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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Opernfach 20 Personen, wozu noch 52 Choristen und Choristinnen, 72 Mit¬
glieder des Orchesters und 34 Mitglieder des Ballets kamen. Die Gesammt-
cmsgaben der Anstalt beliefen sich auf 575,020 Gulden, die Einnahme betrug
einige Hundert Gulden mehr.

Im Oktober 1875 wurde das zweite budapester ungarische Theater, das
Volkstheater, eröffnet. Um den Ban dieses Prachtgebäudes zu ermöglichen,
hatte die Stadt eine halbe Million Gulden geschenkt, zu denen aus Privat¬
spenden noch 35,000 Gulden kamen. Die Anstalt gibt nur Volksstücke, Opern,
Operetten und Spektakelstücke, darunter auch viele ausländische. Unter den
ungarischen Original-Volksstücken fand das "Falu roßza" betitelte Werk eines
vor Kurzem jung verstorbenen Autors, Eduard Tods, welches vierunddreißigmal
gegeben wurde, den meisten Anklang. Das Gesammtpersonal dieses Theaters
besteht aus 240 Individuen, unter denen sich 11 Sänger und Sängerinnen
und 13 recitirende Schauspieler und Schauspielerinnen befinden.

Ebenfalls im Jahre 1875 wurde der Bau des Opernhauses an der neuen
Radialstraße begonnen, dessen Kosten auf drei Millionen Gulden veranschlagt
sind, und welches 1879 fertig werden muß.

Außerhalb der Hauptstadt gibt es ständige ungarische Theater in Debreczin,
Arad, Stühlweißenburg, Fünfkirchen, Szegedin, Temesvar und Klausenburg,
permanente Theatergebäude auch noch an andern Orten. Ungefähr sechzig
wandernde Schauspielergesellschaften geben in den kleineren Städten des Landes
Vorstellungen in ungarischer Sprache. Stehende deutsche Bühnen gibt es in
Budapest, wo deren zwei sind, in Preßburg, Oedeuburg, Temesvar, Hermann¬
stadt und Kronstäbe. In Neusatz besteht ein serbisches und in Hermannstadt
endlich ein rumänisches Theater.

Wir überlassen es den Lesern, sich nach dem Mitgetheilten selbst ein Ur¬
theil zu bilden. Lobenswerth und erfreulich ist die Bescheidenheit, mit welcher
der Verfasser unsrer Skizze am Schlüsse derselben sagt: "Wir müssen selbst
den Schein von uns fern halten, als fühlten wir uns durch die bisher er¬
reichten Resultate unsrer angestrengten Thätigkeit befriedigt, als glaubten wir,
die Folgen der Ungunst des Schicksals, die durch Jahrhunderte auf uns lastete,
innerhalb weniger Jahre bereits verwunden und das Niveau der glücklicheren
Kulturstaaten des Westens erreicht zu haben. Den Zustünden, deren Bild wir
vor den Augen des Lesers entrollt haben, fehlt es auch an Schattenseiten nicht.
Patriotischer Enthusiasmus würde sich vergebens bemühen, einen Schleier
darüber zu breiten. Zu Vielem haben wir jetzt erst den Samen ausgestreut,
Vieles hat als zarte Pflanze kaum Wurzel gefaßt, und es ist möglich, daß es
im ungünstigen Boden verkümmern oder durch hereinbrechende Stürme ent¬
wurzelt werden wird. Indessen fühlen wir uns trotzdem zu der Hoffnung


Opernfach 20 Personen, wozu noch 52 Choristen und Choristinnen, 72 Mit¬
glieder des Orchesters und 34 Mitglieder des Ballets kamen. Die Gesammt-
cmsgaben der Anstalt beliefen sich auf 575,020 Gulden, die Einnahme betrug
einige Hundert Gulden mehr.

Im Oktober 1875 wurde das zweite budapester ungarische Theater, das
Volkstheater, eröffnet. Um den Ban dieses Prachtgebäudes zu ermöglichen,
hatte die Stadt eine halbe Million Gulden geschenkt, zu denen aus Privat¬
spenden noch 35,000 Gulden kamen. Die Anstalt gibt nur Volksstücke, Opern,
Operetten und Spektakelstücke, darunter auch viele ausländische. Unter den
ungarischen Original-Volksstücken fand das „Falu roßza" betitelte Werk eines
vor Kurzem jung verstorbenen Autors, Eduard Tods, welches vierunddreißigmal
gegeben wurde, den meisten Anklang. Das Gesammtpersonal dieses Theaters
besteht aus 240 Individuen, unter denen sich 11 Sänger und Sängerinnen
und 13 recitirende Schauspieler und Schauspielerinnen befinden.

Ebenfalls im Jahre 1875 wurde der Bau des Opernhauses an der neuen
Radialstraße begonnen, dessen Kosten auf drei Millionen Gulden veranschlagt
sind, und welches 1879 fertig werden muß.

Außerhalb der Hauptstadt gibt es ständige ungarische Theater in Debreczin,
Arad, Stühlweißenburg, Fünfkirchen, Szegedin, Temesvar und Klausenburg,
permanente Theatergebäude auch noch an andern Orten. Ungefähr sechzig
wandernde Schauspielergesellschaften geben in den kleineren Städten des Landes
Vorstellungen in ungarischer Sprache. Stehende deutsche Bühnen gibt es in
Budapest, wo deren zwei sind, in Preßburg, Oedeuburg, Temesvar, Hermann¬
stadt und Kronstäbe. In Neusatz besteht ein serbisches und in Hermannstadt
endlich ein rumänisches Theater.

Wir überlassen es den Lesern, sich nach dem Mitgetheilten selbst ein Ur¬
theil zu bilden. Lobenswerth und erfreulich ist die Bescheidenheit, mit welcher
der Verfasser unsrer Skizze am Schlüsse derselben sagt: „Wir müssen selbst
den Schein von uns fern halten, als fühlten wir uns durch die bisher er¬
reichten Resultate unsrer angestrengten Thätigkeit befriedigt, als glaubten wir,
die Folgen der Ungunst des Schicksals, die durch Jahrhunderte auf uns lastete,
innerhalb weniger Jahre bereits verwunden und das Niveau der glücklicheren
Kulturstaaten des Westens erreicht zu haben. Den Zustünden, deren Bild wir
vor den Augen des Lesers entrollt haben, fehlt es auch an Schattenseiten nicht.
Patriotischer Enthusiasmus würde sich vergebens bemühen, einen Schleier
darüber zu breiten. Zu Vielem haben wir jetzt erst den Samen ausgestreut,
Vieles hat als zarte Pflanze kaum Wurzel gefaßt, und es ist möglich, daß es
im ungünstigen Boden verkümmern oder durch hereinbrechende Stürme ent¬
wurzelt werden wird. Indessen fühlen wir uns trotzdem zu der Hoffnung


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[0428] Opernfach 20 Personen, wozu noch 52 Choristen und Choristinnen, 72 Mit¬ glieder des Orchesters und 34 Mitglieder des Ballets kamen. Die Gesammt- cmsgaben der Anstalt beliefen sich auf 575,020 Gulden, die Einnahme betrug einige Hundert Gulden mehr. Im Oktober 1875 wurde das zweite budapester ungarische Theater, das Volkstheater, eröffnet. Um den Ban dieses Prachtgebäudes zu ermöglichen, hatte die Stadt eine halbe Million Gulden geschenkt, zu denen aus Privat¬ spenden noch 35,000 Gulden kamen. Die Anstalt gibt nur Volksstücke, Opern, Operetten und Spektakelstücke, darunter auch viele ausländische. Unter den ungarischen Original-Volksstücken fand das „Falu roßza" betitelte Werk eines vor Kurzem jung verstorbenen Autors, Eduard Tods, welches vierunddreißigmal gegeben wurde, den meisten Anklang. Das Gesammtpersonal dieses Theaters besteht aus 240 Individuen, unter denen sich 11 Sänger und Sängerinnen und 13 recitirende Schauspieler und Schauspielerinnen befinden. Ebenfalls im Jahre 1875 wurde der Bau des Opernhauses an der neuen Radialstraße begonnen, dessen Kosten auf drei Millionen Gulden veranschlagt sind, und welches 1879 fertig werden muß. Außerhalb der Hauptstadt gibt es ständige ungarische Theater in Debreczin, Arad, Stühlweißenburg, Fünfkirchen, Szegedin, Temesvar und Klausenburg, permanente Theatergebäude auch noch an andern Orten. Ungefähr sechzig wandernde Schauspielergesellschaften geben in den kleineren Städten des Landes Vorstellungen in ungarischer Sprache. Stehende deutsche Bühnen gibt es in Budapest, wo deren zwei sind, in Preßburg, Oedeuburg, Temesvar, Hermann¬ stadt und Kronstäbe. In Neusatz besteht ein serbisches und in Hermannstadt endlich ein rumänisches Theater. Wir überlassen es den Lesern, sich nach dem Mitgetheilten selbst ein Ur¬ theil zu bilden. Lobenswerth und erfreulich ist die Bescheidenheit, mit welcher der Verfasser unsrer Skizze am Schlüsse derselben sagt: „Wir müssen selbst den Schein von uns fern halten, als fühlten wir uns durch die bisher er¬ reichten Resultate unsrer angestrengten Thätigkeit befriedigt, als glaubten wir, die Folgen der Ungunst des Schicksals, die durch Jahrhunderte auf uns lastete, innerhalb weniger Jahre bereits verwunden und das Niveau der glücklicheren Kulturstaaten des Westens erreicht zu haben. Den Zustünden, deren Bild wir vor den Augen des Lesers entrollt haben, fehlt es auch an Schattenseiten nicht. Patriotischer Enthusiasmus würde sich vergebens bemühen, einen Schleier darüber zu breiten. Zu Vielem haben wir jetzt erst den Samen ausgestreut, Vieles hat als zarte Pflanze kaum Wurzel gefaßt, und es ist möglich, daß es im ungünstigen Boden verkümmern oder durch hereinbrechende Stürme ent¬ wurzelt werden wird. Indessen fühlen wir uns trotzdem zu der Hoffnung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/428>, abgerufen am 17.06.2024.