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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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wissenschaftliche Unterricht die Idee dieser Bilderbogen aufgreifen, können, an¬
statt sich länger mit den jetzt üblichen ebenso unbequemen wie unpraktischen
Wandtafeln herumzuschlagen? Es gibt in Deutschland mehr als einen Ver¬
leger von gut illustrirten naturwissenschaftlichen Werken. Sollte nicht einer
von ihnen den Versuch wagen wollen, seinen Holzschnittvorrath einmal in ähn¬
licher Weise zu "naturwissenschaftlichen Bilderbogen" zusammenzustellen?

Aber noch von einer viel weiteren Tragweite scheint mir die ganze Idee
zu sein. Ein Problem, das auch noch seiner Lösung harrt, ist die Beschaffung
guter, brauchbarer und dabei wohlfeiler Bilderbücher für die Jugend und --
setzen wir nur getrost hinzu -- für das Volk. Die wirklich guten Bilder¬
bücher, die unsre Jugend hat, -- ich rede nicht von illustrirten Jugendschriften,
sondern eben von bloßen "Bilderbüchern" -- sind meistens äußerst einseitig in
ihrem Darstellungskreise, -- dies gilt namentlich von denen, die weiter nichts
enthalten als Szenen aus dem Leben und Treiben der Jugend selbst, woran
sich die Kinder bekanntlich am Raschesten satt sehen, -- sie sind ungenießbar ge¬
macht durch fade, poesielose Reimereien unter den Bildern, sie fini>, wenn wir
ehrlich sein wollen, oft gar nicht für Kinder, sondern für große Leute, und
sie sind endlich viel zu theuer. Die billigen aber, vor allen jene ordinäre
bunte Waare, bei der man oft in Zweifel geräth, ob man wirklich noch buch¬
händlerische Erzeugnisse oder die Produkte von Buntpapier- und Spielwaaren-
fabriken vor sich hat, sind so schlecht, daß man sich scheuen muß, sie einem
Kinde in die Hand zu geben. Für die große Masse der Erwachsenen aber be¬
steht oft die einzige belehrende und anregende künstlerische Anschauung in den
zwei, drei Holzschnitten, die ihnen Woche für Woche ihr illustrirtes Familien¬
journal zumißt. Was könnte da ein "illustrirter Verleger", wie z. B. I. 3-
Weber, der Herausgeber der nun seit 34 Jahren erscheinender "Jllustrirten
Zeitung" und zahlreicher gut illustrirter Bücher, sich für ein Verdienst er¬
werben, wenn er seinen überreichen Holzschnittvorrath einmal mustern und,
unterstützt von sachkundigen und taktvoll wählenden und ordnenden Händen, zu
Bilderbüchern -- uotg. Keue entweder ohne allen Text oder doch nur mit einem
Minimum von Text -- zusammenstellen wollte! Ich sollte meinen, er müßte
ein geschichtliches, ein geographisches, ein naturgeschichtliches, ein kunstgeschicht¬
liches, ein kunstgewerbliches Bilderbuch, eine Portrütgalerie, und schließlich
aus alledem einen Orvis xietus schaffen können, die an Reichhaltigkeit, Schön¬
heit und Billigkeit ihresgleichen suchen sollten. Schon einmal hat der Holz¬
schnitt in Deutschland eine ähnliche Mission erfüllt, am Ende des 15. und Än-


eine Totalansicht des Münsters und eine Anzahl Details zeigte und jedem in den Säen
eintretenden eingehändigt wurde. Diese Maßregel wurde damals allseitig mit großem
Dank und Beifall begrüßt.

wissenschaftliche Unterricht die Idee dieser Bilderbogen aufgreifen, können, an¬
statt sich länger mit den jetzt üblichen ebenso unbequemen wie unpraktischen
Wandtafeln herumzuschlagen? Es gibt in Deutschland mehr als einen Ver¬
leger von gut illustrirten naturwissenschaftlichen Werken. Sollte nicht einer
von ihnen den Versuch wagen wollen, seinen Holzschnittvorrath einmal in ähn¬
licher Weise zu „naturwissenschaftlichen Bilderbogen" zusammenzustellen?

Aber noch von einer viel weiteren Tragweite scheint mir die ganze Idee
zu sein. Ein Problem, das auch noch seiner Lösung harrt, ist die Beschaffung
guter, brauchbarer und dabei wohlfeiler Bilderbücher für die Jugend und —
setzen wir nur getrost hinzu — für das Volk. Die wirklich guten Bilder¬
bücher, die unsre Jugend hat, — ich rede nicht von illustrirten Jugendschriften,
sondern eben von bloßen „Bilderbüchern" — sind meistens äußerst einseitig in
ihrem Darstellungskreise, — dies gilt namentlich von denen, die weiter nichts
enthalten als Szenen aus dem Leben und Treiben der Jugend selbst, woran
sich die Kinder bekanntlich am Raschesten satt sehen, — sie sind ungenießbar ge¬
macht durch fade, poesielose Reimereien unter den Bildern, sie fini>, wenn wir
ehrlich sein wollen, oft gar nicht für Kinder, sondern für große Leute, und
sie sind endlich viel zu theuer. Die billigen aber, vor allen jene ordinäre
bunte Waare, bei der man oft in Zweifel geräth, ob man wirklich noch buch¬
händlerische Erzeugnisse oder die Produkte von Buntpapier- und Spielwaaren-
fabriken vor sich hat, sind so schlecht, daß man sich scheuen muß, sie einem
Kinde in die Hand zu geben. Für die große Masse der Erwachsenen aber be¬
steht oft die einzige belehrende und anregende künstlerische Anschauung in den
zwei, drei Holzschnitten, die ihnen Woche für Woche ihr illustrirtes Familien¬
journal zumißt. Was könnte da ein „illustrirter Verleger", wie z. B. I. 3-
Weber, der Herausgeber der nun seit 34 Jahren erscheinender „Jllustrirten
Zeitung" und zahlreicher gut illustrirter Bücher, sich für ein Verdienst er¬
werben, wenn er seinen überreichen Holzschnittvorrath einmal mustern und,
unterstützt von sachkundigen und taktvoll wählenden und ordnenden Händen, zu
Bilderbüchern — uotg. Keue entweder ohne allen Text oder doch nur mit einem
Minimum von Text — zusammenstellen wollte! Ich sollte meinen, er müßte
ein geschichtliches, ein geographisches, ein naturgeschichtliches, ein kunstgeschicht¬
liches, ein kunstgewerbliches Bilderbuch, eine Portrütgalerie, und schließlich
aus alledem einen Orvis xietus schaffen können, die an Reichhaltigkeit, Schön¬
heit und Billigkeit ihresgleichen suchen sollten. Schon einmal hat der Holz¬
schnitt in Deutschland eine ähnliche Mission erfüllt, am Ende des 15. und Än-


eine Totalansicht des Münsters und eine Anzahl Details zeigte und jedem in den Säen
eintretenden eingehändigt wurde. Diese Maßregel wurde damals allseitig mit großem
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[0334] wissenschaftliche Unterricht die Idee dieser Bilderbogen aufgreifen, können, an¬ statt sich länger mit den jetzt üblichen ebenso unbequemen wie unpraktischen Wandtafeln herumzuschlagen? Es gibt in Deutschland mehr als einen Ver¬ leger von gut illustrirten naturwissenschaftlichen Werken. Sollte nicht einer von ihnen den Versuch wagen wollen, seinen Holzschnittvorrath einmal in ähn¬ licher Weise zu „naturwissenschaftlichen Bilderbogen" zusammenzustellen? Aber noch von einer viel weiteren Tragweite scheint mir die ganze Idee zu sein. Ein Problem, das auch noch seiner Lösung harrt, ist die Beschaffung guter, brauchbarer und dabei wohlfeiler Bilderbücher für die Jugend und — setzen wir nur getrost hinzu — für das Volk. Die wirklich guten Bilder¬ bücher, die unsre Jugend hat, — ich rede nicht von illustrirten Jugendschriften, sondern eben von bloßen „Bilderbüchern" — sind meistens äußerst einseitig in ihrem Darstellungskreise, — dies gilt namentlich von denen, die weiter nichts enthalten als Szenen aus dem Leben und Treiben der Jugend selbst, woran sich die Kinder bekanntlich am Raschesten satt sehen, — sie sind ungenießbar ge¬ macht durch fade, poesielose Reimereien unter den Bildern, sie fini>, wenn wir ehrlich sein wollen, oft gar nicht für Kinder, sondern für große Leute, und sie sind endlich viel zu theuer. Die billigen aber, vor allen jene ordinäre bunte Waare, bei der man oft in Zweifel geräth, ob man wirklich noch buch¬ händlerische Erzeugnisse oder die Produkte von Buntpapier- und Spielwaaren- fabriken vor sich hat, sind so schlecht, daß man sich scheuen muß, sie einem Kinde in die Hand zu geben. Für die große Masse der Erwachsenen aber be¬ steht oft die einzige belehrende und anregende künstlerische Anschauung in den zwei, drei Holzschnitten, die ihnen Woche für Woche ihr illustrirtes Familien¬ journal zumißt. Was könnte da ein „illustrirter Verleger", wie z. B. I. 3- Weber, der Herausgeber der nun seit 34 Jahren erscheinender „Jllustrirten Zeitung" und zahlreicher gut illustrirter Bücher, sich für ein Verdienst er¬ werben, wenn er seinen überreichen Holzschnittvorrath einmal mustern und, unterstützt von sachkundigen und taktvoll wählenden und ordnenden Händen, zu Bilderbüchern — uotg. Keue entweder ohne allen Text oder doch nur mit einem Minimum von Text — zusammenstellen wollte! Ich sollte meinen, er müßte ein geschichtliches, ein geographisches, ein naturgeschichtliches, ein kunstgeschicht¬ liches, ein kunstgewerbliches Bilderbuch, eine Portrütgalerie, und schließlich aus alledem einen Orvis xietus schaffen können, die an Reichhaltigkeit, Schön¬ heit und Billigkeit ihresgleichen suchen sollten. Schon einmal hat der Holz¬ schnitt in Deutschland eine ähnliche Mission erfüllt, am Ende des 15. und Än- eine Totalansicht des Münsters und eine Anzahl Details zeigte und jedem in den Säen eintretenden eingehändigt wurde. Diese Maßregel wurde damals allseitig mit großem Dank und Beifall begrüßt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/334>, abgerufen am 17.06.2024.