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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Revolution hatte dasselbe in einer bis dahin unerhörten Weise geschwächt und
gedemüthigt, aber indem sie mit dem römischen Katholizismus auch dem Christen¬
thum den Garaus machen wollte, rief sie einen Umschwung hervor, der die
Reformbestrebungen der Zeit Ganganellis und Kaiser Josefs im Keim er¬
stickte und den Felsen Petri als Grundstein der Gegenrevolution hinstellte.
Schon seit dem Konkordat Napoleons sprach mau von der Nothwendigkeit eines
Bundes von Thron nud Altar, und wenn jener später sich Gewaltmaßregeln
Segen den Papst erlaubte, so erwies sich das für diesen eher als Vortheil wie
"is Schade. Die Unabhängigkeit der Kirche, verbürgt durch die Fürstenstelluug
ihres Hauptes, erschien als heiligste Stellung der um ihre nationale Freiheit
Agenten Völker, und so war eine der Folgen von Napoleons Sturz jene
^estaurirung des Papstthums, die, von der deutschen Frömmigkeit idealisirt,
die Politik der Kurie nur eiuen ans Macht und Besitz ausgestellten
Wechsel bedeutete. Die Ansprüche Roms stiegen mit jedem neuen Pvutifikat,
"ud Jahrzehnte hindurch erfolgte von Seiten der Staaten kaum ein Widerspruch
^gen sie. Die Aera der Konkordate gab die nationalgesinnte Geistlichkeit
Wemcitischer Unterdrückung preis. Die Warnungen, die in der Niederlage
Zeichens im kölner Konflikt und später in der Begünstigung der Revolution
urch Ultramontanismus lagen, waren vergebens. Die Reaktion nach
48 überbot die nach 1815 an Zugeständnissen gegenüber dem "Hort der
°"servativen Interessen", wie ein Blick auf die Stufenfolge der Konkordate
'toins mit Oesterreich, Würtemberg, Baden und Hessen zeigt, von denen jedes
^ Landeskirche der Kurie unterthäniger machte als das zunächst vorhergehende.

Da kam als Wendepunkt das Jahr 1859 mit dem Regierungsantritt
unseres jetzigen deutscheu Kaisers, dem italienischen Kriege und der Beseitigung
^ badischen Konkordats. Die Kurie ließ sich dadurch von der Verfolgung
Ziele uicht zurückschrecken. Dem Kampfe von 1866 ging ganz ebenso
dem siebenjährigen Kriege eine konfessionelle Vorbereitung voraus, über
^'en Ranke nur Genaueres erfahren werden, wenn einst ein Einblick in ge¬
wisse Geheimnisse des sächsischen Kabinets gestattet sein wird, die aber auch am
lannoverschen, nassauischen und kurhessischen Hofe wühlte und schürte. Die
"g erdachten Pläne Roms wurden durch den Tag von Königsgrätz vereitelt,
auch diese Niederlage, die Antouelli zu dem Ausrufe: "antea, ilmomln!"
^eranlaßte, hemmt das Weiterarbeiten des Ultramontanismus nicht. Allem
verstände zum Trotz wird die päpstliche Unfehlbarkeit kirchliches Dogma,
""d gleichzeitig führt Eugenie ihren "kleinen Krieg". Wieder unterliegt die
^"röche Intrigue, welche zu diesem gehetzt hat, aber wieder denkt die Kurie
'naht daran, ihre Bestrebungen aufzugeben, und so haben wir jetzt schon seit
'cetis Jahre" mitten in Deutschland den "Kulturkampf".


Grenzboten II. 1377. 13

Revolution hatte dasselbe in einer bis dahin unerhörten Weise geschwächt und
gedemüthigt, aber indem sie mit dem römischen Katholizismus auch dem Christen¬
thum den Garaus machen wollte, rief sie einen Umschwung hervor, der die
Reformbestrebungen der Zeit Ganganellis und Kaiser Josefs im Keim er¬
stickte und den Felsen Petri als Grundstein der Gegenrevolution hinstellte.
Schon seit dem Konkordat Napoleons sprach mau von der Nothwendigkeit eines
Bundes von Thron nud Altar, und wenn jener später sich Gewaltmaßregeln
Segen den Papst erlaubte, so erwies sich das für diesen eher als Vortheil wie
"is Schade. Die Unabhängigkeit der Kirche, verbürgt durch die Fürstenstelluug
ihres Hauptes, erschien als heiligste Stellung der um ihre nationale Freiheit
Agenten Völker, und so war eine der Folgen von Napoleons Sturz jene
^estaurirung des Papstthums, die, von der deutschen Frömmigkeit idealisirt,
die Politik der Kurie nur eiuen ans Macht und Besitz ausgestellten
Wechsel bedeutete. Die Ansprüche Roms stiegen mit jedem neuen Pvutifikat,
"ud Jahrzehnte hindurch erfolgte von Seiten der Staaten kaum ein Widerspruch
^gen sie. Die Aera der Konkordate gab die nationalgesinnte Geistlichkeit
Wemcitischer Unterdrückung preis. Die Warnungen, die in der Niederlage
Zeichens im kölner Konflikt und später in der Begünstigung der Revolution
urch Ultramontanismus lagen, waren vergebens. Die Reaktion nach
48 überbot die nach 1815 an Zugeständnissen gegenüber dem „Hort der
°"servativen Interessen", wie ein Blick auf die Stufenfolge der Konkordate
'toins mit Oesterreich, Würtemberg, Baden und Hessen zeigt, von denen jedes
^ Landeskirche der Kurie unterthäniger machte als das zunächst vorhergehende.

Da kam als Wendepunkt das Jahr 1859 mit dem Regierungsantritt
unseres jetzigen deutscheu Kaisers, dem italienischen Kriege und der Beseitigung
^ badischen Konkordats. Die Kurie ließ sich dadurch von der Verfolgung
Ziele uicht zurückschrecken. Dem Kampfe von 1866 ging ganz ebenso
dem siebenjährigen Kriege eine konfessionelle Vorbereitung voraus, über
^'en Ranke nur Genaueres erfahren werden, wenn einst ein Einblick in ge¬
wisse Geheimnisse des sächsischen Kabinets gestattet sein wird, die aber auch am
lannoverschen, nassauischen und kurhessischen Hofe wühlte und schürte. Die
"g erdachten Pläne Roms wurden durch den Tag von Königsgrätz vereitelt,
auch diese Niederlage, die Antouelli zu dem Ausrufe: „antea, ilmomln!"
^eranlaßte, hemmt das Weiterarbeiten des Ultramontanismus nicht. Allem
verstände zum Trotz wird die päpstliche Unfehlbarkeit kirchliches Dogma,
""d gleichzeitig führt Eugenie ihren „kleinen Krieg". Wieder unterliegt die
^"röche Intrigue, welche zu diesem gehetzt hat, aber wieder denkt die Kurie
'naht daran, ihre Bestrebungen aufzugeben, und so haben wir jetzt schon seit
'cetis Jahre» mitten in Deutschland den „Kulturkampf".


Grenzboten II. 1377. 13
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[0101] Revolution hatte dasselbe in einer bis dahin unerhörten Weise geschwächt und gedemüthigt, aber indem sie mit dem römischen Katholizismus auch dem Christen¬ thum den Garaus machen wollte, rief sie einen Umschwung hervor, der die Reformbestrebungen der Zeit Ganganellis und Kaiser Josefs im Keim er¬ stickte und den Felsen Petri als Grundstein der Gegenrevolution hinstellte. Schon seit dem Konkordat Napoleons sprach mau von der Nothwendigkeit eines Bundes von Thron nud Altar, und wenn jener später sich Gewaltmaßregeln Segen den Papst erlaubte, so erwies sich das für diesen eher als Vortheil wie "is Schade. Die Unabhängigkeit der Kirche, verbürgt durch die Fürstenstelluug ihres Hauptes, erschien als heiligste Stellung der um ihre nationale Freiheit Agenten Völker, und so war eine der Folgen von Napoleons Sturz jene ^estaurirung des Papstthums, die, von der deutschen Frömmigkeit idealisirt, die Politik der Kurie nur eiuen ans Macht und Besitz ausgestellten Wechsel bedeutete. Die Ansprüche Roms stiegen mit jedem neuen Pvutifikat, "ud Jahrzehnte hindurch erfolgte von Seiten der Staaten kaum ein Widerspruch ^gen sie. Die Aera der Konkordate gab die nationalgesinnte Geistlichkeit Wemcitischer Unterdrückung preis. Die Warnungen, die in der Niederlage Zeichens im kölner Konflikt und später in der Begünstigung der Revolution urch Ultramontanismus lagen, waren vergebens. Die Reaktion nach 48 überbot die nach 1815 an Zugeständnissen gegenüber dem „Hort der °"servativen Interessen", wie ein Blick auf die Stufenfolge der Konkordate 'toins mit Oesterreich, Würtemberg, Baden und Hessen zeigt, von denen jedes ^ Landeskirche der Kurie unterthäniger machte als das zunächst vorhergehende. Da kam als Wendepunkt das Jahr 1859 mit dem Regierungsantritt unseres jetzigen deutscheu Kaisers, dem italienischen Kriege und der Beseitigung ^ badischen Konkordats. Die Kurie ließ sich dadurch von der Verfolgung Ziele uicht zurückschrecken. Dem Kampfe von 1866 ging ganz ebenso dem siebenjährigen Kriege eine konfessionelle Vorbereitung voraus, über ^'en Ranke nur Genaueres erfahren werden, wenn einst ein Einblick in ge¬ wisse Geheimnisse des sächsischen Kabinets gestattet sein wird, die aber auch am lannoverschen, nassauischen und kurhessischen Hofe wühlte und schürte. Die "g erdachten Pläne Roms wurden durch den Tag von Königsgrätz vereitelt, auch diese Niederlage, die Antouelli zu dem Ausrufe: „antea, ilmomln!" ^eranlaßte, hemmt das Weiterarbeiten des Ultramontanismus nicht. Allem verstände zum Trotz wird die päpstliche Unfehlbarkeit kirchliches Dogma, ""d gleichzeitig führt Eugenie ihren „kleinen Krieg". Wieder unterliegt die ^"röche Intrigue, welche zu diesem gehetzt hat, aber wieder denkt die Kurie 'naht daran, ihre Bestrebungen aufzugeben, und so haben wir jetzt schon seit 'cetis Jahre» mitten in Deutschland den „Kulturkampf". Grenzboten II. 1377. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/101>, abgerufen am 17.06.2024.