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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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doch unsere Pflicht!" sprach Mathy zu dem Großherzog, als er auf sein Schrei¬
ben an Bismarck vom 18. November 18K7 und die darin enthaltene An¬
frage über die etwaige Zeit der Aufnahme Badens in den Nordbnnd eine
die gewünschte Erklärung ablehnende Antwort erhielt. Das Wort ist glän¬
zend gelöst. Als Großherzog Friedrich am 18. Januar 1870 im prunkenden
Saale des Versailler Königsschlosses dem deutschen Kaiser den ersten
Hochruf brachte, da war das badische Volk stolz, seinen Fürsten ein
Werk krönen zu sehen, für das er selbstverleugnend und unermüdlich gearbeitet
hatte, wie kein anderer der deutschen Fürsten. Und welch hohes Beispiel des
hingebendsten Patriotismus gab Großherzog Friedrich auch jetzt! Baden,
dem deutschen Reich eingegliedert, kennt keine Reservatrechte, Badens Heer
ist Bestandtheil des preußischen Heeres. Das Volk hat diese Politik gebilligt
und billigt sie. In den ersten Reichstag hat es zwölf Nationalliberale entsendet
neben nur zwei Ultramontanen, die zwei Ultramontanen blieben auch bei der Wahl
von 1874 und bei der dieses Jahres, beidemal zu elf Nationalliberalen
und für 1874 einem Freikonservativen, für 1877 einem Deutschkonservativen.

Gelegentlich des vor wenig Monaten (18. Sept. 1876) stattgehabten
Ministerwechsels, welcher Jolly von seinem Posten abberief, wurden Stimmen
laut, die eine Aenderung der badischen Politik vor allem auch hinsichtlich
des Zielpunktes der nationalen Entwickelung befürchteten. Verfasser des gegen¬
wärtigen Aufsatzes hat damals auch Bedeuten in dieser Richtung geäußert*).
Die Tage, in denen soeben Fürst Bismarck in Gefahr stand, von der parti-
kularistisch reaktionären Flut hinweggeschwemmt zu werden, sind nicht dazu
angethan, solche Bedenken zu widerrufen. Es mag ja wohl fein, daß die
Wogen des Partikularismus, vou mißgünstigen Winden gepeitscht, noch tosender
als bisher an die Stufen auch des badischen Fürstenthrones hinanschwellen.
Sie mögen dann dem Auge des Fürsten die Bahn des nationalen Gedankens
verdunkeln und seinen Fuß den Pfad nnr zögernd finden lassen. Aber verlieren
wird Großherzog Friedrich diese Bahn nicht, und wankend wird sein Schritt
nicht werden. Das Wort, einst in der Stunde schmerzlich schwerer Enttäuschung
von dem Minister gesprochen, das hat der Fürst bejaht und wird es bejahen,
d Hr. as Manneswort: "Und wir thun doch unsre Pflicht!"**)




*) Vergl. den Aufsatz "der Ministerwechsel in Baden", Grenzboten 187", Ur. 48.
**) Bei Schluß des Aufsatzes kommt uns oiue zum Rcgierungsjubiläum des Großherzogs
verfaßte Festschrift zu: Baden in den Jahren 1852 bis 1877, von Fr. v. Wenns (Karlsruhe,
A, Bielefeld). In derselben ist namentlich ein sehr reichliches Material über die Thätigkeit
der Gesetzgebung, über die Kultur- und volkswirtschaftlichen Verhältnisse Badens unter der
Regierung des Großherzog Friedrich zusammengestellt. Das Büchlein mag deshalb auch
für cnißcrbadische Kreise ein Interesse bieten.

doch unsere Pflicht!" sprach Mathy zu dem Großherzog, als er auf sein Schrei¬
ben an Bismarck vom 18. November 18K7 und die darin enthaltene An¬
frage über die etwaige Zeit der Aufnahme Badens in den Nordbnnd eine
die gewünschte Erklärung ablehnende Antwort erhielt. Das Wort ist glän¬
zend gelöst. Als Großherzog Friedrich am 18. Januar 1870 im prunkenden
Saale des Versailler Königsschlosses dem deutschen Kaiser den ersten
Hochruf brachte, da war das badische Volk stolz, seinen Fürsten ein
Werk krönen zu sehen, für das er selbstverleugnend und unermüdlich gearbeitet
hatte, wie kein anderer der deutschen Fürsten. Und welch hohes Beispiel des
hingebendsten Patriotismus gab Großherzog Friedrich auch jetzt! Baden,
dem deutschen Reich eingegliedert, kennt keine Reservatrechte, Badens Heer
ist Bestandtheil des preußischen Heeres. Das Volk hat diese Politik gebilligt
und billigt sie. In den ersten Reichstag hat es zwölf Nationalliberale entsendet
neben nur zwei Ultramontanen, die zwei Ultramontanen blieben auch bei der Wahl
von 1874 und bei der dieses Jahres, beidemal zu elf Nationalliberalen
und für 1874 einem Freikonservativen, für 1877 einem Deutschkonservativen.

Gelegentlich des vor wenig Monaten (18. Sept. 1876) stattgehabten
Ministerwechsels, welcher Jolly von seinem Posten abberief, wurden Stimmen
laut, die eine Aenderung der badischen Politik vor allem auch hinsichtlich
des Zielpunktes der nationalen Entwickelung befürchteten. Verfasser des gegen¬
wärtigen Aufsatzes hat damals auch Bedeuten in dieser Richtung geäußert*).
Die Tage, in denen soeben Fürst Bismarck in Gefahr stand, von der parti-
kularistisch reaktionären Flut hinweggeschwemmt zu werden, sind nicht dazu
angethan, solche Bedenken zu widerrufen. Es mag ja wohl fein, daß die
Wogen des Partikularismus, vou mißgünstigen Winden gepeitscht, noch tosender
als bisher an die Stufen auch des badischen Fürstenthrones hinanschwellen.
Sie mögen dann dem Auge des Fürsten die Bahn des nationalen Gedankens
verdunkeln und seinen Fuß den Pfad nnr zögernd finden lassen. Aber verlieren
wird Großherzog Friedrich diese Bahn nicht, und wankend wird sein Schritt
nicht werden. Das Wort, einst in der Stunde schmerzlich schwerer Enttäuschung
von dem Minister gesprochen, das hat der Fürst bejaht und wird es bejahen,
d Hr. as Manneswort: „Und wir thun doch unsre Pflicht!"**)




*) Vergl. den Aufsatz „der Ministerwechsel in Baden", Grenzboten 187«, Ur. 48.
**) Bei Schluß des Aufsatzes kommt uns oiue zum Rcgierungsjubiläum des Großherzogs
verfaßte Festschrift zu: Baden in den Jahren 1852 bis 1877, von Fr. v. Wenns (Karlsruhe,
A, Bielefeld). In derselben ist namentlich ein sehr reichliches Material über die Thätigkeit
der Gesetzgebung, über die Kultur- und volkswirtschaftlichen Verhältnisse Badens unter der
Regierung des Großherzog Friedrich zusammengestellt. Das Büchlein mag deshalb auch
für cnißcrbadische Kreise ein Interesse bieten.
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[0183] doch unsere Pflicht!" sprach Mathy zu dem Großherzog, als er auf sein Schrei¬ ben an Bismarck vom 18. November 18K7 und die darin enthaltene An¬ frage über die etwaige Zeit der Aufnahme Badens in den Nordbnnd eine die gewünschte Erklärung ablehnende Antwort erhielt. Das Wort ist glän¬ zend gelöst. Als Großherzog Friedrich am 18. Januar 1870 im prunkenden Saale des Versailler Königsschlosses dem deutschen Kaiser den ersten Hochruf brachte, da war das badische Volk stolz, seinen Fürsten ein Werk krönen zu sehen, für das er selbstverleugnend und unermüdlich gearbeitet hatte, wie kein anderer der deutschen Fürsten. Und welch hohes Beispiel des hingebendsten Patriotismus gab Großherzog Friedrich auch jetzt! Baden, dem deutschen Reich eingegliedert, kennt keine Reservatrechte, Badens Heer ist Bestandtheil des preußischen Heeres. Das Volk hat diese Politik gebilligt und billigt sie. In den ersten Reichstag hat es zwölf Nationalliberale entsendet neben nur zwei Ultramontanen, die zwei Ultramontanen blieben auch bei der Wahl von 1874 und bei der dieses Jahres, beidemal zu elf Nationalliberalen und für 1874 einem Freikonservativen, für 1877 einem Deutschkonservativen. Gelegentlich des vor wenig Monaten (18. Sept. 1876) stattgehabten Ministerwechsels, welcher Jolly von seinem Posten abberief, wurden Stimmen laut, die eine Aenderung der badischen Politik vor allem auch hinsichtlich des Zielpunktes der nationalen Entwickelung befürchteten. Verfasser des gegen¬ wärtigen Aufsatzes hat damals auch Bedeuten in dieser Richtung geäußert*). Die Tage, in denen soeben Fürst Bismarck in Gefahr stand, von der parti- kularistisch reaktionären Flut hinweggeschwemmt zu werden, sind nicht dazu angethan, solche Bedenken zu widerrufen. Es mag ja wohl fein, daß die Wogen des Partikularismus, vou mißgünstigen Winden gepeitscht, noch tosender als bisher an die Stufen auch des badischen Fürstenthrones hinanschwellen. Sie mögen dann dem Auge des Fürsten die Bahn des nationalen Gedankens verdunkeln und seinen Fuß den Pfad nnr zögernd finden lassen. Aber verlieren wird Großherzog Friedrich diese Bahn nicht, und wankend wird sein Schritt nicht werden. Das Wort, einst in der Stunde schmerzlich schwerer Enttäuschung von dem Minister gesprochen, das hat der Fürst bejaht und wird es bejahen, d Hr. as Manneswort: „Und wir thun doch unsre Pflicht!"**) *) Vergl. den Aufsatz „der Ministerwechsel in Baden", Grenzboten 187«, Ur. 48. **) Bei Schluß des Aufsatzes kommt uns oiue zum Rcgierungsjubiläum des Großherzogs verfaßte Festschrift zu: Baden in den Jahren 1852 bis 1877, von Fr. v. Wenns (Karlsruhe, A, Bielefeld). In derselben ist namentlich ein sehr reichliches Material über die Thätigkeit der Gesetzgebung, über die Kultur- und volkswirtschaftlichen Verhältnisse Badens unter der Regierung des Großherzog Friedrich zusammengestellt. Das Büchlein mag deshalb auch für cnißcrbadische Kreise ein Interesse bieten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/183>, abgerufen am 17.06.2024.