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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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sehr erheblich ermäßigt werden -- schon eine jährliche Ersparniß von 146,000 Mark
repräsentiren. Vor allen Dingen aber könnten beim Fahren ganzer ge¬
schlossener Züge von Ort zu Ort bedeutende Ersparnisse an Raugir- und
Aufenthaltskosten erzielt werden, und hierfür sind die geschlossenen Kohlenzüge
der westfälischen Bahnen, resp, der von dem betreffenden Kohlenrevier an die
Nordsee führenden Bahnen schlagende Beispiele. Dort stellt sich ein Durch¬
gangstarif pro Centner und Meile noch wesentlich billiger als zu 1 Pfennig.
Es ist gewiß charakteristisch, daß man den Eisenbahnen Lieferfristen vorschreibt,
während weder für Briefe und Pakete noch für Telegramme solche bestehen,
während sie hier doch sicherlich weit eher am Platze wären.

Daher kurze Lieferfristen für wirklich dringliche Waaren und für Hauptrouten,
lange Lieferfristen für Nebenbahnen und die große Masse der Güter, und es
werden die Tarife wesentlich ermäßigt werden köunen. Bei Gütern, die auf
dem Wasserwege transportirt werden, ist die Reisezeit doch auch ohne irgend
welchen Schaden eine sehr lange, aber der Tarif ist billig und der Wasserweg
wird daher gerne gewählt. Warum also nicht auch bei den Eisenbahnen lange
Lieferfristen mit billigen Sätzen und kurze Lieferfristen mit entsprechend höhern
Sätzen einführen?

Aehnlich verhält es sich mit den Fristen der Be- und Entladung, resp,
mit denen zur Abholung der Güter und dem Bestätternngswesen. Hier sind
die Fristen aber im Allgemeinen nicht zu kurz, sondern eher zu lang. Wenn
hier die Besorgung der Güter an die Empfänger, also die Bestütterung der
Güter von den Eisenbahnen stets selbst ausgeführt würde, wie es in England
allgemein eingeführt und auch auf vielen deutschen Bahnen wenigstens fakultativ
besteht, so könnten die Güterschuppen viel schneller entleert werden, die Güter¬
böden brauchten nicht so groß zu sein. Ebenso ist es unzweckmäßig, die Be-
und Entladefristen für ganze Wagenladungen gleichmäßig zu bestimmen, ohne
Rücksicht auf die Art der Güter und die Entfernung des Adressaten von der
Station. In den meisten Fällen könnten die jetzigen Fristen von 6 Stunden
ohne Nachtheil für den Handel reduzirt werden, wenn dafür für gewisse Güter
und besonders für die weit abliegenden Empfänger gegen Zahlung eines
mäßigen Lagergeldes, die Be- und Entladefristen verlängert würden. Viel¬
leicht schafft auch hier nach hoffentlich baldiger Einführung des neuen Tarif-
schema's die weitere praktische Durchführung desselben Abhilfe.

Wenn diese Besprechungen über die berührten Eisenbahnfragen dazu bei¬
getragen haben, im weiteren Kreise der gebildeten deutschen Leserwelt zu
näherem Studium anzuregen und zur Diskussion derselben anzuspornen, so sind
die Zwecke derselben vollständig erfüllt.




sehr erheblich ermäßigt werden — schon eine jährliche Ersparniß von 146,000 Mark
repräsentiren. Vor allen Dingen aber könnten beim Fahren ganzer ge¬
schlossener Züge von Ort zu Ort bedeutende Ersparnisse an Raugir- und
Aufenthaltskosten erzielt werden, und hierfür sind die geschlossenen Kohlenzüge
der westfälischen Bahnen, resp, der von dem betreffenden Kohlenrevier an die
Nordsee führenden Bahnen schlagende Beispiele. Dort stellt sich ein Durch¬
gangstarif pro Centner und Meile noch wesentlich billiger als zu 1 Pfennig.
Es ist gewiß charakteristisch, daß man den Eisenbahnen Lieferfristen vorschreibt,
während weder für Briefe und Pakete noch für Telegramme solche bestehen,
während sie hier doch sicherlich weit eher am Platze wären.

Daher kurze Lieferfristen für wirklich dringliche Waaren und für Hauptrouten,
lange Lieferfristen für Nebenbahnen und die große Masse der Güter, und es
werden die Tarife wesentlich ermäßigt werden köunen. Bei Gütern, die auf
dem Wasserwege transportirt werden, ist die Reisezeit doch auch ohne irgend
welchen Schaden eine sehr lange, aber der Tarif ist billig und der Wasserweg
wird daher gerne gewählt. Warum also nicht auch bei den Eisenbahnen lange
Lieferfristen mit billigen Sätzen und kurze Lieferfristen mit entsprechend höhern
Sätzen einführen?

Aehnlich verhält es sich mit den Fristen der Be- und Entladung, resp,
mit denen zur Abholung der Güter und dem Bestätternngswesen. Hier sind
die Fristen aber im Allgemeinen nicht zu kurz, sondern eher zu lang. Wenn
hier die Besorgung der Güter an die Empfänger, also die Bestütterung der
Güter von den Eisenbahnen stets selbst ausgeführt würde, wie es in England
allgemein eingeführt und auch auf vielen deutschen Bahnen wenigstens fakultativ
besteht, so könnten die Güterschuppen viel schneller entleert werden, die Güter¬
böden brauchten nicht so groß zu sein. Ebenso ist es unzweckmäßig, die Be-
und Entladefristen für ganze Wagenladungen gleichmäßig zu bestimmen, ohne
Rücksicht auf die Art der Güter und die Entfernung des Adressaten von der
Station. In den meisten Fällen könnten die jetzigen Fristen von 6 Stunden
ohne Nachtheil für den Handel reduzirt werden, wenn dafür für gewisse Güter
und besonders für die weit abliegenden Empfänger gegen Zahlung eines
mäßigen Lagergeldes, die Be- und Entladefristen verlängert würden. Viel¬
leicht schafft auch hier nach hoffentlich baldiger Einführung des neuen Tarif-
schema's die weitere praktische Durchführung desselben Abhilfe.

Wenn diese Besprechungen über die berührten Eisenbahnfragen dazu bei¬
getragen haben, im weiteren Kreise der gebildeten deutschen Leserwelt zu
näherem Studium anzuregen und zur Diskussion derselben anzuspornen, so sind
die Zwecke derselben vollständig erfüllt.




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[0438] sehr erheblich ermäßigt werden — schon eine jährliche Ersparniß von 146,000 Mark repräsentiren. Vor allen Dingen aber könnten beim Fahren ganzer ge¬ schlossener Züge von Ort zu Ort bedeutende Ersparnisse an Raugir- und Aufenthaltskosten erzielt werden, und hierfür sind die geschlossenen Kohlenzüge der westfälischen Bahnen, resp, der von dem betreffenden Kohlenrevier an die Nordsee führenden Bahnen schlagende Beispiele. Dort stellt sich ein Durch¬ gangstarif pro Centner und Meile noch wesentlich billiger als zu 1 Pfennig. Es ist gewiß charakteristisch, daß man den Eisenbahnen Lieferfristen vorschreibt, während weder für Briefe und Pakete noch für Telegramme solche bestehen, während sie hier doch sicherlich weit eher am Platze wären. Daher kurze Lieferfristen für wirklich dringliche Waaren und für Hauptrouten, lange Lieferfristen für Nebenbahnen und die große Masse der Güter, und es werden die Tarife wesentlich ermäßigt werden köunen. Bei Gütern, die auf dem Wasserwege transportirt werden, ist die Reisezeit doch auch ohne irgend welchen Schaden eine sehr lange, aber der Tarif ist billig und der Wasserweg wird daher gerne gewählt. Warum also nicht auch bei den Eisenbahnen lange Lieferfristen mit billigen Sätzen und kurze Lieferfristen mit entsprechend höhern Sätzen einführen? Aehnlich verhält es sich mit den Fristen der Be- und Entladung, resp, mit denen zur Abholung der Güter und dem Bestätternngswesen. Hier sind die Fristen aber im Allgemeinen nicht zu kurz, sondern eher zu lang. Wenn hier die Besorgung der Güter an die Empfänger, also die Bestütterung der Güter von den Eisenbahnen stets selbst ausgeführt würde, wie es in England allgemein eingeführt und auch auf vielen deutschen Bahnen wenigstens fakultativ besteht, so könnten die Güterschuppen viel schneller entleert werden, die Güter¬ böden brauchten nicht so groß zu sein. Ebenso ist es unzweckmäßig, die Be- und Entladefristen für ganze Wagenladungen gleichmäßig zu bestimmen, ohne Rücksicht auf die Art der Güter und die Entfernung des Adressaten von der Station. In den meisten Fällen könnten die jetzigen Fristen von 6 Stunden ohne Nachtheil für den Handel reduzirt werden, wenn dafür für gewisse Güter und besonders für die weit abliegenden Empfänger gegen Zahlung eines mäßigen Lagergeldes, die Be- und Entladefristen verlängert würden. Viel¬ leicht schafft auch hier nach hoffentlich baldiger Einführung des neuen Tarif- schema's die weitere praktische Durchführung desselben Abhilfe. Wenn diese Besprechungen über die berührten Eisenbahnfragen dazu bei¬ getragen haben, im weiteren Kreise der gebildeten deutschen Leserwelt zu näherem Studium anzuregen und zur Diskussion derselben anzuspornen, so sind die Zwecke derselben vollständig erfüllt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/438>, abgerufen am 17.06.2024.