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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Schritte zu thun. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Darlegungen des
Prinzen auf diesen Entschluß von maßgebenden Einfluß waren.

Wenn einzelne Schriftsteller, so unter andern Preuß, erwähnen, die Polen
hätten sich den Prinzen Heinrich während dessen Abwesenheit in Petersburg
bei Friedrich II. als König erbeten, und jener habe es seinem Bruder nie
verzeihen können, daß er ohne sein Vorwissen abgelehnt, so gehört das wohl
mehr in das Bereich der Fabel. Allerdings spielte um diese Zeit in Warschau
die Intrigue eine große Rolle und in unmittelbarer Nähe des Königs Stanislaus
August arbeitete eine Partei auf seinen Sturz hin. Bei den Leitern der
Bewegung herrschte jedoch die größte Uneinigkeit, und die klaffendste Zwie¬
tracht und es steht so viel fest, daß von einer ernstlichen Thronkandidatur
des Prinzen Heinrich niemals die Rede gewesen ist.

Wir wenden uns nun zu dem Privatleben des Prinzen Heinrich und zu
dessen außeramtlichen Beziehungen zu seinem Bruder. Ju den ersten Regierungs¬
jahren sah der König die jüngeren Brüder gern in seiner Nähe und wirkte
selbstthätig auf ihre Erziehung und Entwicklung. Allerdings mag ihnen die
große Gebundenheit in Potsdam nicht ganz behaglich gewesen sein, das hatte
jedoch zur Folge, daß sie sich mit ihren sehr übereinstimmenden Gemüthern
eng an einander anschlössen.

Im Jahre 1752 vermählte sich Prinz Heinrich, ganz nach freier Neigung,
mit der Prinzessin Marianne von Hessen-Kassel, nachdem er sich schon vorher
in Rheinsberg, das ihm der König 1744 schenkte, ein eigenes Daheim gegründet
hatte. Von der Prinzessin gibt uns die Gräfin Voß in ihren Memoiren
über den preußischen Hof eine höchst anziehende Schilderung: "Der seltenste
Stern und der Glanzpunkt des Hofes war die schöne jugendliche Gemahlin
des Prinzen Heinrich." Am Hofe und in der Gesellschaft nannte man sie
anstatt mit ihrem Namen und Titel nur mit einer ganzen Reihe schmeichel¬
hafter Beinamen: "Die Schönheit, ig. delle k6o, 1a, äivimz oder I'ineowMi'g.bis."
Die Prinzessin überlebte ihren Gemahl noch eine Reihe von Jahren, die Ehe
blieb jedoch kinderlos und dies mag wohl mit der Grund gewesen sein, daß
mit der Zeit des eheliche Verhältniß ein sehr kühles wurde. Prinz Heinrich
war nichts weniger als ein Verehrer des weiblichen Geschlechts und wie
Friedrich der Große einsam auf seinem Lansouei lebte, so scheint anch in
Rheinsberg la. Kens nur ganz vorübergehend ihren Zauberstab geschwungen
zu haben.

Von der zarten und tiefen Empfindung des Königs für alle diejenige",
welche seinem Herzen nahe standen, besitzen wir vielfache Zeugnisse, allerdings
auch vou seiner zuweilen etwas derben, ja schroffen Art und Weise, wenn es
sich um Angelegenheiten des Allerhöchsten Dienstes handelte; dann kannte er


Schritte zu thun. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Darlegungen des
Prinzen auf diesen Entschluß von maßgebenden Einfluß waren.

Wenn einzelne Schriftsteller, so unter andern Preuß, erwähnen, die Polen
hätten sich den Prinzen Heinrich während dessen Abwesenheit in Petersburg
bei Friedrich II. als König erbeten, und jener habe es seinem Bruder nie
verzeihen können, daß er ohne sein Vorwissen abgelehnt, so gehört das wohl
mehr in das Bereich der Fabel. Allerdings spielte um diese Zeit in Warschau
die Intrigue eine große Rolle und in unmittelbarer Nähe des Königs Stanislaus
August arbeitete eine Partei auf seinen Sturz hin. Bei den Leitern der
Bewegung herrschte jedoch die größte Uneinigkeit, und die klaffendste Zwie¬
tracht und es steht so viel fest, daß von einer ernstlichen Thronkandidatur
des Prinzen Heinrich niemals die Rede gewesen ist.

Wir wenden uns nun zu dem Privatleben des Prinzen Heinrich und zu
dessen außeramtlichen Beziehungen zu seinem Bruder. Ju den ersten Regierungs¬
jahren sah der König die jüngeren Brüder gern in seiner Nähe und wirkte
selbstthätig auf ihre Erziehung und Entwicklung. Allerdings mag ihnen die
große Gebundenheit in Potsdam nicht ganz behaglich gewesen sein, das hatte
jedoch zur Folge, daß sie sich mit ihren sehr übereinstimmenden Gemüthern
eng an einander anschlössen.

Im Jahre 1752 vermählte sich Prinz Heinrich, ganz nach freier Neigung,
mit der Prinzessin Marianne von Hessen-Kassel, nachdem er sich schon vorher
in Rheinsberg, das ihm der König 1744 schenkte, ein eigenes Daheim gegründet
hatte. Von der Prinzessin gibt uns die Gräfin Voß in ihren Memoiren
über den preußischen Hof eine höchst anziehende Schilderung: „Der seltenste
Stern und der Glanzpunkt des Hofes war die schöne jugendliche Gemahlin
des Prinzen Heinrich." Am Hofe und in der Gesellschaft nannte man sie
anstatt mit ihrem Namen und Titel nur mit einer ganzen Reihe schmeichel¬
hafter Beinamen: „Die Schönheit, ig. delle k6o, 1a, äivimz oder I'ineowMi'g.bis."
Die Prinzessin überlebte ihren Gemahl noch eine Reihe von Jahren, die Ehe
blieb jedoch kinderlos und dies mag wohl mit der Grund gewesen sein, daß
mit der Zeit des eheliche Verhältniß ein sehr kühles wurde. Prinz Heinrich
war nichts weniger als ein Verehrer des weiblichen Geschlechts und wie
Friedrich der Große einsam auf seinem Lansouei lebte, so scheint anch in
Rheinsberg la. Kens nur ganz vorübergehend ihren Zauberstab geschwungen
zu haben.

Von der zarten und tiefen Empfindung des Königs für alle diejenige»,
welche seinem Herzen nahe standen, besitzen wir vielfache Zeugnisse, allerdings
auch vou seiner zuweilen etwas derben, ja schroffen Art und Weise, wenn es
sich um Angelegenheiten des Allerhöchsten Dienstes handelte; dann kannte er


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[0174] Schritte zu thun. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Darlegungen des Prinzen auf diesen Entschluß von maßgebenden Einfluß waren. Wenn einzelne Schriftsteller, so unter andern Preuß, erwähnen, die Polen hätten sich den Prinzen Heinrich während dessen Abwesenheit in Petersburg bei Friedrich II. als König erbeten, und jener habe es seinem Bruder nie verzeihen können, daß er ohne sein Vorwissen abgelehnt, so gehört das wohl mehr in das Bereich der Fabel. Allerdings spielte um diese Zeit in Warschau die Intrigue eine große Rolle und in unmittelbarer Nähe des Königs Stanislaus August arbeitete eine Partei auf seinen Sturz hin. Bei den Leitern der Bewegung herrschte jedoch die größte Uneinigkeit, und die klaffendste Zwie¬ tracht und es steht so viel fest, daß von einer ernstlichen Thronkandidatur des Prinzen Heinrich niemals die Rede gewesen ist. Wir wenden uns nun zu dem Privatleben des Prinzen Heinrich und zu dessen außeramtlichen Beziehungen zu seinem Bruder. Ju den ersten Regierungs¬ jahren sah der König die jüngeren Brüder gern in seiner Nähe und wirkte selbstthätig auf ihre Erziehung und Entwicklung. Allerdings mag ihnen die große Gebundenheit in Potsdam nicht ganz behaglich gewesen sein, das hatte jedoch zur Folge, daß sie sich mit ihren sehr übereinstimmenden Gemüthern eng an einander anschlössen. Im Jahre 1752 vermählte sich Prinz Heinrich, ganz nach freier Neigung, mit der Prinzessin Marianne von Hessen-Kassel, nachdem er sich schon vorher in Rheinsberg, das ihm der König 1744 schenkte, ein eigenes Daheim gegründet hatte. Von der Prinzessin gibt uns die Gräfin Voß in ihren Memoiren über den preußischen Hof eine höchst anziehende Schilderung: „Der seltenste Stern und der Glanzpunkt des Hofes war die schöne jugendliche Gemahlin des Prinzen Heinrich." Am Hofe und in der Gesellschaft nannte man sie anstatt mit ihrem Namen und Titel nur mit einer ganzen Reihe schmeichel¬ hafter Beinamen: „Die Schönheit, ig. delle k6o, 1a, äivimz oder I'ineowMi'g.bis." Die Prinzessin überlebte ihren Gemahl noch eine Reihe von Jahren, die Ehe blieb jedoch kinderlos und dies mag wohl mit der Grund gewesen sein, daß mit der Zeit des eheliche Verhältniß ein sehr kühles wurde. Prinz Heinrich war nichts weniger als ein Verehrer des weiblichen Geschlechts und wie Friedrich der Große einsam auf seinem Lansouei lebte, so scheint anch in Rheinsberg la. Kens nur ganz vorübergehend ihren Zauberstab geschwungen zu haben. Von der zarten und tiefen Empfindung des Königs für alle diejenige», welche seinem Herzen nahe standen, besitzen wir vielfache Zeugnisse, allerdings auch vou seiner zuweilen etwas derben, ja schroffen Art und Weise, wenn es sich um Angelegenheiten des Allerhöchsten Dienstes handelte; dann kannte er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/174>, abgerufen am 31.05.2024.