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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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die Hoheit geäußert; die Damen sagen mir, sie sei gnädig nud freundlich ge¬
wesen und habe mit einem jeden gesprochen; der Frau v. S. hat sie gesagt,
als sie erfuhr, daß sie eine geborene B. sei: over" nom <Jo iwnille rlMieUö un
souvenir. Der alte gute arme Einsiedel hat mich versichert, daß die
Hoheit ganz das biedere, edle, deutsche Wesen zeigte, welches die Homburgische
Familie auszeichnete und daß sie ihm wie eine schöne Stütze der neuen Ver¬
hältnisse, in die sie getreten, erschienen sei.--Gott segne die geliebte Hoheit
und gebe ihrem Gemüth Frieden in Erfüllung ihrer Pflichten. Morgen, wenn
Ihre Durchlaucht diefen Brief erhalten, wird auch die Ankunft in Ludwigslust
erfolgt sein und die Kinder werden schon der neuen geliebten Mutter mit
den freundlichen, holden Gesichtern entgegenkommen und sie wird schon fühlen,
daß sie einen dankbaren Beruf zu erfüllen bestimmt ist. Denn die Liebe der
Kinder thut so wohl im Leben, und diese Kinder haben einen so rührenden
Ausdruck, der einem das Herz gewinnt.---Der dortige Hof wird sehr glän¬
zend eingerichtet. Eine Oberhofmeisterin, Fr. v. L., und drei Hofdamen er¬
warten die Hoheit. Daß die Fräulein S. aber von Homburg gefolgt ist, thut
mir ordentlich wohl, denn die schönen Erinnerungen der südlichen Natur, der
belebten, wie leblosen, wird wie ein freundlicher, lichter Punkt die Vergangen¬
heit beleben; da wird die hübsche empfindungsvolle Physiognomie der Fräulein
S. den Ausdruck der Natur zurückrufe". Für den Kampf mit dem Klima
fürchtete ich anfangs. Doch Gott wird dieses Opfer, welches die Hoheit bringt,
segnen nud Kräfte geben, wo wir sie nicht suchen.

Ich begreife immer mehr, wie der innere feste Wille und das Streben nach
Erfüllung höherer Pflichten viel vermag und wie ohne dieses Streben manche
Erscheinung im Leben unmöglich wäre. Wie viele Tausende von Menschen
haben für die höheren Zwecke in den Kreuzzügen Alles hingegeben, was ihrem
Leben einen Reiz gab. Sobald wie edle Naturen ihr eignes Wesen für Andere
weihen und sich aufgeben, vermag auch der Wille das Höchste zu vollbringen.
Warum das menschliche Leben so oft zu Opfern bestimmt ist? ist eine Frage,
die uns erst in einer höhern Ordnung der Dinge gelöset werden soll. Wenn
wir diese Resultate auch aus unserm Leben zu ziehen uus bestreben, so möchten
wir aber doch immer denen, die wir lieben, ein anderes Geschick bereiten können.
Doch muß der Glaube an Vorsehung und Liebe des Schöpfers zu seinen Ge¬
schöpfen uns nahe bleiben und tröstend das Gemüth erhellen.

Ich habe jetzt eine Geschichte der Kreuzzüge von Michaud, doch nur den
ersten Theil erst gelesen, der mich recht beschäftigt hat, weil mir die ernste Idee
sehr schön dünkt und groß, weil sie auch nur durch Aufopferungen aller Art
zu erreichen war. Auch eine Geschichte der Sagen von den Völkern am Rhein
von Nie. Voigt hat mir die Zeit der ersten Kreuzzüge recht lebendig gemacht.


die Hoheit geäußert; die Damen sagen mir, sie sei gnädig nud freundlich ge¬
wesen und habe mit einem jeden gesprochen; der Frau v. S. hat sie gesagt,
als sie erfuhr, daß sie eine geborene B. sei: over« nom <Jo iwnille rlMieUö un
souvenir. Der alte gute arme Einsiedel hat mich versichert, daß die
Hoheit ganz das biedere, edle, deutsche Wesen zeigte, welches die Homburgische
Familie auszeichnete und daß sie ihm wie eine schöne Stütze der neuen Ver¬
hältnisse, in die sie getreten, erschienen sei.--Gott segne die geliebte Hoheit
und gebe ihrem Gemüth Frieden in Erfüllung ihrer Pflichten. Morgen, wenn
Ihre Durchlaucht diefen Brief erhalten, wird auch die Ankunft in Ludwigslust
erfolgt sein und die Kinder werden schon der neuen geliebten Mutter mit
den freundlichen, holden Gesichtern entgegenkommen und sie wird schon fühlen,
daß sie einen dankbaren Beruf zu erfüllen bestimmt ist. Denn die Liebe der
Kinder thut so wohl im Leben, und diese Kinder haben einen so rührenden
Ausdruck, der einem das Herz gewinnt.---Der dortige Hof wird sehr glän¬
zend eingerichtet. Eine Oberhofmeisterin, Fr. v. L., und drei Hofdamen er¬
warten die Hoheit. Daß die Fräulein S. aber von Homburg gefolgt ist, thut
mir ordentlich wohl, denn die schönen Erinnerungen der südlichen Natur, der
belebten, wie leblosen, wird wie ein freundlicher, lichter Punkt die Vergangen¬
heit beleben; da wird die hübsche empfindungsvolle Physiognomie der Fräulein
S. den Ausdruck der Natur zurückrufe». Für den Kampf mit dem Klima
fürchtete ich anfangs. Doch Gott wird dieses Opfer, welches die Hoheit bringt,
segnen nud Kräfte geben, wo wir sie nicht suchen.

Ich begreife immer mehr, wie der innere feste Wille und das Streben nach
Erfüllung höherer Pflichten viel vermag und wie ohne dieses Streben manche
Erscheinung im Leben unmöglich wäre. Wie viele Tausende von Menschen
haben für die höheren Zwecke in den Kreuzzügen Alles hingegeben, was ihrem
Leben einen Reiz gab. Sobald wie edle Naturen ihr eignes Wesen für Andere
weihen und sich aufgeben, vermag auch der Wille das Höchste zu vollbringen.
Warum das menschliche Leben so oft zu Opfern bestimmt ist? ist eine Frage,
die uns erst in einer höhern Ordnung der Dinge gelöset werden soll. Wenn
wir diese Resultate auch aus unserm Leben zu ziehen uus bestreben, so möchten
wir aber doch immer denen, die wir lieben, ein anderes Geschick bereiten können.
Doch muß der Glaube an Vorsehung und Liebe des Schöpfers zu seinen Ge¬
schöpfen uns nahe bleiben und tröstend das Gemüth erhellen.

Ich habe jetzt eine Geschichte der Kreuzzüge von Michaud, doch nur den
ersten Theil erst gelesen, der mich recht beschäftigt hat, weil mir die ernste Idee
sehr schön dünkt und groß, weil sie auch nur durch Aufopferungen aller Art
zu erreichen war. Auch eine Geschichte der Sagen von den Völkern am Rhein
von Nie. Voigt hat mir die Zeit der ersten Kreuzzüge recht lebendig gemacht.


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[0238] die Hoheit geäußert; die Damen sagen mir, sie sei gnädig nud freundlich ge¬ wesen und habe mit einem jeden gesprochen; der Frau v. S. hat sie gesagt, als sie erfuhr, daß sie eine geborene B. sei: over« nom <Jo iwnille rlMieUö un souvenir. Der alte gute arme Einsiedel hat mich versichert, daß die Hoheit ganz das biedere, edle, deutsche Wesen zeigte, welches die Homburgische Familie auszeichnete und daß sie ihm wie eine schöne Stütze der neuen Ver¬ hältnisse, in die sie getreten, erschienen sei.--Gott segne die geliebte Hoheit und gebe ihrem Gemüth Frieden in Erfüllung ihrer Pflichten. Morgen, wenn Ihre Durchlaucht diefen Brief erhalten, wird auch die Ankunft in Ludwigslust erfolgt sein und die Kinder werden schon der neuen geliebten Mutter mit den freundlichen, holden Gesichtern entgegenkommen und sie wird schon fühlen, daß sie einen dankbaren Beruf zu erfüllen bestimmt ist. Denn die Liebe der Kinder thut so wohl im Leben, und diese Kinder haben einen so rührenden Ausdruck, der einem das Herz gewinnt.---Der dortige Hof wird sehr glän¬ zend eingerichtet. Eine Oberhofmeisterin, Fr. v. L., und drei Hofdamen er¬ warten die Hoheit. Daß die Fräulein S. aber von Homburg gefolgt ist, thut mir ordentlich wohl, denn die schönen Erinnerungen der südlichen Natur, der belebten, wie leblosen, wird wie ein freundlicher, lichter Punkt die Vergangen¬ heit beleben; da wird die hübsche empfindungsvolle Physiognomie der Fräulein S. den Ausdruck der Natur zurückrufe». Für den Kampf mit dem Klima fürchtete ich anfangs. Doch Gott wird dieses Opfer, welches die Hoheit bringt, segnen nud Kräfte geben, wo wir sie nicht suchen. Ich begreife immer mehr, wie der innere feste Wille und das Streben nach Erfüllung höherer Pflichten viel vermag und wie ohne dieses Streben manche Erscheinung im Leben unmöglich wäre. Wie viele Tausende von Menschen haben für die höheren Zwecke in den Kreuzzügen Alles hingegeben, was ihrem Leben einen Reiz gab. Sobald wie edle Naturen ihr eignes Wesen für Andere weihen und sich aufgeben, vermag auch der Wille das Höchste zu vollbringen. Warum das menschliche Leben so oft zu Opfern bestimmt ist? ist eine Frage, die uns erst in einer höhern Ordnung der Dinge gelöset werden soll. Wenn wir diese Resultate auch aus unserm Leben zu ziehen uus bestreben, so möchten wir aber doch immer denen, die wir lieben, ein anderes Geschick bereiten können. Doch muß der Glaube an Vorsehung und Liebe des Schöpfers zu seinen Ge¬ schöpfen uns nahe bleiben und tröstend das Gemüth erhellen. Ich habe jetzt eine Geschichte der Kreuzzüge von Michaud, doch nur den ersten Theil erst gelesen, der mich recht beschäftigt hat, weil mir die ernste Idee sehr schön dünkt und groß, weil sie auch nur durch Aufopferungen aller Art zu erreichen war. Auch eine Geschichte der Sagen von den Völkern am Rhein von Nie. Voigt hat mir die Zeit der ersten Kreuzzüge recht lebendig gemacht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/238>, abgerufen am 17.06.2024.