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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Drei von diesen Stichwahlen müssen zwischen nationallibercilen und social¬
demokratischen Candidaten, drei zwischen conservativen und socialdemokratischen
Candidaten, und endlich zwei zwischen einem Nationalliberalen und einem Par-
ticularisten ausgefochten werden. Die Fortschrittspartei hat es nur in einem
einzigen Wahlkreise, und hier nur mit Hülfe der Conservativen, zur Stich¬
wahl mit einem Nationalliberalen gebracht.

Unter diesen Umständen kann der Zweck dieser Zeilen nicht ein historischer
Rückblick sein auf abgeschlossene Thatsachen, sondern nur der Versuch, aus der
Lehre dieser Wahlen den besten Vortheil für die Zukunft, namentlich die be¬
vorstehenden Stichwahlen zu ziehen.

Mit die größten Erfolge hat bei den Sächsischen Wahlen vom zehnten Ja¬
nuar unzweifelhaft die nationalliberale Partei errungen. Sie hat drei Sitze im
Reichstag bereits fest gewonnen, von diesen hat sie einen (den des fünfzehnten
Wahlkreises) den Socialdemokraten abgenommen. In sechs weiteren Wahl¬
kreisen kommt sie zur Stichwahl. In drei von diesen sechs Kreisen ringt sie mit
der Socialdemokratie und hier wie in allen übrigen mit der größten Hoffnung auf
Erfolg. Zwei von den drei übrigen Stichwahlkreisen, welche die nationalliberale
Partei bei der Nachwahl gegen einen fortschrittlichen und einen conservativen
Stichcandidaten zu vertheidigen hat, gehörten ihr schon bisher, und werden ihr
nach dem Ergebniß der Wahl vom 10. Januar voraussichtlich gleichfalls ver¬
bleiben. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die nationale Partei numerisch stär¬
ker als je zuvor aus diesen Wahlen zum Reichstag hervorgehen.

Aber die numerischen Erfolge sind bei weitem nicht die größten,
welche die nationale Partei in diesem Kampfe aufzuweisen hat. Wenn man
sich erinnert, daß diese Partei bei den Wahlen zum constituirenden Reichstag
im Frühjahr 1867 nicht einen einzigen ihrer Candidaten durchsetzte, daß sie
im Herbst 1867 vier Abgeordnete in den ersten ordentlichen Reichstag des
Norddeutschen Bundes sandte, in beiden Sessionen des deutschen Reichs¬
tags durch je sieben Abgeordnete vertreten war und nun beim ersten
Rennen der letzten Januarwahlen drei Parlamentssitze sich gesichert hat,
und in sechs Stichwahlen mit der größten Aussicht auf Erfolg eintritt,
so wird man allerdings das moralische Schwergewicht anch dieser nume¬
rischen Erfolge nicht verkennen. Denn sie besagen deutlich genug: daß die
nationale Partei in drei Wahlkreisen die absolute, in sechs andern die
relativ größte oder zweitgrößte Majorität sich errungen hat. In dem Zeit¬
raum der letzten zehn Jahre ist das der größte Machtzuwachs, den irgend,
eine Partei in Sachsen -- nächst der Socialdemokratie -- erlangt hat
Aber diese sandte bereits in den constituirenden Reichstag zwei ihrer


Drei von diesen Stichwahlen müssen zwischen nationallibercilen und social¬
demokratischen Candidaten, drei zwischen conservativen und socialdemokratischen
Candidaten, und endlich zwei zwischen einem Nationalliberalen und einem Par-
ticularisten ausgefochten werden. Die Fortschrittspartei hat es nur in einem
einzigen Wahlkreise, und hier nur mit Hülfe der Conservativen, zur Stich¬
wahl mit einem Nationalliberalen gebracht.

Unter diesen Umständen kann der Zweck dieser Zeilen nicht ein historischer
Rückblick sein auf abgeschlossene Thatsachen, sondern nur der Versuch, aus der
Lehre dieser Wahlen den besten Vortheil für die Zukunft, namentlich die be¬
vorstehenden Stichwahlen zu ziehen.

Mit die größten Erfolge hat bei den Sächsischen Wahlen vom zehnten Ja¬
nuar unzweifelhaft die nationalliberale Partei errungen. Sie hat drei Sitze im
Reichstag bereits fest gewonnen, von diesen hat sie einen (den des fünfzehnten
Wahlkreises) den Socialdemokraten abgenommen. In sechs weiteren Wahl¬
kreisen kommt sie zur Stichwahl. In drei von diesen sechs Kreisen ringt sie mit
der Socialdemokratie und hier wie in allen übrigen mit der größten Hoffnung auf
Erfolg. Zwei von den drei übrigen Stichwahlkreisen, welche die nationalliberale
Partei bei der Nachwahl gegen einen fortschrittlichen und einen conservativen
Stichcandidaten zu vertheidigen hat, gehörten ihr schon bisher, und werden ihr
nach dem Ergebniß der Wahl vom 10. Januar voraussichtlich gleichfalls ver¬
bleiben. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die nationale Partei numerisch stär¬
ker als je zuvor aus diesen Wahlen zum Reichstag hervorgehen.

Aber die numerischen Erfolge sind bei weitem nicht die größten,
welche die nationale Partei in diesem Kampfe aufzuweisen hat. Wenn man
sich erinnert, daß diese Partei bei den Wahlen zum constituirenden Reichstag
im Frühjahr 1867 nicht einen einzigen ihrer Candidaten durchsetzte, daß sie
im Herbst 1867 vier Abgeordnete in den ersten ordentlichen Reichstag des
Norddeutschen Bundes sandte, in beiden Sessionen des deutschen Reichs¬
tags durch je sieben Abgeordnete vertreten war und nun beim ersten
Rennen der letzten Januarwahlen drei Parlamentssitze sich gesichert hat,
und in sechs Stichwahlen mit der größten Aussicht auf Erfolg eintritt,
so wird man allerdings das moralische Schwergewicht anch dieser nume¬
rischen Erfolge nicht verkennen. Denn sie besagen deutlich genug: daß die
nationale Partei in drei Wahlkreisen die absolute, in sechs andern die
relativ größte oder zweitgrößte Majorität sich errungen hat. In dem Zeit¬
raum der letzten zehn Jahre ist das der größte Machtzuwachs, den irgend,
eine Partei in Sachsen — nächst der Socialdemokratie — erlangt hat
Aber diese sandte bereits in den constituirenden Reichstag zwei ihrer


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[0164] Drei von diesen Stichwahlen müssen zwischen nationallibercilen und social¬ demokratischen Candidaten, drei zwischen conservativen und socialdemokratischen Candidaten, und endlich zwei zwischen einem Nationalliberalen und einem Par- ticularisten ausgefochten werden. Die Fortschrittspartei hat es nur in einem einzigen Wahlkreise, und hier nur mit Hülfe der Conservativen, zur Stich¬ wahl mit einem Nationalliberalen gebracht. Unter diesen Umständen kann der Zweck dieser Zeilen nicht ein historischer Rückblick sein auf abgeschlossene Thatsachen, sondern nur der Versuch, aus der Lehre dieser Wahlen den besten Vortheil für die Zukunft, namentlich die be¬ vorstehenden Stichwahlen zu ziehen. Mit die größten Erfolge hat bei den Sächsischen Wahlen vom zehnten Ja¬ nuar unzweifelhaft die nationalliberale Partei errungen. Sie hat drei Sitze im Reichstag bereits fest gewonnen, von diesen hat sie einen (den des fünfzehnten Wahlkreises) den Socialdemokraten abgenommen. In sechs weiteren Wahl¬ kreisen kommt sie zur Stichwahl. In drei von diesen sechs Kreisen ringt sie mit der Socialdemokratie und hier wie in allen übrigen mit der größten Hoffnung auf Erfolg. Zwei von den drei übrigen Stichwahlkreisen, welche die nationalliberale Partei bei der Nachwahl gegen einen fortschrittlichen und einen conservativen Stichcandidaten zu vertheidigen hat, gehörten ihr schon bisher, und werden ihr nach dem Ergebniß der Wahl vom 10. Januar voraussichtlich gleichfalls ver¬ bleiben. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die nationale Partei numerisch stär¬ ker als je zuvor aus diesen Wahlen zum Reichstag hervorgehen. Aber die numerischen Erfolge sind bei weitem nicht die größten, welche die nationale Partei in diesem Kampfe aufzuweisen hat. Wenn man sich erinnert, daß diese Partei bei den Wahlen zum constituirenden Reichstag im Frühjahr 1867 nicht einen einzigen ihrer Candidaten durchsetzte, daß sie im Herbst 1867 vier Abgeordnete in den ersten ordentlichen Reichstag des Norddeutschen Bundes sandte, in beiden Sessionen des deutschen Reichs¬ tags durch je sieben Abgeordnete vertreten war und nun beim ersten Rennen der letzten Januarwahlen drei Parlamentssitze sich gesichert hat, und in sechs Stichwahlen mit der größten Aussicht auf Erfolg eintritt, so wird man allerdings das moralische Schwergewicht anch dieser nume¬ rischen Erfolge nicht verkennen. Denn sie besagen deutlich genug: daß die nationale Partei in drei Wahlkreisen die absolute, in sechs andern die relativ größte oder zweitgrößte Majorität sich errungen hat. In dem Zeit¬ raum der letzten zehn Jahre ist das der größte Machtzuwachs, den irgend, eine Partei in Sachsen — nächst der Socialdemokratie — erlangt hat Aber diese sandte bereits in den constituirenden Reichstag zwei ihrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/164>, abgerufen am 21.05.2024.