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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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zurückgelegten 24. auf das zurückgelegte 21. Lebensjahr ist gerechtfertigt, ja sie
ist geboten und kann keinerlei Bedenken begegnen.


Zu Ziffer 3.

Die projektirte Gesetzesänderung beabsichtigt zunächst, den
Kreis der unter die Bestimmung des s 29 fallenden Personen zu erweitern,
oben sie zu den "Personen, welche im Gesiudedienst stehen, Gesellen, Ge¬
werbegehilfen, Lehrlinge", noch die "Fabrikarbeiter, land- und forstwirtschaft¬
lichen Arbeiter" hinzunehmen will. Zweifellos richtig bemerken die "Motive",
daß die inneren Gründe, welche die Aufnahme der Vorschrift veranlaßt haben,
bei anderen, als den in Z 29 aufgeführten vier Kategorien gewerblicher Arbeiter,
insbesondere bei den Fabrikarbeitern, in vielleicht noch stärkerem Grade zu¬
messen. "Diese Arbeitsklasse pflegt ihren Aufenthalt am schnellsten zu wechseln
und Erkrankungen am meisten ausgesetzt zu sein. Wegen der Kurkosten für
Fabrikarbeiter, die des reichlicheren Verdienstes wegen die Heimath verlassen
haben, werden denn anch die Heimathgemeinden besonders häufig und in einem
°se drückenden Maße in Anspruch genommen." Nach der Rechtsprechung des
Bundesamtes für das Heimathwesen sind nur "technisch geschulte", nicht aber
"gewöhnliche" Fabrikarbeiter zu den Gewerbegehilfen zu rechnen, und es ent¬
eilen demnach diese letzteren so wenig wie die land- und forstwirtschaftlichen
Arbeiter unter die Bestimmung des 8 29. Daß dies dein Sinn und der Ab¬
sicht des Gesetzes nicht entsprechend ist, bedarf nach dem, was oben über die
inneren Gründe der Vorschrift gesagt ist, keines Nachweises. Soweit wir be¬
achtet haben, wird die in Aussicht genommene Gesetzesänderung, welche nament¬
lich auch mit einem Schlage eine Unsumme von spitzfindigen Jnterpretirnugs-
kiinsten kalt stellen und viele Streitigkeiten verhüten wird, auch allgemein als
^ne wirkliche Gesetzesverbessernng begrüßt.

Die zweite in Aussicht genommene Aenderung betrifft die Frist, während
welcher der Dienst- bezw. Arbeitsort die Verpflegung zu leisten hat. Dieselbe
5oll von sechs Wochen auf die Dauer von drei Monaten erstreckt werden, da,
'vie die "Motive" besagen, durch die bisherige Fristbestimmung die zahlreichen
Fälle einer die Erwerbsfähigkeit zwar nicht dauernd beeinträchtigenden, aber
^nger als sechs Wochen dauernden Erkrankung ausgeschlossen sind. Dazu
wird bemerkt, wie solche Erweiterung eine übermäßige Belastung der großen
Städte und der Industriellezirke nicht zur Folge haben werde, weil es sich nur
no. die Regelung der öffentlichen Unterstützungspflicht handle, wobei privat-
rechtliche Verbindlichkeiten der Dienstherrschaften und der gewerblichen HMs-
kassen daneben in erster Linie bestehen bleiben (R.-U.-W.-G. W ^1 und b2).
Wir haben hierüber schon oben das Nähere bemerkt dahin, daß anch wir ans
den eben angedeuteten Gründen eine Ueberlastung der Städte und der ^ndu-
striebezirke als nicht zu gewärtigend erachten, wenigstens dann acht, wenn die


Grenzboten IV. 1877.

zurückgelegten 24. auf das zurückgelegte 21. Lebensjahr ist gerechtfertigt, ja sie
ist geboten und kann keinerlei Bedenken begegnen.


Zu Ziffer 3.

Die projektirte Gesetzesänderung beabsichtigt zunächst, den
Kreis der unter die Bestimmung des s 29 fallenden Personen zu erweitern,
oben sie zu den „Personen, welche im Gesiudedienst stehen, Gesellen, Ge¬
werbegehilfen, Lehrlinge", noch die „Fabrikarbeiter, land- und forstwirtschaft¬
lichen Arbeiter" hinzunehmen will. Zweifellos richtig bemerken die „Motive",
daß die inneren Gründe, welche die Aufnahme der Vorschrift veranlaßt haben,
bei anderen, als den in Z 29 aufgeführten vier Kategorien gewerblicher Arbeiter,
insbesondere bei den Fabrikarbeitern, in vielleicht noch stärkerem Grade zu¬
messen. „Diese Arbeitsklasse pflegt ihren Aufenthalt am schnellsten zu wechseln
und Erkrankungen am meisten ausgesetzt zu sein. Wegen der Kurkosten für
Fabrikarbeiter, die des reichlicheren Verdienstes wegen die Heimath verlassen
haben, werden denn anch die Heimathgemeinden besonders häufig und in einem
°se drückenden Maße in Anspruch genommen." Nach der Rechtsprechung des
Bundesamtes für das Heimathwesen sind nur „technisch geschulte", nicht aber
"gewöhnliche" Fabrikarbeiter zu den Gewerbegehilfen zu rechnen, und es ent¬
eilen demnach diese letzteren so wenig wie die land- und forstwirtschaftlichen
Arbeiter unter die Bestimmung des 8 29. Daß dies dein Sinn und der Ab¬
sicht des Gesetzes nicht entsprechend ist, bedarf nach dem, was oben über die
inneren Gründe der Vorschrift gesagt ist, keines Nachweises. Soweit wir be¬
achtet haben, wird die in Aussicht genommene Gesetzesänderung, welche nament¬
lich auch mit einem Schlage eine Unsumme von spitzfindigen Jnterpretirnugs-
kiinsten kalt stellen und viele Streitigkeiten verhüten wird, auch allgemein als
^ne wirkliche Gesetzesverbessernng begrüßt.

Die zweite in Aussicht genommene Aenderung betrifft die Frist, während
welcher der Dienst- bezw. Arbeitsort die Verpflegung zu leisten hat. Dieselbe
5oll von sechs Wochen auf die Dauer von drei Monaten erstreckt werden, da,
'vie die „Motive" besagen, durch die bisherige Fristbestimmung die zahlreichen
Fälle einer die Erwerbsfähigkeit zwar nicht dauernd beeinträchtigenden, aber
^nger als sechs Wochen dauernden Erkrankung ausgeschlossen sind. Dazu
wird bemerkt, wie solche Erweiterung eine übermäßige Belastung der großen
Städte und der Industriellezirke nicht zur Folge haben werde, weil es sich nur
no. die Regelung der öffentlichen Unterstützungspflicht handle, wobei privat-
rechtliche Verbindlichkeiten der Dienstherrschaften und der gewerblichen HMs-
kassen daneben in erster Linie bestehen bleiben (R.-U.-W.-G. W ^1 und b2).
Wir haben hierüber schon oben das Nähere bemerkt dahin, daß anch wir ans
den eben angedeuteten Gründen eine Ueberlastung der Städte und der ^ndu-
striebezirke als nicht zu gewärtigend erachten, wenigstens dann acht, wenn die


Grenzboten IV. 1877.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/109>, abgerufen am 18.05.2024.