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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Aufeinandertreffens. Die Heerhaufen waren daher jedesmal gering; es standen
bei Döffingen auf beiden Seiten zusammen keine tausend Mann gegen einander
im Kampfe. Im Uebrigen haben die romantischen Schilderungen Uhlands die
Kriegstüchtigkeit der Bürgerschaften doch in unrichtiger Weise verherrlicht; wenn
auch waffengeübt und zum Theil kriegerisch gesinnt, kämpften sie doch im freien
Felde fast ausschließlich mit gewordenen Knechten unter oft ritterlichen An¬
führern; in ihrem Gelde lag ihre Stärke, sowie in den festen Mauern, die
anch kleinere Orte zu langem und erfolgreichen Widerstand befähigten, obwohl
das Geschütz schon seine Rolle spielte und z. B. Donaustauf unterhalb Regens¬
burg über den Fluß herüber beschossen wurde. In diesem Kriegsgetümmel
steht das Oberhaupt des Reiches, König Wenzel, rathlos da, keiner Partei
energisch wehrend oder helfend, auch nicht wie sein kluger Vater für sich per¬
sönlichen Vortheil aus dem Hader der Fürsten und Städte ziehend, im Herzen
den Neichsinteressen fremd, wenigstens sie den viel verwickelten Anforderungen
der Familienpolitik nachsetzend. Als er endlich einen Reichstag nach Eger
zur Anbahnung des Friedens berief, erklärte er charakteristisch genug: "Ob¬
gleich wir große und treffliche Sachen, die uns, unsere Brüder und unser
erbliches Land betreffen, zu bestellen haben, so wollen wir doch unsere eigenen
Angelegenheiten bei Seite lassen, damit der Verabredung gemäß der so schlimme
Krieg und Unfug in den deutschen Landen beendet und allgemeiner Nutzen,
Friede und Gnade bestellt werde." Und doch zeigt der Erfolg des Reichstages
immerhin, daß die Krone noch nicht ganz machtlos war. Der Landfriede zwar,
der beschlossen wurde, war wieder nnr ein partikularer, in seine Bestimmungen
den früheren entlehnt, auch gab sich der König wenig Mühe, sie zur That zu
machen. Dagegen'der Auflösung des Städtebundes, die er gebot, ward Ge¬
horsam geleistet. Die Verschiedenheit der lokalen Interessen unter den Städten,
die schon die Kriegführung so sehr beeinträchtigt hatte, förderte die Unterwerfung
uuter des Königs Gebot. "Der Versuch, alle süddeutschen Reichsstädte um
ein Banner zu vereinigen, war mißglückt, und er ist in dieser Weise nie mehr
wiederholt worden." Auf die weitere Gestaltung der Reichsverfassung hat das
Reichsstädtethum seitdem keinen Einfluß mehr geübt. Der Verfasser ist ent¬
schieden der Meinung, daß es schou damals keinen eigentlich fruchtbringenden
Gedanken vertreten habe, daß der Nation somit durch die Auflösung des
Städtebnndes kein Schade zugefügt worden sei. Im Uebrigen ging die Frei¬
heit der Städte mit der Auflösung ihres Bundes nicht verloren, einzeln be¬
hielt jede ihre wohlerworbenen und gesicherten Rechte, es kam auch bald wieder
zu kleineren, doch nur auf Vertheidigung und Aufrechterhaltung der Ruhe ge¬
richteten Bünden. Zäher Muth auch gegen zahlreiche Feinde ist den einzelnen
deutschen Städten noch lange verblieben.


Aufeinandertreffens. Die Heerhaufen waren daher jedesmal gering; es standen
bei Döffingen auf beiden Seiten zusammen keine tausend Mann gegen einander
im Kampfe. Im Uebrigen haben die romantischen Schilderungen Uhlands die
Kriegstüchtigkeit der Bürgerschaften doch in unrichtiger Weise verherrlicht; wenn
auch waffengeübt und zum Theil kriegerisch gesinnt, kämpften sie doch im freien
Felde fast ausschließlich mit gewordenen Knechten unter oft ritterlichen An¬
führern; in ihrem Gelde lag ihre Stärke, sowie in den festen Mauern, die
anch kleinere Orte zu langem und erfolgreichen Widerstand befähigten, obwohl
das Geschütz schon seine Rolle spielte und z. B. Donaustauf unterhalb Regens¬
burg über den Fluß herüber beschossen wurde. In diesem Kriegsgetümmel
steht das Oberhaupt des Reiches, König Wenzel, rathlos da, keiner Partei
energisch wehrend oder helfend, auch nicht wie sein kluger Vater für sich per¬
sönlichen Vortheil aus dem Hader der Fürsten und Städte ziehend, im Herzen
den Neichsinteressen fremd, wenigstens sie den viel verwickelten Anforderungen
der Familienpolitik nachsetzend. Als er endlich einen Reichstag nach Eger
zur Anbahnung des Friedens berief, erklärte er charakteristisch genug: „Ob¬
gleich wir große und treffliche Sachen, die uns, unsere Brüder und unser
erbliches Land betreffen, zu bestellen haben, so wollen wir doch unsere eigenen
Angelegenheiten bei Seite lassen, damit der Verabredung gemäß der so schlimme
Krieg und Unfug in den deutschen Landen beendet und allgemeiner Nutzen,
Friede und Gnade bestellt werde." Und doch zeigt der Erfolg des Reichstages
immerhin, daß die Krone noch nicht ganz machtlos war. Der Landfriede zwar,
der beschlossen wurde, war wieder nnr ein partikularer, in seine Bestimmungen
den früheren entlehnt, auch gab sich der König wenig Mühe, sie zur That zu
machen. Dagegen'der Auflösung des Städtebundes, die er gebot, ward Ge¬
horsam geleistet. Die Verschiedenheit der lokalen Interessen unter den Städten,
die schon die Kriegführung so sehr beeinträchtigt hatte, förderte die Unterwerfung
uuter des Königs Gebot. „Der Versuch, alle süddeutschen Reichsstädte um
ein Banner zu vereinigen, war mißglückt, und er ist in dieser Weise nie mehr
wiederholt worden." Auf die weitere Gestaltung der Reichsverfassung hat das
Reichsstädtethum seitdem keinen Einfluß mehr geübt. Der Verfasser ist ent¬
schieden der Meinung, daß es schou damals keinen eigentlich fruchtbringenden
Gedanken vertreten habe, daß der Nation somit durch die Auflösung des
Städtebnndes kein Schade zugefügt worden sei. Im Uebrigen ging die Frei¬
heit der Städte mit der Auflösung ihres Bundes nicht verloren, einzeln be¬
hielt jede ihre wohlerworbenen und gesicherten Rechte, es kam auch bald wieder
zu kleineren, doch nur auf Vertheidigung und Aufrechterhaltung der Ruhe ge¬
richteten Bünden. Zäher Muth auch gegen zahlreiche Feinde ist den einzelnen
deutschen Städten noch lange verblieben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/42>, abgerufen am 10.06.2024.