Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wesentlich geändert. Die Eisenbahnen sind keine kaufmännischen Unternehmun¬
gen, sie sind öffentliche, dem gemeinen Wohl dienende Verkehrsinstitute wie
die Post selbst, und hoffentlich wird dieses Prinzip recht bald in der Durch¬
führung des Reichseisenbahnprvjektes aufs Neue bethätigt. Wenn sie aber
dem gemeinen Wohle dienen, dann ist jede Gratisleistung für eine andere dem¬
selben Zwecke dienende Verkehrsanstalt mindestens verwirrend, weil dadurch der
wirkliche finanzielle Erfolg beider nicht mehr mit Bestimmtheit angegeben wer¬
den kann. Es wäre daher durchaus richtig, das bisherige Privilegium der
Post zu beseitigen; wenn eventuell dadurch eine Erhöhung des Paketportv's
nothwendig werden sollte, so können auf der andern Seite die Eisenbahntarife
ermäßigt werden, so daß unter keinen Umständen eine größere Belastung des
Volkes nothwendig würde. Es könnte aber erst dadurch wirkliche Klarheit in
die finanziellen Ergebnisse der Post- und Eisenbahnverwaltungen gebracht wer¬
den. Es wird auch sicherlich der erste Schritt zur Durchführung des Reichs¬
eisenbahnprojektes sein, das Pvstprivilegium zu beseitigen. Was nnn den
weiteren Einwurf anbetrifft, daß die Post auf das Regal der Personenbeför¬
derung verzichtet habe, so läßt sich dieser einfach dadurch entkräften, daß der
ganze Personenverkehr auf den Eisenbahnen sich nicht nur nicht verzinst, son¬
dern noch Zuschüsse seitens des Güterverkehrs erheischt. Die Postverwaltung
.könnte daher immerhin ihr altes Regal wieder zurückfordern, die Eisenbahn¬
verwaltungen würden wohl im Allgemeinen nichts dagegen einzuwenden haben.
Im Gegentheil. Wenn die Post in Zukunft Personen-, Brief- und Paketbeför¬
derung wieder allein besorgen, aber auch bezahlen sollte, würde sich
ihr Ueberschuß von mehreren Millionen sehr bald in ein ebenso hohes Defizit
verwandeln. Ein derartiger Versuch wäre vielleicht nach mehr als einer Rich¬
tung hin lehrreich, jedenfalls würde er Manchem über die bisher den Eisen¬
bahnen aufgebürdeten Lasten die Augen öffnen, und der Gesammthandel würde
unter den dann erst recht ermöglichten billigeren Gütertarifen neuen unge-
kannten Aufschwung nehmen.

Daher fort mit allen unberechtigten Lasten, ein Jeder komme für seinen
Vortheil selbst auf, erst dann wird sich der wirthschaftliche Effekt aller Ver¬
kehrsbauten, -Anstalten und -Einrichtungen klar übersehen und feststellen lassen;
manche beinahe vergötterte Einrichtung wird von ihrem Ruhme herabsteigen
müssen, und die so viel und oft gescholtenen Eisenbahnen werden zu der auch
ihnen gebührenden Gerechtigkeit kommen.




wesentlich geändert. Die Eisenbahnen sind keine kaufmännischen Unternehmun¬
gen, sie sind öffentliche, dem gemeinen Wohl dienende Verkehrsinstitute wie
die Post selbst, und hoffentlich wird dieses Prinzip recht bald in der Durch¬
führung des Reichseisenbahnprvjektes aufs Neue bethätigt. Wenn sie aber
dem gemeinen Wohle dienen, dann ist jede Gratisleistung für eine andere dem¬
selben Zwecke dienende Verkehrsanstalt mindestens verwirrend, weil dadurch der
wirkliche finanzielle Erfolg beider nicht mehr mit Bestimmtheit angegeben wer¬
den kann. Es wäre daher durchaus richtig, das bisherige Privilegium der
Post zu beseitigen; wenn eventuell dadurch eine Erhöhung des Paketportv's
nothwendig werden sollte, so können auf der andern Seite die Eisenbahntarife
ermäßigt werden, so daß unter keinen Umständen eine größere Belastung des
Volkes nothwendig würde. Es könnte aber erst dadurch wirkliche Klarheit in
die finanziellen Ergebnisse der Post- und Eisenbahnverwaltungen gebracht wer¬
den. Es wird auch sicherlich der erste Schritt zur Durchführung des Reichs¬
eisenbahnprojektes sein, das Pvstprivilegium zu beseitigen. Was nnn den
weiteren Einwurf anbetrifft, daß die Post auf das Regal der Personenbeför¬
derung verzichtet habe, so läßt sich dieser einfach dadurch entkräften, daß der
ganze Personenverkehr auf den Eisenbahnen sich nicht nur nicht verzinst, son¬
dern noch Zuschüsse seitens des Güterverkehrs erheischt. Die Postverwaltung
.könnte daher immerhin ihr altes Regal wieder zurückfordern, die Eisenbahn¬
verwaltungen würden wohl im Allgemeinen nichts dagegen einzuwenden haben.
Im Gegentheil. Wenn die Post in Zukunft Personen-, Brief- und Paketbeför¬
derung wieder allein besorgen, aber auch bezahlen sollte, würde sich
ihr Ueberschuß von mehreren Millionen sehr bald in ein ebenso hohes Defizit
verwandeln. Ein derartiger Versuch wäre vielleicht nach mehr als einer Rich¬
tung hin lehrreich, jedenfalls würde er Manchem über die bisher den Eisen¬
bahnen aufgebürdeten Lasten die Augen öffnen, und der Gesammthandel würde
unter den dann erst recht ermöglichten billigeren Gütertarifen neuen unge-
kannten Aufschwung nehmen.

Daher fort mit allen unberechtigten Lasten, ein Jeder komme für seinen
Vortheil selbst auf, erst dann wird sich der wirthschaftliche Effekt aller Ver¬
kehrsbauten, -Anstalten und -Einrichtungen klar übersehen und feststellen lassen;
manche beinahe vergötterte Einrichtung wird von ihrem Ruhme herabsteigen
müssen, und die so viel und oft gescholtenen Eisenbahnen werden zu der auch
ihnen gebührenden Gerechtigkeit kommen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137958"/>
          <p xml:id="ID_714" prev="#ID_713"> wesentlich geändert. Die Eisenbahnen sind keine kaufmännischen Unternehmun¬<lb/>
gen, sie sind öffentliche, dem gemeinen Wohl dienende Verkehrsinstitute wie<lb/>
die Post selbst, und hoffentlich wird dieses Prinzip recht bald in der Durch¬<lb/>
führung des Reichseisenbahnprvjektes aufs Neue bethätigt. Wenn sie aber<lb/>
dem gemeinen Wohle dienen, dann ist jede Gratisleistung für eine andere dem¬<lb/>
selben Zwecke dienende Verkehrsanstalt mindestens verwirrend, weil dadurch der<lb/>
wirkliche finanzielle Erfolg beider nicht mehr mit Bestimmtheit angegeben wer¬<lb/>
den kann. Es wäre daher durchaus richtig, das bisherige Privilegium der<lb/>
Post zu beseitigen; wenn eventuell dadurch eine Erhöhung des Paketportv's<lb/>
nothwendig werden sollte, so können auf der andern Seite die Eisenbahntarife<lb/>
ermäßigt werden, so daß unter keinen Umständen eine größere Belastung des<lb/>
Volkes nothwendig würde. Es könnte aber erst dadurch wirkliche Klarheit in<lb/>
die finanziellen Ergebnisse der Post- und Eisenbahnverwaltungen gebracht wer¬<lb/>
den. Es wird auch sicherlich der erste Schritt zur Durchführung des Reichs¬<lb/>
eisenbahnprojektes sein, das Pvstprivilegium zu beseitigen. Was nnn den<lb/>
weiteren Einwurf anbetrifft, daß die Post auf das Regal der Personenbeför¬<lb/>
derung verzichtet habe, so läßt sich dieser einfach dadurch entkräften, daß der<lb/>
ganze Personenverkehr auf den Eisenbahnen sich nicht nur nicht verzinst, son¬<lb/>
dern noch Zuschüsse seitens des Güterverkehrs erheischt. Die Postverwaltung<lb/>
.könnte daher immerhin ihr altes Regal wieder zurückfordern, die Eisenbahn¬<lb/>
verwaltungen würden wohl im Allgemeinen nichts dagegen einzuwenden haben.<lb/>
Im Gegentheil. Wenn die Post in Zukunft Personen-, Brief- und Paketbeför¬<lb/>
derung wieder allein besorgen, aber auch bezahlen sollte, würde sich<lb/>
ihr Ueberschuß von mehreren Millionen sehr bald in ein ebenso hohes Defizit<lb/>
verwandeln. Ein derartiger Versuch wäre vielleicht nach mehr als einer Rich¬<lb/>
tung hin lehrreich, jedenfalls würde er Manchem über die bisher den Eisen¬<lb/>
bahnen aufgebürdeten Lasten die Augen öffnen, und der Gesammthandel würde<lb/>
unter den dann erst recht ermöglichten billigeren Gütertarifen neuen unge-<lb/>
kannten Aufschwung nehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_715"> Daher fort mit allen unberechtigten Lasten, ein Jeder komme für seinen<lb/>
Vortheil selbst auf, erst dann wird sich der wirthschaftliche Effekt aller Ver¬<lb/>
kehrsbauten, -Anstalten und -Einrichtungen klar übersehen und feststellen lassen;<lb/>
manche beinahe vergötterte Einrichtung wird von ihrem Ruhme herabsteigen<lb/>
müssen, und die so viel und oft gescholtenen Eisenbahnen werden zu der auch<lb/>
ihnen gebührenden Gerechtigkeit kommen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0257] wesentlich geändert. Die Eisenbahnen sind keine kaufmännischen Unternehmun¬ gen, sie sind öffentliche, dem gemeinen Wohl dienende Verkehrsinstitute wie die Post selbst, und hoffentlich wird dieses Prinzip recht bald in der Durch¬ führung des Reichseisenbahnprvjektes aufs Neue bethätigt. Wenn sie aber dem gemeinen Wohle dienen, dann ist jede Gratisleistung für eine andere dem¬ selben Zwecke dienende Verkehrsanstalt mindestens verwirrend, weil dadurch der wirkliche finanzielle Erfolg beider nicht mehr mit Bestimmtheit angegeben wer¬ den kann. Es wäre daher durchaus richtig, das bisherige Privilegium der Post zu beseitigen; wenn eventuell dadurch eine Erhöhung des Paketportv's nothwendig werden sollte, so können auf der andern Seite die Eisenbahntarife ermäßigt werden, so daß unter keinen Umständen eine größere Belastung des Volkes nothwendig würde. Es könnte aber erst dadurch wirkliche Klarheit in die finanziellen Ergebnisse der Post- und Eisenbahnverwaltungen gebracht wer¬ den. Es wird auch sicherlich der erste Schritt zur Durchführung des Reichs¬ eisenbahnprojektes sein, das Pvstprivilegium zu beseitigen. Was nnn den weiteren Einwurf anbetrifft, daß die Post auf das Regal der Personenbeför¬ derung verzichtet habe, so läßt sich dieser einfach dadurch entkräften, daß der ganze Personenverkehr auf den Eisenbahnen sich nicht nur nicht verzinst, son¬ dern noch Zuschüsse seitens des Güterverkehrs erheischt. Die Postverwaltung .könnte daher immerhin ihr altes Regal wieder zurückfordern, die Eisenbahn¬ verwaltungen würden wohl im Allgemeinen nichts dagegen einzuwenden haben. Im Gegentheil. Wenn die Post in Zukunft Personen-, Brief- und Paketbeför¬ derung wieder allein besorgen, aber auch bezahlen sollte, würde sich ihr Ueberschuß von mehreren Millionen sehr bald in ein ebenso hohes Defizit verwandeln. Ein derartiger Versuch wäre vielleicht nach mehr als einer Rich¬ tung hin lehrreich, jedenfalls würde er Manchem über die bisher den Eisen¬ bahnen aufgebürdeten Lasten die Augen öffnen, und der Gesammthandel würde unter den dann erst recht ermöglichten billigeren Gütertarifen neuen unge- kannten Aufschwung nehmen. Daher fort mit allen unberechtigten Lasten, ein Jeder komme für seinen Vortheil selbst auf, erst dann wird sich der wirthschaftliche Effekt aller Ver¬ kehrsbauten, -Anstalten und -Einrichtungen klar übersehen und feststellen lassen; manche beinahe vergötterte Einrichtung wird von ihrem Ruhme herabsteigen müssen, und die so viel und oft gescholtenen Eisenbahnen werden zu der auch ihnen gebührenden Gerechtigkeit kommen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/257
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/257>, abgerufen am 17.06.2024.