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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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gelungen, die uns Deutsche" bisher ganz entgangen war. Unser Franzose
ernennt nämlich den Herrn Professor ganz gemüthlich zum Mitarbeiter in der
historischen Abtheilung des großen Generalstabes in Berlin, der als Avantgarde
des Feldmarschall Graf Moltke zu allererst jene" ungerechten und hinterlistigen
Krieg gegen das harmlose, stillvergnügte Frankreich begonnen hat. -- In seinem
Aufsatz: VeroinZotorix vt Is, Crimls an tsmps <1" l-v vovquöto romzunk, im
2.3. Heft der Revue Ach clsnx mis>mal6-! sagt Herr Reville wörtlich: "Professor
Mommsen zeigt in seiner Geschichte des römischen Reiches wenig Sympathie
für die gallische Nation. Er urtheilt über dieselbe mit der andersten Strenge;
seiner Ansicht uach hat dies Volk in manchen Beziehungen eine unnatürlich
frühreife Entwickelung gezeigt, welche naturgemäß ein frühzeitiges Sinken der
Volkskraft verursachte, in Folge seiner Mängel und Laster. Wenn mau
Mommsen liest, so ist die Eroberung durch die Römer das "?ini8 Onlli-ro"
gewesen, in des Wortes vollster Bedeutung, Wir sind nnn gerade entgegen¬
gesetzter Meinung, wir behaupten nun erst recht: das heutige Frankreich ist
ganz und gar in seinen Grundzügen das alte Gallien, nnr äußerlich umge¬
formt durch die neue Zeit. Wenn nur hieran bisher gezweifelt hätten, so
würden die Ausführungen des ebenso gelehrten als parteiisch gesinnten Ge¬
schichtsforschers diese Zweifel durchaus beseitigt haben, denn so viel steht fest:
indem er die von seinein Lieblingshelden Cäsar besiegten Gallier so schroff be¬
urtheilt, hat er die heutigen Franzosen vor Augen. Er verschafft sich die
wissenschaftliche Genugthuung (In, SÄtislaction 8(n'ent.illa.no) uns unter die
Wucht seiner Verachtung zu beugen, indem er doppelt so stark auf unsere
armen Vorfahren losschlägt. -- Und doch lag damals der Krieg von 1870
noch unter dein Schleier der Zukunft! Eine gewisse Anzahl von (deutscheu)
Professoren aber hatte ihn bereits an Frankreich erklärt. Daß nur von uns
selbst eine so hohe Meinung hatten, erschien ihnen unerträglich, und die deutsche
Bescheidenheit fühlte sich berufen, uns zu unserem eignen Besten den Stand¬
punkt klar zu machen!"

Natürlich, die Sache ist ganz klar! Jeder Franzose muß das eiuseheiu
erst der selige Professor Daniel in Halle, in seinem "kleinen Daniel" auf dem
Gebiet der Geographie! Der vergiftet die Gemüther der deutschen Sevtaner
und Quiutaner durch gewaltsame Ausdehnung der deutschen Tiefebene bis
Jütland und Holland. Sind so die jungen Gemüther zwischen Brnmmkreisel-
spielen und Vespersemmel mit wüthendem Eroberungsdnrst erfüllt worden, so
schlägt andererseits Professor Mommsen auf die hochseligen Gallier mit ver¬
doppelten Schlägen los (i>t>Mki,ni ^ enni>8 i'sctonMs) und tränkt so die Seelen
wissensdnrstiger Jünglinge und Männer mit der Verachtung eines harmlosen
Nachbarvolkes Es ist die reine ProfessoreuverschN'örung gegen das arme


gelungen, die uns Deutsche» bisher ganz entgangen war. Unser Franzose
ernennt nämlich den Herrn Professor ganz gemüthlich zum Mitarbeiter in der
historischen Abtheilung des großen Generalstabes in Berlin, der als Avantgarde
des Feldmarschall Graf Moltke zu allererst jene» ungerechten und hinterlistigen
Krieg gegen das harmlose, stillvergnügte Frankreich begonnen hat. — In seinem
Aufsatz: VeroinZotorix vt Is, Crimls an tsmps <1« l-v vovquöto romzunk, im
2.3. Heft der Revue Ach clsnx mis>mal6-! sagt Herr Reville wörtlich: „Professor
Mommsen zeigt in seiner Geschichte des römischen Reiches wenig Sympathie
für die gallische Nation. Er urtheilt über dieselbe mit der andersten Strenge;
seiner Ansicht uach hat dies Volk in manchen Beziehungen eine unnatürlich
frühreife Entwickelung gezeigt, welche naturgemäß ein frühzeitiges Sinken der
Volkskraft verursachte, in Folge seiner Mängel und Laster. Wenn mau
Mommsen liest, so ist die Eroberung durch die Römer das „?ini8 Onlli-ro"
gewesen, in des Wortes vollster Bedeutung, Wir sind nnn gerade entgegen¬
gesetzter Meinung, wir behaupten nun erst recht: das heutige Frankreich ist
ganz und gar in seinen Grundzügen das alte Gallien, nnr äußerlich umge¬
formt durch die neue Zeit. Wenn nur hieran bisher gezweifelt hätten, so
würden die Ausführungen des ebenso gelehrten als parteiisch gesinnten Ge¬
schichtsforschers diese Zweifel durchaus beseitigt haben, denn so viel steht fest:
indem er die von seinein Lieblingshelden Cäsar besiegten Gallier so schroff be¬
urtheilt, hat er die heutigen Franzosen vor Augen. Er verschafft sich die
wissenschaftliche Genugthuung (In, SÄtislaction 8(n'ent.illa.no) uns unter die
Wucht seiner Verachtung zu beugen, indem er doppelt so stark auf unsere
armen Vorfahren losschlägt. — Und doch lag damals der Krieg von 1870
noch unter dein Schleier der Zukunft! Eine gewisse Anzahl von (deutscheu)
Professoren aber hatte ihn bereits an Frankreich erklärt. Daß nur von uns
selbst eine so hohe Meinung hatten, erschien ihnen unerträglich, und die deutsche
Bescheidenheit fühlte sich berufen, uns zu unserem eignen Besten den Stand¬
punkt klar zu machen!"

Natürlich, die Sache ist ganz klar! Jeder Franzose muß das eiuseheiu
erst der selige Professor Daniel in Halle, in seinem „kleinen Daniel" auf dem
Gebiet der Geographie! Der vergiftet die Gemüther der deutschen Sevtaner
und Quiutaner durch gewaltsame Ausdehnung der deutschen Tiefebene bis
Jütland und Holland. Sind so die jungen Gemüther zwischen Brnmmkreisel-
spielen und Vespersemmel mit wüthendem Eroberungsdnrst erfüllt worden, so
schlägt andererseits Professor Mommsen auf die hochseligen Gallier mit ver¬
doppelten Schlägen los (i>t>Mki,ni ^ enni>8 i'sctonMs) und tränkt so die Seelen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/272>, abgerufen am 18.05.2024.