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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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man das Augenwerk auf Steigerung der Kampffähigkeit und Seetüchtigkeit
der Kriegsfahrzeuge gerichtet. Die früheren flachen Pentekontoren ("Fünfzig¬
ruderer") verschwinden allmächtig aus der Kriegsmarine. Man erbaut höhere
Schiffsgefäße, in welchen die Ruderer in zwei, drei oder mehr Reihen überein-
andersitzen. -- Allen andern voraus gingen hierbei die kleinasiatischen Ery-
thrcier, welche, dem Plinius zufolge, die ersten Zweireihenschiffe herstellten.
Bald aber wurden sie von den Korinthern überflügelt, die, wie Thukydides und
Diodor versichern, um 700 v. Chr. unter des Ameinokles Leitung die ersten
Dreireihenschiffe (Trierer) bauten. Großer Gunst erfreute sich diese Neuerung
anfangs keineswegs in Griechenland. "Erst kurz vor dem medischen Kriege",
sagt Thukydides, hatten die Tyrannen von Sizilien und die Korkyräer Trierer
in bedeutenderer Zahl; denn diese erscheinen überhaupt als die letzten erwäh-
nenswerthen Seemächte vor dem Heereszuge des, Xerxes. Die Athener, Aegi-
neten und vielleicht noch einige andere besaßen nur wenige Schiffe und dies
waren meist (flache) Fünfzigrnderer. -- Themistokles erst war es, der die
Athener dahin brachte, diejenigen Schiffe zu bauen, mit denen sie sich in der
Folge schlugen, und selbst diese waren noch nicht mit einem vollständigen Ver¬
decke versehen."

Daß die phönikischen Schiffe während des persischen Krieges bereits Ver¬
decke hatten, beweist Herodots Schilderung von des KhsarMsZ, Merxes) Flucht
vom Strymonflnsse zum Hellespont. Da hätten sich, um bei dem ausgebrochenen
Sturme den König zu retten, die Perser, "von denen das Verdeck erfüllt ge¬
wesen", sämmtlich in's Meer gestürzt, um das Schiff zu erleichtern. Seitens
der Griechen scheint jedoch das Verdeck, jener Angabe des Thukydides
zufolge, noch nicht allgemein gebraucht worden zu sein, und der einzige Ort
welcher stets einigen Schutz gewährte und dem Steuermann und Schiffsherrn
zum Aufenthalte diente, war eine vorn offene, oben abgerundete Hütte auf dem
Hinteren Theile des Fahrzeugs.

Bei Salamis (480) fochten die Metier, Siphnier und Seriphier noch mit
Fünfzigruderern, und unmittelbar vor dem Perserkriege besaß Athen nur 50
kriegstüchtige Schiffe, zu denen es für den Krieg gegen Aegina noch 20 korin¬
thische Fahrzeuge miethete. --

Die glorreichen Kämpfe bei Artemiston und Salamis gaben dann aber
den erfolgreichsten Anstoß zur Bildung eigentlicher Kriegsflotten. Athen erreichte
binnen Kurzem eine bedeutende Macht zur See und steigerte das Schiffsbau¬
wesen überhaupt auf eine vorher kaum geahnte Höhe. Nur noch für die Trans¬
portschiffe behielt man die ihrem Zwecke vermeintlich angemessene breitere Bauart
bei, während für die Kriegsfahrzeuge durchweg eine schlanke Form und die


Grenzboten I. 1373. 17

man das Augenwerk auf Steigerung der Kampffähigkeit und Seetüchtigkeit
der Kriegsfahrzeuge gerichtet. Die früheren flachen Pentekontoren („Fünfzig¬
ruderer") verschwinden allmächtig aus der Kriegsmarine. Man erbaut höhere
Schiffsgefäße, in welchen die Ruderer in zwei, drei oder mehr Reihen überein-
andersitzen. — Allen andern voraus gingen hierbei die kleinasiatischen Ery-
thrcier, welche, dem Plinius zufolge, die ersten Zweireihenschiffe herstellten.
Bald aber wurden sie von den Korinthern überflügelt, die, wie Thukydides und
Diodor versichern, um 700 v. Chr. unter des Ameinokles Leitung die ersten
Dreireihenschiffe (Trierer) bauten. Großer Gunst erfreute sich diese Neuerung
anfangs keineswegs in Griechenland. „Erst kurz vor dem medischen Kriege",
sagt Thukydides, hatten die Tyrannen von Sizilien und die Korkyräer Trierer
in bedeutenderer Zahl; denn diese erscheinen überhaupt als die letzten erwäh-
nenswerthen Seemächte vor dem Heereszuge des, Xerxes. Die Athener, Aegi-
neten und vielleicht noch einige andere besaßen nur wenige Schiffe und dies
waren meist (flache) Fünfzigrnderer. — Themistokles erst war es, der die
Athener dahin brachte, diejenigen Schiffe zu bauen, mit denen sie sich in der
Folge schlugen, und selbst diese waren noch nicht mit einem vollständigen Ver¬
decke versehen."

Daß die phönikischen Schiffe während des persischen Krieges bereits Ver¬
decke hatten, beweist Herodots Schilderung von des KhsarMsZ, Merxes) Flucht
vom Strymonflnsse zum Hellespont. Da hätten sich, um bei dem ausgebrochenen
Sturme den König zu retten, die Perser, „von denen das Verdeck erfüllt ge¬
wesen", sämmtlich in's Meer gestürzt, um das Schiff zu erleichtern. Seitens
der Griechen scheint jedoch das Verdeck, jener Angabe des Thukydides
zufolge, noch nicht allgemein gebraucht worden zu sein, und der einzige Ort
welcher stets einigen Schutz gewährte und dem Steuermann und Schiffsherrn
zum Aufenthalte diente, war eine vorn offene, oben abgerundete Hütte auf dem
Hinteren Theile des Fahrzeugs.

Bei Salamis (480) fochten die Metier, Siphnier und Seriphier noch mit
Fünfzigruderern, und unmittelbar vor dem Perserkriege besaß Athen nur 50
kriegstüchtige Schiffe, zu denen es für den Krieg gegen Aegina noch 20 korin¬
thische Fahrzeuge miethete. —

Die glorreichen Kämpfe bei Artemiston und Salamis gaben dann aber
den erfolgreichsten Anstoß zur Bildung eigentlicher Kriegsflotten. Athen erreichte
binnen Kurzem eine bedeutende Macht zur See und steigerte das Schiffsbau¬
wesen überhaupt auf eine vorher kaum geahnte Höhe. Nur noch für die Trans¬
portschiffe behielt man die ihrem Zwecke vermeintlich angemessene breitere Bauart
bei, während für die Kriegsfahrzeuge durchweg eine schlanke Form und die


Grenzboten I. 1373. 17
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/137>, abgerufen am 16.05.2024.