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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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von Arneths in Fluß gebracht sind, ein so stattlicher Strom historischer Er¬
kenntniß nach den verschiedensten Gebieten ausgeht, werden uns auch hier neue
Belehrungen gebracht. Die hier von Adolf Beer behandelte Zeit liegt mitten
inne zwischen den Partien, für welche hauptsächlich infolge der Polemik
von Vivenots u. A. gegen von Sybel und Häuser das erwähnte Archiv in
umfassendster Weise ausgebeutet ist, und derjenigen Epoche, für welche vom
gleichen Orte neuerlich durch Oncken (Oesterreich und Preußen im Befreiungs¬
kriege) so manches überraschende Licht gewonnen worden ist. Eben für die
zehn hier behandelten Jahre -- für die Zeit L. Cobenzls und Franz Collo-
redos sowie für diejenige des Grafen Stadion -- war die Eröffnung eines
tieferen Einblickes in das Innere der österreichischen Staatsleitung, in die Be¬
weggründe und Gesichtspunkte der österreichischen Staatsmänner, überaus
wünschenswerth. Waren wir doch bisher in Hinsicht auf diese Partie von
eigentlich österreichischen Quellen -- wofern man nicht die unzuverlässige Hor-
mayrsche Denkwürdigkeiten-Literatur hierher ziehen will und sofern man das
eigentlich Kriegsgeschichtliche abrechnet -- bis vor Kurzem fast gänzlich
verlassen.

Das vorliegende Werk geht nun daran, diese Lücke ausfüllen zu helfen.
Um seinen Inhalt zu bezeichnen, ist zunächst zu sagen, daß wir hier bei dem
Worte "Politik", nur an die auswärtige Politik zudenken haben. Auf das Innere,
auf Verfasfungs- und Verwaltungsweseu, fällt nur ganz gelegentlich ein Licht, haupt¬
sächlich um uns auch hier erkennen zu lassen, wie sehr in dieser österreichischen Mo¬
narchie über der Verfolgung der Machtinteressen der rechte Sinn und die rechte Sorge
für das Innere nicht aufkommen wollte -- ein Mangel, der sich dann doch immer
auch in der auswärtigen Politik, sobald es galt, derselben durch positive Kraftent-
wicklung den rechten Nachdruck zu geben, auf das Empfindlichste rächte. Auch
die auswärtige Politik Oesterreichs aber wird uns hier nicht in einer Weise,
die Allseitigkeit und Abrundung anstrebte, zur Anschauung gebracht. Aus dem
reichen Schatze von Aktenstücken, welche dem Verfasser vorgelegen, wird uns der
thatsächliche Inhalt, je nachdem er Bemerkenswerthes ergab, und ungefähr in
derjenigen Folge, wie sie sich dem Verfasser beim Durchlaufen der nach ge¬
wissen Gruppen geordneten Dokumente darbot, mitgetheilt. Eine Verarbeitung
und Anordnung des vorgefundenen Stoffes nach allgemeineren Gesichtspunkten,
eine Ergänzung und Verbindung desselben mit anderswoher Geschöpftem lag
nur wenig in der Absicht, und auf vorhandene Geschichtswerke wird äußerst
selten Bezug genommen. Als eigentliche Aufgabe hat sich der Verfasser ge¬
stellt, nicht sowohl mit dem Buche selbst ein Werk der Geschichtsschreibung zu
liefern, als vielmehr in knapper Form eine Fülle von Material für eine
künftige historiographische Verwerthung zur Verfügung zu stellen. Einen ve-


von Arneths in Fluß gebracht sind, ein so stattlicher Strom historischer Er¬
kenntniß nach den verschiedensten Gebieten ausgeht, werden uns auch hier neue
Belehrungen gebracht. Die hier von Adolf Beer behandelte Zeit liegt mitten
inne zwischen den Partien, für welche hauptsächlich infolge der Polemik
von Vivenots u. A. gegen von Sybel und Häuser das erwähnte Archiv in
umfassendster Weise ausgebeutet ist, und derjenigen Epoche, für welche vom
gleichen Orte neuerlich durch Oncken (Oesterreich und Preußen im Befreiungs¬
kriege) so manches überraschende Licht gewonnen worden ist. Eben für die
zehn hier behandelten Jahre — für die Zeit L. Cobenzls und Franz Collo-
redos sowie für diejenige des Grafen Stadion — war die Eröffnung eines
tieferen Einblickes in das Innere der österreichischen Staatsleitung, in die Be¬
weggründe und Gesichtspunkte der österreichischen Staatsmänner, überaus
wünschenswerth. Waren wir doch bisher in Hinsicht auf diese Partie von
eigentlich österreichischen Quellen — wofern man nicht die unzuverlässige Hor-
mayrsche Denkwürdigkeiten-Literatur hierher ziehen will und sofern man das
eigentlich Kriegsgeschichtliche abrechnet — bis vor Kurzem fast gänzlich
verlassen.

Das vorliegende Werk geht nun daran, diese Lücke ausfüllen zu helfen.
Um seinen Inhalt zu bezeichnen, ist zunächst zu sagen, daß wir hier bei dem
Worte „Politik", nur an die auswärtige Politik zudenken haben. Auf das Innere,
auf Verfasfungs- und Verwaltungsweseu, fällt nur ganz gelegentlich ein Licht, haupt¬
sächlich um uns auch hier erkennen zu lassen, wie sehr in dieser österreichischen Mo¬
narchie über der Verfolgung der Machtinteressen der rechte Sinn und die rechte Sorge
für das Innere nicht aufkommen wollte — ein Mangel, der sich dann doch immer
auch in der auswärtigen Politik, sobald es galt, derselben durch positive Kraftent-
wicklung den rechten Nachdruck zu geben, auf das Empfindlichste rächte. Auch
die auswärtige Politik Oesterreichs aber wird uns hier nicht in einer Weise,
die Allseitigkeit und Abrundung anstrebte, zur Anschauung gebracht. Aus dem
reichen Schatze von Aktenstücken, welche dem Verfasser vorgelegen, wird uns der
thatsächliche Inhalt, je nachdem er Bemerkenswerthes ergab, und ungefähr in
derjenigen Folge, wie sie sich dem Verfasser beim Durchlaufen der nach ge¬
wissen Gruppen geordneten Dokumente darbot, mitgetheilt. Eine Verarbeitung
und Anordnung des vorgefundenen Stoffes nach allgemeineren Gesichtspunkten,
eine Ergänzung und Verbindung desselben mit anderswoher Geschöpftem lag
nur wenig in der Absicht, und auf vorhandene Geschichtswerke wird äußerst
selten Bezug genommen. Als eigentliche Aufgabe hat sich der Verfasser ge¬
stellt, nicht sowohl mit dem Buche selbst ein Werk der Geschichtsschreibung zu
liefern, als vielmehr in knapper Form eine Fülle von Material für eine
künftige historiographische Verwerthung zur Verfügung zu stellen. Einen ve-


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[0034] von Arneths in Fluß gebracht sind, ein so stattlicher Strom historischer Er¬ kenntniß nach den verschiedensten Gebieten ausgeht, werden uns auch hier neue Belehrungen gebracht. Die hier von Adolf Beer behandelte Zeit liegt mitten inne zwischen den Partien, für welche hauptsächlich infolge der Polemik von Vivenots u. A. gegen von Sybel und Häuser das erwähnte Archiv in umfassendster Weise ausgebeutet ist, und derjenigen Epoche, für welche vom gleichen Orte neuerlich durch Oncken (Oesterreich und Preußen im Befreiungs¬ kriege) so manches überraschende Licht gewonnen worden ist. Eben für die zehn hier behandelten Jahre — für die Zeit L. Cobenzls und Franz Collo- redos sowie für diejenige des Grafen Stadion — war die Eröffnung eines tieferen Einblickes in das Innere der österreichischen Staatsleitung, in die Be¬ weggründe und Gesichtspunkte der österreichischen Staatsmänner, überaus wünschenswerth. Waren wir doch bisher in Hinsicht auf diese Partie von eigentlich österreichischen Quellen — wofern man nicht die unzuverlässige Hor- mayrsche Denkwürdigkeiten-Literatur hierher ziehen will und sofern man das eigentlich Kriegsgeschichtliche abrechnet — bis vor Kurzem fast gänzlich verlassen. Das vorliegende Werk geht nun daran, diese Lücke ausfüllen zu helfen. Um seinen Inhalt zu bezeichnen, ist zunächst zu sagen, daß wir hier bei dem Worte „Politik", nur an die auswärtige Politik zudenken haben. Auf das Innere, auf Verfasfungs- und Verwaltungsweseu, fällt nur ganz gelegentlich ein Licht, haupt¬ sächlich um uns auch hier erkennen zu lassen, wie sehr in dieser österreichischen Mo¬ narchie über der Verfolgung der Machtinteressen der rechte Sinn und die rechte Sorge für das Innere nicht aufkommen wollte — ein Mangel, der sich dann doch immer auch in der auswärtigen Politik, sobald es galt, derselben durch positive Kraftent- wicklung den rechten Nachdruck zu geben, auf das Empfindlichste rächte. Auch die auswärtige Politik Oesterreichs aber wird uns hier nicht in einer Weise, die Allseitigkeit und Abrundung anstrebte, zur Anschauung gebracht. Aus dem reichen Schatze von Aktenstücken, welche dem Verfasser vorgelegen, wird uns der thatsächliche Inhalt, je nachdem er Bemerkenswerthes ergab, und ungefähr in derjenigen Folge, wie sie sich dem Verfasser beim Durchlaufen der nach ge¬ wissen Gruppen geordneten Dokumente darbot, mitgetheilt. Eine Verarbeitung und Anordnung des vorgefundenen Stoffes nach allgemeineren Gesichtspunkten, eine Ergänzung und Verbindung desselben mit anderswoher Geschöpftem lag nur wenig in der Absicht, und auf vorhandene Geschichtswerke wird äußerst selten Bezug genommen. Als eigentliche Aufgabe hat sich der Verfasser ge¬ stellt, nicht sowohl mit dem Buche selbst ein Werk der Geschichtsschreibung zu liefern, als vielmehr in knapper Form eine Fülle von Material für eine künftige historiographische Verwerthung zur Verfügung zu stellen. Einen ve-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/34>, abgerufen am 11.06.2024.