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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Me Herrlichkeit Knipljausen und die gräflich
Jentincksche Aurgnnlice.
i.

Während das neue deutsche Reich seine Einigkeit, seine Macht und Stärke
zunächst durch die Schärfe des Schwertes wiedergewonnen hat, während die
deutsche Armee unzweifelhaft als der Kern anzusehen ist, an welchem sich der
Krystallisationsprozeß der Wiedervereinigung deutscher Stämme vollzogen hat und
noch immer vollzieht, und während endlich diese Armee nach außen hin die¬
jenige Kraft repräsentirt, welche fernerhin Einmischungen in die häuslichen
Angelegenheiten des deutschen Volkes nicht mehr dulden will, spiegelte sich in
der deutschen Reichsarmee des vorigen Jahrhunderts die ganze Schwäche und
Erbärmlichkeit des in sich uneinigen, zerstückten und zerrissenen heiligen römischen
Reiches deutscher Nation in wahrhaft erschreckender Weise ab.

Moser hatte ganz recht, wenn er schrieb: "Die bei einem Reichskrieg und
einer Reichsarmee sich äußernden Gebrechen sind so groß und viel und mancherlei,
daß man, so lange das deutsche Reich in seiner jetzigen Verfassung bleibt, dem¬
selben ans ewig verbieten sollte, einen Reichskrieg zu führen."

Namentlich die kleineren und kleinsten Stände betrachteten die Stellung
von Truppen zur Reichsarmee als eine unerträgliche Last, die sie fast allein
uoch in unerwünschter Weise an ihre Abhängigkeit von Kaiser und Reich er¬
innerte und der sie sich nach Möglichkeit zu entziehen suchten.

Was konnte man wohl von einer Truppe erwarten, die aus zwanzig
und mehr solcher kleiner, verschieden bekleideter, ausgerüsteter und bewaffneter
Kontingente zusammengestellt war und welche die Uneinigkeit sowie die Riva¬
lität zwischen den verschiedenen Vaterländern auch in das Kriegslager hinein¬
trugen?*)



*) Das Reiterregiment Zollern, zum Korps des schwäbischen Kreises gehörig, das im
Jahre 1793, also wenige Jahre vor Auflösung des deutschen Reiches, gestellt wurde und
Grenzboten III. 1877. 26
Me Herrlichkeit Knipljausen und die gräflich
Jentincksche Aurgnnlice.
i.

Während das neue deutsche Reich seine Einigkeit, seine Macht und Stärke
zunächst durch die Schärfe des Schwertes wiedergewonnen hat, während die
deutsche Armee unzweifelhaft als der Kern anzusehen ist, an welchem sich der
Krystallisationsprozeß der Wiedervereinigung deutscher Stämme vollzogen hat und
noch immer vollzieht, und während endlich diese Armee nach außen hin die¬
jenige Kraft repräsentirt, welche fernerhin Einmischungen in die häuslichen
Angelegenheiten des deutschen Volkes nicht mehr dulden will, spiegelte sich in
der deutschen Reichsarmee des vorigen Jahrhunderts die ganze Schwäche und
Erbärmlichkeit des in sich uneinigen, zerstückten und zerrissenen heiligen römischen
Reiches deutscher Nation in wahrhaft erschreckender Weise ab.

Moser hatte ganz recht, wenn er schrieb: „Die bei einem Reichskrieg und
einer Reichsarmee sich äußernden Gebrechen sind so groß und viel und mancherlei,
daß man, so lange das deutsche Reich in seiner jetzigen Verfassung bleibt, dem¬
selben ans ewig verbieten sollte, einen Reichskrieg zu führen."

Namentlich die kleineren und kleinsten Stände betrachteten die Stellung
von Truppen zur Reichsarmee als eine unerträgliche Last, die sie fast allein
uoch in unerwünschter Weise an ihre Abhängigkeit von Kaiser und Reich er¬
innerte und der sie sich nach Möglichkeit zu entziehen suchten.

Was konnte man wohl von einer Truppe erwarten, die aus zwanzig
und mehr solcher kleiner, verschieden bekleideter, ausgerüsteter und bewaffneter
Kontingente zusammengestellt war und welche die Uneinigkeit sowie die Riva¬
lität zwischen den verschiedenen Vaterländern auch in das Kriegslager hinein¬
trugen?*)



*) Das Reiterregiment Zollern, zum Korps des schwäbischen Kreises gehörig, das im
Jahre 1793, also wenige Jahre vor Auflösung des deutschen Reiches, gestellt wurde und
Grenzboten III. 1877. 26
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[0209] Me Herrlichkeit Knipljausen und die gräflich Jentincksche Aurgnnlice. i. Während das neue deutsche Reich seine Einigkeit, seine Macht und Stärke zunächst durch die Schärfe des Schwertes wiedergewonnen hat, während die deutsche Armee unzweifelhaft als der Kern anzusehen ist, an welchem sich der Krystallisationsprozeß der Wiedervereinigung deutscher Stämme vollzogen hat und noch immer vollzieht, und während endlich diese Armee nach außen hin die¬ jenige Kraft repräsentirt, welche fernerhin Einmischungen in die häuslichen Angelegenheiten des deutschen Volkes nicht mehr dulden will, spiegelte sich in der deutschen Reichsarmee des vorigen Jahrhunderts die ganze Schwäche und Erbärmlichkeit des in sich uneinigen, zerstückten und zerrissenen heiligen römischen Reiches deutscher Nation in wahrhaft erschreckender Weise ab. Moser hatte ganz recht, wenn er schrieb: „Die bei einem Reichskrieg und einer Reichsarmee sich äußernden Gebrechen sind so groß und viel und mancherlei, daß man, so lange das deutsche Reich in seiner jetzigen Verfassung bleibt, dem¬ selben ans ewig verbieten sollte, einen Reichskrieg zu führen." Namentlich die kleineren und kleinsten Stände betrachteten die Stellung von Truppen zur Reichsarmee als eine unerträgliche Last, die sie fast allein uoch in unerwünschter Weise an ihre Abhängigkeit von Kaiser und Reich er¬ innerte und der sie sich nach Möglichkeit zu entziehen suchten. Was konnte man wohl von einer Truppe erwarten, die aus zwanzig und mehr solcher kleiner, verschieden bekleideter, ausgerüsteter und bewaffneter Kontingente zusammengestellt war und welche die Uneinigkeit sowie die Riva¬ lität zwischen den verschiedenen Vaterländern auch in das Kriegslager hinein¬ trugen?*) *) Das Reiterregiment Zollern, zum Korps des schwäbischen Kreises gehörig, das im Jahre 1793, also wenige Jahre vor Auflösung des deutschen Reiches, gestellt wurde und Grenzboten III. 1877. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/209>, abgerufen am 19.05.2024.