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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Handel und Wandel auf das Land selbst beschränken sollten. Sieht man von
den Schöpfungen ab, welche auf die öffentliche Sicherheit hinzielten, -- wo¬
hin ein Duellmandat, die Gründung eines fliegenden Gendarmeriekorps von
ausrangirten Leuten, die Verbesserung des Zucht- und Waisenhauses und die
Errichtung eines Landschaftskollegs zu rechnen sind -- so ergeben sich als
wirklich bleibende Gesetze der Regierung Ernst Augusts nur eine Ehe- und eine
Vormundschaftsvrdnung, -- die natürlich, wie fast alle Gesetze, ohne Beirath
der Stände ins Leben traten -- ferner das Primogenitnrgesetz und die beste
Leistung, die seiner Initiative zu verdanken ist, -- die Einführung eines gleichen
Maßes und Gewichtes für das ganze weimarische Land. -- Wenn der Herzog
sich besonders viel aus das weimarische Gymnasium einbildete und dessen
Hebung als sein Werk pries, so dürfen wir bis auf weiteres an der Vorzüglichkeit
der Anstalt zweifeln, denn selbst die Landstände klagten laut über die gänzliche
Verrottung der Gymnasialjugend. Und welche soziale Stellung die berühmten
^ymnasialdirektoren und Professoren des Herzogs in Weimar einnahmen, er¬
hellt am besten daraus, daß der Gymnasialprofessor, trotz seines hohen Berufs,
"n Range noch unter dem Hostrompeter stand und diese Stellung auch noch
^'ge behauptete. --

Die Initiative der Landstände war aus den schon angeführten Gründen
^'ehe glänzend. Es fehlte durchaus an einer reformatorischen Kraft, die den
Gebrechen zu Leibe ging. In vollen zwanzig Jahren erhoben die Vertreter
der Landesinteressen keine weitere Vorstellung über mangelnde Gesetze, als einige
^bcirinliche Klagen über das Ueberhandnehmen der Sperlinge und Raupen,
über den Unterschleif in Mühlen, das schädigende Flachsrösten, das Zurückhalten
der Privilegien und Lehnbriefe nach vorgängiger Entrichtung der hohen Taxen;
^ drängten zur Bezahlung der Auslösungskosten, die man den Vasallen in
^lge Erscheinens in Weimar bei außerordentlichen Fällen schuldete; aber
^rgends gab es einen Tadel, daß die weimarische Regierung falsch gerechnet
"ud aus der Bewirthschaftung des Grundeigenthums bei weitem nicht das
^Ziele habe, was nach mäßigen Erfcchruugen möglich sei. Wichtiger war, daß
die Stände die Einführung der Vormundschaftsordnung, den Freihandel, "die
^ele des Commerciums", wie sie denselben nannten, dann die Verbesserung
des Schulwesens betonten. Aber ein tieferer Einblick in das Getriebe des
^nveränen Staates war kaum möglich; man griff nur die auf der Hand
"egenden Gebrechen heraus. Alles Uebrige verbot sich von selbst. Mit ihrem
^alde standen die Stände dem Herzog kräftig bei, sobald er gefordert war, aber
dieser Rath beharrte immer auf dem Verlangen einer Einschränkung des Mili-
iärwesens und darauf hinzielender Einrichtungen. Freimüthig war ihre Haltung
w Sachen des Gewerbewesens und des Handels; denn das war ein Gebiet,


Handel und Wandel auf das Land selbst beschränken sollten. Sieht man von
den Schöpfungen ab, welche auf die öffentliche Sicherheit hinzielten, — wo¬
hin ein Duellmandat, die Gründung eines fliegenden Gendarmeriekorps von
ausrangirten Leuten, die Verbesserung des Zucht- und Waisenhauses und die
Errichtung eines Landschaftskollegs zu rechnen sind — so ergeben sich als
wirklich bleibende Gesetze der Regierung Ernst Augusts nur eine Ehe- und eine
Vormundschaftsvrdnung, — die natürlich, wie fast alle Gesetze, ohne Beirath
der Stände ins Leben traten — ferner das Primogenitnrgesetz und die beste
Leistung, die seiner Initiative zu verdanken ist, — die Einführung eines gleichen
Maßes und Gewichtes für das ganze weimarische Land. — Wenn der Herzog
sich besonders viel aus das weimarische Gymnasium einbildete und dessen
Hebung als sein Werk pries, so dürfen wir bis auf weiteres an der Vorzüglichkeit
der Anstalt zweifeln, denn selbst die Landstände klagten laut über die gänzliche
Verrottung der Gymnasialjugend. Und welche soziale Stellung die berühmten
^ymnasialdirektoren und Professoren des Herzogs in Weimar einnahmen, er¬
hellt am besten daraus, daß der Gymnasialprofessor, trotz seines hohen Berufs,
"n Range noch unter dem Hostrompeter stand und diese Stellung auch noch
^'ge behauptete. —

Die Initiative der Landstände war aus den schon angeführten Gründen
^'ehe glänzend. Es fehlte durchaus an einer reformatorischen Kraft, die den
Gebrechen zu Leibe ging. In vollen zwanzig Jahren erhoben die Vertreter
der Landesinteressen keine weitere Vorstellung über mangelnde Gesetze, als einige
^bcirinliche Klagen über das Ueberhandnehmen der Sperlinge und Raupen,
über den Unterschleif in Mühlen, das schädigende Flachsrösten, das Zurückhalten
der Privilegien und Lehnbriefe nach vorgängiger Entrichtung der hohen Taxen;
^ drängten zur Bezahlung der Auslösungskosten, die man den Vasallen in
^lge Erscheinens in Weimar bei außerordentlichen Fällen schuldete; aber
^rgends gab es einen Tadel, daß die weimarische Regierung falsch gerechnet
"ud aus der Bewirthschaftung des Grundeigenthums bei weitem nicht das
^Ziele habe, was nach mäßigen Erfcchruugen möglich sei. Wichtiger war, daß
die Stände die Einführung der Vormundschaftsordnung, den Freihandel, „die
^ele des Commerciums", wie sie denselben nannten, dann die Verbesserung
des Schulwesens betonten. Aber ein tieferer Einblick in das Getriebe des
^nveränen Staates war kaum möglich; man griff nur die auf der Hand
"egenden Gebrechen heraus. Alles Uebrige verbot sich von selbst. Mit ihrem
^alde standen die Stände dem Herzog kräftig bei, sobald er gefordert war, aber
dieser Rath beharrte immer auf dem Verlangen einer Einschränkung des Mili-
iärwesens und darauf hinzielender Einrichtungen. Freimüthig war ihre Haltung
w Sachen des Gewerbewesens und des Handels; denn das war ein Gebiet,


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[0099] Handel und Wandel auf das Land selbst beschränken sollten. Sieht man von den Schöpfungen ab, welche auf die öffentliche Sicherheit hinzielten, — wo¬ hin ein Duellmandat, die Gründung eines fliegenden Gendarmeriekorps von ausrangirten Leuten, die Verbesserung des Zucht- und Waisenhauses und die Errichtung eines Landschaftskollegs zu rechnen sind — so ergeben sich als wirklich bleibende Gesetze der Regierung Ernst Augusts nur eine Ehe- und eine Vormundschaftsvrdnung, — die natürlich, wie fast alle Gesetze, ohne Beirath der Stände ins Leben traten — ferner das Primogenitnrgesetz und die beste Leistung, die seiner Initiative zu verdanken ist, — die Einführung eines gleichen Maßes und Gewichtes für das ganze weimarische Land. — Wenn der Herzog sich besonders viel aus das weimarische Gymnasium einbildete und dessen Hebung als sein Werk pries, so dürfen wir bis auf weiteres an der Vorzüglichkeit der Anstalt zweifeln, denn selbst die Landstände klagten laut über die gänzliche Verrottung der Gymnasialjugend. Und welche soziale Stellung die berühmten ^ymnasialdirektoren und Professoren des Herzogs in Weimar einnahmen, er¬ hellt am besten daraus, daß der Gymnasialprofessor, trotz seines hohen Berufs, "n Range noch unter dem Hostrompeter stand und diese Stellung auch noch ^'ge behauptete. — Die Initiative der Landstände war aus den schon angeführten Gründen ^'ehe glänzend. Es fehlte durchaus an einer reformatorischen Kraft, die den Gebrechen zu Leibe ging. In vollen zwanzig Jahren erhoben die Vertreter der Landesinteressen keine weitere Vorstellung über mangelnde Gesetze, als einige ^bcirinliche Klagen über das Ueberhandnehmen der Sperlinge und Raupen, über den Unterschleif in Mühlen, das schädigende Flachsrösten, das Zurückhalten der Privilegien und Lehnbriefe nach vorgängiger Entrichtung der hohen Taxen; ^ drängten zur Bezahlung der Auslösungskosten, die man den Vasallen in ^lge Erscheinens in Weimar bei außerordentlichen Fällen schuldete; aber ^rgends gab es einen Tadel, daß die weimarische Regierung falsch gerechnet "ud aus der Bewirthschaftung des Grundeigenthums bei weitem nicht das ^Ziele habe, was nach mäßigen Erfcchruugen möglich sei. Wichtiger war, daß die Stände die Einführung der Vormundschaftsordnung, den Freihandel, „die ^ele des Commerciums", wie sie denselben nannten, dann die Verbesserung des Schulwesens betonten. Aber ein tieferer Einblick in das Getriebe des ^nveränen Staates war kaum möglich; man griff nur die auf der Hand "egenden Gebrechen heraus. Alles Uebrige verbot sich von selbst. Mit ihrem ^alde standen die Stände dem Herzog kräftig bei, sobald er gefordert war, aber dieser Rath beharrte immer auf dem Verlangen einer Einschränkung des Mili- iärwesens und darauf hinzielender Einrichtungen. Freimüthig war ihre Haltung w Sachen des Gewerbewesens und des Handels; denn das war ein Gebiet,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/99>, abgerufen am 17.06.2024.