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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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zusammenhängenden Wasserstraßennetz angehören, ihre Bedeutung verloren
hätten, das ist in der vorliegenden Schrift keineswegs nachgewiesen. Vielmehr
erhellt gerade aus dem vorgebrachten statistischen Material, daß die Frequenz
der Kanäle sich seit zwanzig Jahren verdoppelt hat, daß sie noch gegenwärtig
relativ, d. h. wenn man die Kilometer-Frequenz der Kanüle und Eisenbahnen
vergleicht, viel bedeutender ist als die der Eisenbahnen, und daß sie als Regu¬
lator der Frachttarife für die Entwickelung des Verkehrs den allergrößten
Einfluß übt. Ans der Schrift geht ferner hervor, daß in Amerika das Bestreben
herrscht, die Dimensionen der Kanäle möglichst zu erweitern und sie mit mög¬
lichst großen Fahrzeugen zu befahren, weil dadurch die, Transportkosten be¬
deutend niedriger werden. Die in der neuesten Zeit erbauten Kanäle sind
deshalb mit 3--4 Meter Tiefgang angelegt.

Ueberhaupt findet sich mancherlei dankenswerthes statistisches Material zur
Beurtheilung der Kanalfrage in der Mosler'schen Schrift, wenngleich der eigent¬
liche Zweck derselben verfehlt ist. Diesen zu erfüllen, hätte es eines um¬
fassenderen Materials bedurft, deun so viel derselbe auch vorbringt, so sind
doch überall Lücken vorhanden. Für die deutsche Kanalfrage wird durch diese
Schrift keine Wendung hervorgerufen, ganz abgesehen davon, daß die deutsche,:
Verhältnisse wesentlich andere sind als die amerikanischen und daß bei uns
namentlich die hohen Frachttarife der Eisenbahnen gegenüber den amerikanischen
förmlich dazu drängen, ein billigeres Transportmittel zu schaffen. Jedenfalls
hat die Schrift das Gute, daß sie uns zeigt, wie unendlich weit wir in Deutsch¬
land auf diesem Gebiete noch zurück sind und wie viel in Amerika bereits
gethan ist, welche enormen Dimensionen in Folge dessen der Verkehr in
Amerika erlangt hat und wie äußerst niedrig die Tarif- und Transportkosten im
Verhältniß zu deu deutschen sind.


Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände. Von Georg Schanz.
Mit 55> bisher unveröffentlichten Dokumenten aus der Zeit des 14. bis 17. Jahr¬
hunderts. Leipzig, Verlag von Duncker und Humblot, 1877.

Gestützt auf eine große, meist aus süddeutschen Archiven stammende An¬
zahl von Dokumenten stellt der Verfasser die Entstehung und Entwickelung der
alten Handwerksgesellenverbände dar, welche wir vor einigen Wochen in d. Bl.
nach Stahls Untersuchungen geschildert haben. Das Ganze zerfüllt in zwölf
Abschnitte, von denen der erste sich mit der Entstehung der Zünfte beschäftigt.
Der zweite behandelt dann die Entartung derselben, die im vierzehnten und
fünfzehnten Jahrhundert in Folge der sich widersprechenden Wünsche und Be-
strebungen der Meister und der Knechte oder Gesellen und namentlich in Folge
des Umstandes eintrat, daß die Zünfte sich abzuschließen bemüht waren, wo-


zusammenhängenden Wasserstraßennetz angehören, ihre Bedeutung verloren
hätten, das ist in der vorliegenden Schrift keineswegs nachgewiesen. Vielmehr
erhellt gerade aus dem vorgebrachten statistischen Material, daß die Frequenz
der Kanäle sich seit zwanzig Jahren verdoppelt hat, daß sie noch gegenwärtig
relativ, d. h. wenn man die Kilometer-Frequenz der Kanüle und Eisenbahnen
vergleicht, viel bedeutender ist als die der Eisenbahnen, und daß sie als Regu¬
lator der Frachttarife für die Entwickelung des Verkehrs den allergrößten
Einfluß übt. Ans der Schrift geht ferner hervor, daß in Amerika das Bestreben
herrscht, die Dimensionen der Kanäle möglichst zu erweitern und sie mit mög¬
lichst großen Fahrzeugen zu befahren, weil dadurch die, Transportkosten be¬
deutend niedriger werden. Die in der neuesten Zeit erbauten Kanäle sind
deshalb mit 3—4 Meter Tiefgang angelegt.

Ueberhaupt findet sich mancherlei dankenswerthes statistisches Material zur
Beurtheilung der Kanalfrage in der Mosler'schen Schrift, wenngleich der eigent¬
liche Zweck derselben verfehlt ist. Diesen zu erfüllen, hätte es eines um¬
fassenderen Materials bedurft, deun so viel derselbe auch vorbringt, so sind
doch überall Lücken vorhanden. Für die deutsche Kanalfrage wird durch diese
Schrift keine Wendung hervorgerufen, ganz abgesehen davon, daß die deutsche,:
Verhältnisse wesentlich andere sind als die amerikanischen und daß bei uns
namentlich die hohen Frachttarife der Eisenbahnen gegenüber den amerikanischen
förmlich dazu drängen, ein billigeres Transportmittel zu schaffen. Jedenfalls
hat die Schrift das Gute, daß sie uns zeigt, wie unendlich weit wir in Deutsch¬
land auf diesem Gebiete noch zurück sind und wie viel in Amerika bereits
gethan ist, welche enormen Dimensionen in Folge dessen der Verkehr in
Amerika erlangt hat und wie äußerst niedrig die Tarif- und Transportkosten im
Verhältniß zu deu deutschen sind.


Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände. Von Georg Schanz.
Mit 55> bisher unveröffentlichten Dokumenten aus der Zeit des 14. bis 17. Jahr¬
hunderts. Leipzig, Verlag von Duncker und Humblot, 1877.

Gestützt auf eine große, meist aus süddeutschen Archiven stammende An¬
zahl von Dokumenten stellt der Verfasser die Entstehung und Entwickelung der
alten Handwerksgesellenverbände dar, welche wir vor einigen Wochen in d. Bl.
nach Stahls Untersuchungen geschildert haben. Das Ganze zerfüllt in zwölf
Abschnitte, von denen der erste sich mit der Entstehung der Zünfte beschäftigt.
Der zweite behandelt dann die Entartung derselben, die im vierzehnten und
fünfzehnten Jahrhundert in Folge der sich widersprechenden Wünsche und Be-
strebungen der Meister und der Knechte oder Gesellen und namentlich in Folge
des Umstandes eintrat, daß die Zünfte sich abzuschließen bemüht waren, wo-


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[0327] zusammenhängenden Wasserstraßennetz angehören, ihre Bedeutung verloren hätten, das ist in der vorliegenden Schrift keineswegs nachgewiesen. Vielmehr erhellt gerade aus dem vorgebrachten statistischen Material, daß die Frequenz der Kanäle sich seit zwanzig Jahren verdoppelt hat, daß sie noch gegenwärtig relativ, d. h. wenn man die Kilometer-Frequenz der Kanüle und Eisenbahnen vergleicht, viel bedeutender ist als die der Eisenbahnen, und daß sie als Regu¬ lator der Frachttarife für die Entwickelung des Verkehrs den allergrößten Einfluß übt. Ans der Schrift geht ferner hervor, daß in Amerika das Bestreben herrscht, die Dimensionen der Kanäle möglichst zu erweitern und sie mit mög¬ lichst großen Fahrzeugen zu befahren, weil dadurch die, Transportkosten be¬ deutend niedriger werden. Die in der neuesten Zeit erbauten Kanäle sind deshalb mit 3—4 Meter Tiefgang angelegt. Ueberhaupt findet sich mancherlei dankenswerthes statistisches Material zur Beurtheilung der Kanalfrage in der Mosler'schen Schrift, wenngleich der eigent¬ liche Zweck derselben verfehlt ist. Diesen zu erfüllen, hätte es eines um¬ fassenderen Materials bedurft, deun so viel derselbe auch vorbringt, so sind doch überall Lücken vorhanden. Für die deutsche Kanalfrage wird durch diese Schrift keine Wendung hervorgerufen, ganz abgesehen davon, daß die deutsche,: Verhältnisse wesentlich andere sind als die amerikanischen und daß bei uns namentlich die hohen Frachttarife der Eisenbahnen gegenüber den amerikanischen förmlich dazu drängen, ein billigeres Transportmittel zu schaffen. Jedenfalls hat die Schrift das Gute, daß sie uns zeigt, wie unendlich weit wir in Deutsch¬ land auf diesem Gebiete noch zurück sind und wie viel in Amerika bereits gethan ist, welche enormen Dimensionen in Folge dessen der Verkehr in Amerika erlangt hat und wie äußerst niedrig die Tarif- und Transportkosten im Verhältniß zu deu deutschen sind. Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände. Von Georg Schanz. Mit 55> bisher unveröffentlichten Dokumenten aus der Zeit des 14. bis 17. Jahr¬ hunderts. Leipzig, Verlag von Duncker und Humblot, 1877. Gestützt auf eine große, meist aus süddeutschen Archiven stammende An¬ zahl von Dokumenten stellt der Verfasser die Entstehung und Entwickelung der alten Handwerksgesellenverbände dar, welche wir vor einigen Wochen in d. Bl. nach Stahls Untersuchungen geschildert haben. Das Ganze zerfüllt in zwölf Abschnitte, von denen der erste sich mit der Entstehung der Zünfte beschäftigt. Der zweite behandelt dann die Entartung derselben, die im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert in Folge der sich widersprechenden Wünsche und Be- strebungen der Meister und der Knechte oder Gesellen und namentlich in Folge des Umstandes eintrat, daß die Zünfte sich abzuschließen bemüht waren, wo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/327>, abgerufen am 21.05.2024.