Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sind in dieser Beziehung die Worte, welche der König schon im April 1750 an
den Prinzen von Preußen richtete: "In Militärangelegenheiten, die mir so
wichtig sind, kann ich Niemanden schonen. Wenn meine Brüder den Anderen
ein gutes Beispiel geben, so ist mir das die angenehmste Freude von der Welt.
Findet dies aber nicht statt, so vergesse ich in diesem Augenblick alle Verwandt¬
schaft, um meine Pflicht zu thun, die darin besteht, zeitlebens Alles in Ord¬
nung zu halten!"

Sobald es sich um Erfüllung der Pflicht handelte kannte, der König keine
Rücksichten. Als Prinz Moritz von Anhalt Anfang August 175? mit einem
kleinen Korps Dresden und Pirna gegen feindliche Unternehmungen sichern
sollte, ertheilte er ihm die Anweisung, bei jeder sich darbietenden Gelegenheit
angriffsweise zu verfahren und als seiner Meinung nach nicht genug geschah,
schrieb er einige Zeit darauf dem Lieblingssohne des alten Dessauers: "Gehen
Sie den Schurken auf den Hals und agiren Sie okeiosivo, oder unsere Freund¬
schaft hört aus. Hier ist keine eomMisknes für den Prinzen, sondern der
General muß seine Schuldigkeit thun; sonst hört Alles auf."

Der Prinz von Preußen wurde von seinen jüngeren Geschwistern hoch ver¬
ehrt. Ihre Theilnahme für den in ihren Augen ungerecht behandelten Bruder
erzeugte eine gewisse Erbitterung gegen den König, die am schärfsten und nach¬
haltigsten beim Prinzen Heinrich zum Ausdruck kau:. Der frühzeitige Tod des
geliebten Bruders war nicht geeignet das Verhältniß zu bessern, und es unter¬
liegt keinem Zweifel, daß es noch in den späteren Jahren am Hofe eine im
Stillen frondirende Partei gab, an deren Spitze Prinz Heinrich stand. Der
König schien das zu ignoriren, jedenfalls blieb er sich in seinem Verhalten
dein Prinzen Heinrich gegenüber immer gleich, er lobte, wie wir sehen, in
seinen Schriften die Vorzüge feines Bruders, bedachte thu brüderlich in feinem
Testament und nirgends finden wir einen Laut von Unmuth oder Tadel.
Dies läßt sich vom Prinzen Heinrich nicht sagen; sein Unmuth gab sich viel¬
mehr häufig kund, selbst offenkundiger, als es in solcher Lage sich zu geziemen
scheint. Der englische Gesandte Mitchell berichtete schon am 19. Dezbr. 1757
nach Hanse, der Prinz sei französisch gesinnt, "sehr eitel und haßt seinen
Bruder, auf dessen Größe er eifersüchtig erscheint. Er besitzt Talente, jedoch
mehr Verschlagenheit als wahre Tiefe." Dieses Urtheil war nun unzweifelhaft
ein höchst einseitiges; mit der französischen Gesinnung des Prinzen hatte es
jedoch seine Richtigkeit. Wenn er anch seine Pflichten gegen den heimatlichen
Staat nie aus den Augen verlor, war er doch ganz befangen durch den prah¬
lenden Geist der Franzosen und ihre galante Liebenswürdigkeit. Er hatte in
Sitte, Gewöhnung und Ausdruck etwas prououzirt Französisches und es unter¬
liegt keinem Zweifel, daß seiner Vorliebe für teils ?iÄnee nicht nur, wie


sind in dieser Beziehung die Worte, welche der König schon im April 1750 an
den Prinzen von Preußen richtete: „In Militärangelegenheiten, die mir so
wichtig sind, kann ich Niemanden schonen. Wenn meine Brüder den Anderen
ein gutes Beispiel geben, so ist mir das die angenehmste Freude von der Welt.
Findet dies aber nicht statt, so vergesse ich in diesem Augenblick alle Verwandt¬
schaft, um meine Pflicht zu thun, die darin besteht, zeitlebens Alles in Ord¬
nung zu halten!"

Sobald es sich um Erfüllung der Pflicht handelte kannte, der König keine
Rücksichten. Als Prinz Moritz von Anhalt Anfang August 175? mit einem
kleinen Korps Dresden und Pirna gegen feindliche Unternehmungen sichern
sollte, ertheilte er ihm die Anweisung, bei jeder sich darbietenden Gelegenheit
angriffsweise zu verfahren und als seiner Meinung nach nicht genug geschah,
schrieb er einige Zeit darauf dem Lieblingssohne des alten Dessauers: „Gehen
Sie den Schurken auf den Hals und agiren Sie okeiosivo, oder unsere Freund¬
schaft hört aus. Hier ist keine eomMisknes für den Prinzen, sondern der
General muß seine Schuldigkeit thun; sonst hört Alles auf."

Der Prinz von Preußen wurde von seinen jüngeren Geschwistern hoch ver¬
ehrt. Ihre Theilnahme für den in ihren Augen ungerecht behandelten Bruder
erzeugte eine gewisse Erbitterung gegen den König, die am schärfsten und nach¬
haltigsten beim Prinzen Heinrich zum Ausdruck kau:. Der frühzeitige Tod des
geliebten Bruders war nicht geeignet das Verhältniß zu bessern, und es unter¬
liegt keinem Zweifel, daß es noch in den späteren Jahren am Hofe eine im
Stillen frondirende Partei gab, an deren Spitze Prinz Heinrich stand. Der
König schien das zu ignoriren, jedenfalls blieb er sich in seinem Verhalten
dein Prinzen Heinrich gegenüber immer gleich, er lobte, wie wir sehen, in
seinen Schriften die Vorzüge feines Bruders, bedachte thu brüderlich in feinem
Testament und nirgends finden wir einen Laut von Unmuth oder Tadel.
Dies läßt sich vom Prinzen Heinrich nicht sagen; sein Unmuth gab sich viel¬
mehr häufig kund, selbst offenkundiger, als es in solcher Lage sich zu geziemen
scheint. Der englische Gesandte Mitchell berichtete schon am 19. Dezbr. 1757
nach Hanse, der Prinz sei französisch gesinnt, „sehr eitel und haßt seinen
Bruder, auf dessen Größe er eifersüchtig erscheint. Er besitzt Talente, jedoch
mehr Verschlagenheit als wahre Tiefe." Dieses Urtheil war nun unzweifelhaft
ein höchst einseitiges; mit der französischen Gesinnung des Prinzen hatte es
jedoch seine Richtigkeit. Wenn er anch seine Pflichten gegen den heimatlichen
Staat nie aus den Augen verlor, war er doch ganz befangen durch den prah¬
lenden Geist der Franzosen und ihre galante Liebenswürdigkeit. Er hatte in
Sitte, Gewöhnung und Ausdruck etwas prououzirt Französisches und es unter¬
liegt keinem Zweifel, daß seiner Vorliebe für teils ?iÄnee nicht nur, wie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139469"/>
          <p xml:id="ID_504" prev="#ID_503"> sind in dieser Beziehung die Worte, welche der König schon im April 1750 an<lb/>
den Prinzen von Preußen richtete: &#x201E;In Militärangelegenheiten, die mir so<lb/>
wichtig sind, kann ich Niemanden schonen. Wenn meine Brüder den Anderen<lb/>
ein gutes Beispiel geben, so ist mir das die angenehmste Freude von der Welt.<lb/>
Findet dies aber nicht statt, so vergesse ich in diesem Augenblick alle Verwandt¬<lb/>
schaft, um meine Pflicht zu thun, die darin besteht, zeitlebens Alles in Ord¬<lb/>
nung zu halten!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_505"> Sobald es sich um Erfüllung der Pflicht handelte kannte, der König keine<lb/>
Rücksichten. Als Prinz Moritz von Anhalt Anfang August 175? mit einem<lb/>
kleinen Korps Dresden und Pirna gegen feindliche Unternehmungen sichern<lb/>
sollte, ertheilte er ihm die Anweisung, bei jeder sich darbietenden Gelegenheit<lb/>
angriffsweise zu verfahren und als seiner Meinung nach nicht genug geschah,<lb/>
schrieb er einige Zeit darauf dem Lieblingssohne des alten Dessauers: &#x201E;Gehen<lb/>
Sie den Schurken auf den Hals und agiren Sie okeiosivo, oder unsere Freund¬<lb/>
schaft hört aus. Hier ist keine eomMisknes für den Prinzen, sondern der<lb/>
General muß seine Schuldigkeit thun; sonst hört Alles auf."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_506" next="#ID_507"> Der Prinz von Preußen wurde von seinen jüngeren Geschwistern hoch ver¬<lb/>
ehrt. Ihre Theilnahme für den in ihren Augen ungerecht behandelten Bruder<lb/>
erzeugte eine gewisse Erbitterung gegen den König, die am schärfsten und nach¬<lb/>
haltigsten beim Prinzen Heinrich zum Ausdruck kau:. Der frühzeitige Tod des<lb/>
geliebten Bruders war nicht geeignet das Verhältniß zu bessern, und es unter¬<lb/>
liegt keinem Zweifel, daß es noch in den späteren Jahren am Hofe eine im<lb/>
Stillen frondirende Partei gab, an deren Spitze Prinz Heinrich stand. Der<lb/>
König schien das zu ignoriren, jedenfalls blieb er sich in seinem Verhalten<lb/>
dein Prinzen Heinrich gegenüber immer gleich, er lobte, wie wir sehen, in<lb/>
seinen Schriften die Vorzüge feines Bruders, bedachte thu brüderlich in feinem<lb/>
Testament und nirgends finden wir einen Laut von Unmuth oder Tadel.<lb/>
Dies läßt sich vom Prinzen Heinrich nicht sagen; sein Unmuth gab sich viel¬<lb/>
mehr häufig kund, selbst offenkundiger, als es in solcher Lage sich zu geziemen<lb/>
scheint. Der englische Gesandte Mitchell berichtete schon am 19. Dezbr. 1757<lb/>
nach Hanse, der Prinz sei französisch gesinnt, &#x201E;sehr eitel und haßt seinen<lb/>
Bruder, auf dessen Größe er eifersüchtig erscheint. Er besitzt Talente, jedoch<lb/>
mehr Verschlagenheit als wahre Tiefe." Dieses Urtheil war nun unzweifelhaft<lb/>
ein höchst einseitiges; mit der französischen Gesinnung des Prinzen hatte es<lb/>
jedoch seine Richtigkeit. Wenn er anch seine Pflichten gegen den heimatlichen<lb/>
Staat nie aus den Augen verlor, war er doch ganz befangen durch den prah¬<lb/>
lenden Geist der Franzosen und ihre galante Liebenswürdigkeit. Er hatte in<lb/>
Sitte, Gewöhnung und Ausdruck etwas prououzirt Französisches und es unter¬<lb/>
liegt keinem Zweifel, daß seiner Vorliebe für  teils ?iÄnee nicht nur, wie</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0176] sind in dieser Beziehung die Worte, welche der König schon im April 1750 an den Prinzen von Preußen richtete: „In Militärangelegenheiten, die mir so wichtig sind, kann ich Niemanden schonen. Wenn meine Brüder den Anderen ein gutes Beispiel geben, so ist mir das die angenehmste Freude von der Welt. Findet dies aber nicht statt, so vergesse ich in diesem Augenblick alle Verwandt¬ schaft, um meine Pflicht zu thun, die darin besteht, zeitlebens Alles in Ord¬ nung zu halten!" Sobald es sich um Erfüllung der Pflicht handelte kannte, der König keine Rücksichten. Als Prinz Moritz von Anhalt Anfang August 175? mit einem kleinen Korps Dresden und Pirna gegen feindliche Unternehmungen sichern sollte, ertheilte er ihm die Anweisung, bei jeder sich darbietenden Gelegenheit angriffsweise zu verfahren und als seiner Meinung nach nicht genug geschah, schrieb er einige Zeit darauf dem Lieblingssohne des alten Dessauers: „Gehen Sie den Schurken auf den Hals und agiren Sie okeiosivo, oder unsere Freund¬ schaft hört aus. Hier ist keine eomMisknes für den Prinzen, sondern der General muß seine Schuldigkeit thun; sonst hört Alles auf." Der Prinz von Preußen wurde von seinen jüngeren Geschwistern hoch ver¬ ehrt. Ihre Theilnahme für den in ihren Augen ungerecht behandelten Bruder erzeugte eine gewisse Erbitterung gegen den König, die am schärfsten und nach¬ haltigsten beim Prinzen Heinrich zum Ausdruck kau:. Der frühzeitige Tod des geliebten Bruders war nicht geeignet das Verhältniß zu bessern, und es unter¬ liegt keinem Zweifel, daß es noch in den späteren Jahren am Hofe eine im Stillen frondirende Partei gab, an deren Spitze Prinz Heinrich stand. Der König schien das zu ignoriren, jedenfalls blieb er sich in seinem Verhalten dein Prinzen Heinrich gegenüber immer gleich, er lobte, wie wir sehen, in seinen Schriften die Vorzüge feines Bruders, bedachte thu brüderlich in feinem Testament und nirgends finden wir einen Laut von Unmuth oder Tadel. Dies läßt sich vom Prinzen Heinrich nicht sagen; sein Unmuth gab sich viel¬ mehr häufig kund, selbst offenkundiger, als es in solcher Lage sich zu geziemen scheint. Der englische Gesandte Mitchell berichtete schon am 19. Dezbr. 1757 nach Hanse, der Prinz sei französisch gesinnt, „sehr eitel und haßt seinen Bruder, auf dessen Größe er eifersüchtig erscheint. Er besitzt Talente, jedoch mehr Verschlagenheit als wahre Tiefe." Dieses Urtheil war nun unzweifelhaft ein höchst einseitiges; mit der französischen Gesinnung des Prinzen hatte es jedoch seine Richtigkeit. Wenn er anch seine Pflichten gegen den heimatlichen Staat nie aus den Augen verlor, war er doch ganz befangen durch den prah¬ lenden Geist der Franzosen und ihre galante Liebenswürdigkeit. Er hatte in Sitte, Gewöhnung und Ausdruck etwas prououzirt Französisches und es unter¬ liegt keinem Zweifel, daß seiner Vorliebe für teils ?iÄnee nicht nur, wie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/176
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/176>, abgerufen am 09.06.2024.