (XI., S. 266 fg.) er¬ schienene eingehende Besprechung der Gruppe von Lübke, der auf Grund einer durchaus zutreffenden Charakteristik ihrer Stilformen und eines Ver¬ gleichs mit datirten Denkmälern die Entstehung der Gruppe um 1280 an¬ setzt, betreffs der Wechselburger Kirche überhaupt aber, ebenso wie der Roch- litzer Kunigundenkirche auf Puttrichs „Denkmale" (Lfg. 1 und 19—20). Ueber die Erbauung der beiden Kirchen in Dippoldiswalde fehlt es ganz und gar an sicheren Nachrichten. Hiermit breche ich diese Bemerkungen ab. Ich denke, sie werden hin¬ länglich gezeigt haben, daß die Abfassung des Textes zu der vorliegenden Publication nicht gerade in die geeignetsten Hände gelegt worden ist. Hätte ich mehr gegeben, als ich gegeben habe, hätte ich eine zusammenhängende historische Darstellung, eine eingehende Beschreibung und Analyse der abge¬ bildeten Monumente versucht, so würde ich geradezu die Arbeit gemacht haben, die der Herausgeber hätte machen müssen. Insbesondere den Versuch zu

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/502
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/502>, abgerufen am 15.05.2024.