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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Steigerung oder Veredlung auf einer bestimmten Stufe auch nur zu erhalten.
Ueberdies hat die Beobachtung gezeigt, daß auch dieses nur uuter Bedingungen
stattfindet, welche in der Natur nicht vorkommen, nur dann nämlich, wenn die
Kreuzung der in bestimmter Richtung veränderten Individuen einer Art mit
andern derselben Art, welche diese Veränderung nicht zeigen, sorgfältig verhin¬
dert wird. Die Unmöglichkeit, daß uns diese Weise der Zufall die Arten er¬
zeugt habe, läßt sich nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung prüfen.
Wenn man annimmt, daß dieselbe Abänderung uuter je hundert Individuen
derselben Art gleichzeitig bei vier Individuen, und zwar zwei Paaren auftrete,
und daß sich die Zahl der Individuen bei jeder Generation selbst um das
Hundertfache vermehre, so berechnet sich daraus, daß die Wahrscheinlichkeit,
wonach der Abänderungscharakter in der ersten Generation, bei den Kindern,
durch Kreuzung noch unverändert, als "Vollblut" existirt, gleich 16 ist, in der
zweiten, bei den Enkeln, aber nur 2,56, in der dritten, bei den Urenkeln,
0,0000655, in der vierten Generation gar nur 0,00000000000000429. In
der fünften und sechsten Generation steigert sich die UnWahrscheinlichkeit schon
so, daß man es bereits hier als geradezu unmöglich bezeichnen kann, daß sich
noch ein Individuum mit dieser anfänglichen Veränderung zeigt, und wo
bleibt da Darwin, wenn er eine unendlich große Anzahl von Generationen
als zur Bildung einer neuen Art durch Summirung dieser Abänderungen
verlangt?

Der Verfasser hat hiermit unsrer Meinung uach mit Evidenz dargethan,
daß sich die Arten der jetzigen Schöpfungsperiode, soweit wir sie beobachten
konnten, konstant erhalten haben, daß ferner die Veränderungen, welche an ver¬
schiedenen Individuen derselben Art auftreten, sich innerhalb bestimmter
Grenzen halten, und daß endlich die Entstehung neuer Arten oder Gattungen
in der gegenwärtigen Zeit niemals beobachtet worden ist. Gleich schlagend
werden von ihm weiterhin die übrigen Behauptungen der Darwinschen Schule
widerlegt. Wir köunen ihm dabei nicht folgen. Dagegen geben wir noch einige
Auszüge aus dem Kapitel, in welchem er das Alter und die Abstammung des
Menschengeschlechts bespricht.

Noch vor wenigen Jahren hat man ziemlich allgemein geglaubt dem
Menschengeschlecht ein sehr hohes Alter zuschreiben zu dürfen. Es geschah
dies unter dem Eindrucke der Thatsache, daß man Spuren menschlicher Thätig¬
keit neben Resten von Mammuthen, Höhlenlöwen und andern ausgestorbnen
Thieren fand, deren Verschwinden man einer großen Erdkatastrophe zuschrieb.
Eine genauere Prüfung aber ergibt, daß wir keinen Grund haben, die Zeit,
in welcher der Mensch in Westeuropa auftrat (von andern Ländern wissen
wir in dieser Hinsicht so gut wie nichts), so weit zurück zu datiren, und jetzt


Steigerung oder Veredlung auf einer bestimmten Stufe auch nur zu erhalten.
Ueberdies hat die Beobachtung gezeigt, daß auch dieses nur uuter Bedingungen
stattfindet, welche in der Natur nicht vorkommen, nur dann nämlich, wenn die
Kreuzung der in bestimmter Richtung veränderten Individuen einer Art mit
andern derselben Art, welche diese Veränderung nicht zeigen, sorgfältig verhin¬
dert wird. Die Unmöglichkeit, daß uns diese Weise der Zufall die Arten er¬
zeugt habe, läßt sich nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung prüfen.
Wenn man annimmt, daß dieselbe Abänderung uuter je hundert Individuen
derselben Art gleichzeitig bei vier Individuen, und zwar zwei Paaren auftrete,
und daß sich die Zahl der Individuen bei jeder Generation selbst um das
Hundertfache vermehre, so berechnet sich daraus, daß die Wahrscheinlichkeit,
wonach der Abänderungscharakter in der ersten Generation, bei den Kindern,
durch Kreuzung noch unverändert, als „Vollblut" existirt, gleich 16 ist, in der
zweiten, bei den Enkeln, aber nur 2,56, in der dritten, bei den Urenkeln,
0,0000655, in der vierten Generation gar nur 0,00000000000000429. In
der fünften und sechsten Generation steigert sich die UnWahrscheinlichkeit schon
so, daß man es bereits hier als geradezu unmöglich bezeichnen kann, daß sich
noch ein Individuum mit dieser anfänglichen Veränderung zeigt, und wo
bleibt da Darwin, wenn er eine unendlich große Anzahl von Generationen
als zur Bildung einer neuen Art durch Summirung dieser Abänderungen
verlangt?

Der Verfasser hat hiermit unsrer Meinung uach mit Evidenz dargethan,
daß sich die Arten der jetzigen Schöpfungsperiode, soweit wir sie beobachten
konnten, konstant erhalten haben, daß ferner die Veränderungen, welche an ver¬
schiedenen Individuen derselben Art auftreten, sich innerhalb bestimmter
Grenzen halten, und daß endlich die Entstehung neuer Arten oder Gattungen
in der gegenwärtigen Zeit niemals beobachtet worden ist. Gleich schlagend
werden von ihm weiterhin die übrigen Behauptungen der Darwinschen Schule
widerlegt. Wir köunen ihm dabei nicht folgen. Dagegen geben wir noch einige
Auszüge aus dem Kapitel, in welchem er das Alter und die Abstammung des
Menschengeschlechts bespricht.

Noch vor wenigen Jahren hat man ziemlich allgemein geglaubt dem
Menschengeschlecht ein sehr hohes Alter zuschreiben zu dürfen. Es geschah
dies unter dem Eindrucke der Thatsache, daß man Spuren menschlicher Thätig¬
keit neben Resten von Mammuthen, Höhlenlöwen und andern ausgestorbnen
Thieren fand, deren Verschwinden man einer großen Erdkatastrophe zuschrieb.
Eine genauere Prüfung aber ergibt, daß wir keinen Grund haben, die Zeit,
in welcher der Mensch in Westeuropa auftrat (von andern Ländern wissen
wir in dieser Hinsicht so gut wie nichts), so weit zurück zu datiren, und jetzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/18>, abgerufen am 20.05.2024.