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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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sich um die Wahlspruche von michgeborenen Prinzen und von Fürstinnen
handelt, uns Stamm- und Gedenkbüchern, namentlich aus den Stammbncher-
sammlnngen der Grvßhcrzoglichen Bibliothek in Weimar und der Universitäts¬
bibliothek in Jena geschöpft. Die Anordnung der Sammlung ist die, daß ans
den Namen der fürstlichen Persönlichkeit zunächst die wichtigsten biographischen
Daten über sie folgen, dann der eigentliche Wahlspruch und etwaige weitere
Siunsprüche, wenn deren bei verschiedenen Gelegenheiten verschiedene hervor¬
getreten sind, mit sorgfältiger Quellenangabe aufgeführt werden. Die Stamin-
bnchmschriften sind diplomatisch genau wiedergegeben, den lateinischen Sprüchen,
welche aus Profanschriften genommen oder erfunden sind, ist eine möglichst
wortgetreue, denjenigen, die aus der Bibel entlehnt sind, die lutherische Ueber-
setzung beigefügt.

Die Sammlung bildet in erster Linie jedenfalls ein zuverlässiges und
dankenswerthes Hilfsmittel für den speziell mit der sächsischen Geschichte be¬
schäftigten Historiker, wenn auch die Bedeutung der Wahlspruche sür den Cha¬
rakter der betreffenden fürstlichen Personen nicht überschätzt werden darf. Ist
es doch bekannt, daß namentlich im siebzehnten Jahrhundert das Devisen-und
Mottosuchen in den deutschen Hof- und Gelehrtenkreisen -- man denke z. B.
an die Sprachgesellschaften, vor allem an die "fruchtbringende" -- mehr und mehr
zu einer bedeutungslosen Modespielerei ausartete. In zweiter Linie ist die
Sammlung aber auch nicht ohne allgemeineres kulturgeschichtliches Interesse. Eines
von den Resultaten z. B., welche sich aus ihr ergeben, ein negatives zwar nur,
aber bemerkenswerth genug, hebt der Herausgeber selbst im Vorworte hervor:
die Thatsache nämlich, daß kein einziger der hier mitgetheilten Sprüche den im
Mittelalter so verbreiteten und vielgebrauchten griechischen und lateinischen
Spruchsammlungen, wie den Distichen des Cato, den Sentenzen des Publius
Syrus, entnommen ist, ganz zu geschweige" von den Sprüchen der sogenannten
Sieben Weisen und der griechischen Gnvmiker, daß aber auch andererseits die
vaterländische Spruchpoesie, wie Freidank's Bescheidenheit, der "Reimer" des
Hugo von Trimberg, völlig dabei ausgeschlossen geblieben sind. Für unsere
Kenntniß von den Bildungsstoffen und von dem Bereich der Lektüre jener
Zeiten und jener Kreise bilden diese Sprüche also eine willkommene Ergänzung
und Bestätigung.

Die Ausstattung des Buches, dessen Widmung der Großherzog von Weimar
angenommen hat, ist ebenso splendid wie geschmackvoll; insbesondere ist die
typographische Einrichtung dadurch, daß die Wahlspruche durch rothen Druck
hervorgehoben worden sind, in hohem Grade übersichtlich geworden.


sich um die Wahlspruche von michgeborenen Prinzen und von Fürstinnen
handelt, uns Stamm- und Gedenkbüchern, namentlich aus den Stammbncher-
sammlnngen der Grvßhcrzoglichen Bibliothek in Weimar und der Universitäts¬
bibliothek in Jena geschöpft. Die Anordnung der Sammlung ist die, daß ans
den Namen der fürstlichen Persönlichkeit zunächst die wichtigsten biographischen
Daten über sie folgen, dann der eigentliche Wahlspruch und etwaige weitere
Siunsprüche, wenn deren bei verschiedenen Gelegenheiten verschiedene hervor¬
getreten sind, mit sorgfältiger Quellenangabe aufgeführt werden. Die Stamin-
bnchmschriften sind diplomatisch genau wiedergegeben, den lateinischen Sprüchen,
welche aus Profanschriften genommen oder erfunden sind, ist eine möglichst
wortgetreue, denjenigen, die aus der Bibel entlehnt sind, die lutherische Ueber-
setzung beigefügt.

Die Sammlung bildet in erster Linie jedenfalls ein zuverlässiges und
dankenswerthes Hilfsmittel für den speziell mit der sächsischen Geschichte be¬
schäftigten Historiker, wenn auch die Bedeutung der Wahlspruche sür den Cha¬
rakter der betreffenden fürstlichen Personen nicht überschätzt werden darf. Ist
es doch bekannt, daß namentlich im siebzehnten Jahrhundert das Devisen-und
Mottosuchen in den deutschen Hof- und Gelehrtenkreisen — man denke z. B.
an die Sprachgesellschaften, vor allem an die „fruchtbringende" — mehr und mehr
zu einer bedeutungslosen Modespielerei ausartete. In zweiter Linie ist die
Sammlung aber auch nicht ohne allgemeineres kulturgeschichtliches Interesse. Eines
von den Resultaten z. B., welche sich aus ihr ergeben, ein negatives zwar nur,
aber bemerkenswerth genug, hebt der Herausgeber selbst im Vorworte hervor:
die Thatsache nämlich, daß kein einziger der hier mitgetheilten Sprüche den im
Mittelalter so verbreiteten und vielgebrauchten griechischen und lateinischen
Spruchsammlungen, wie den Distichen des Cato, den Sentenzen des Publius
Syrus, entnommen ist, ganz zu geschweige» von den Sprüchen der sogenannten
Sieben Weisen und der griechischen Gnvmiker, daß aber auch andererseits die
vaterländische Spruchpoesie, wie Freidank's Bescheidenheit, der „Reimer" des
Hugo von Trimberg, völlig dabei ausgeschlossen geblieben sind. Für unsere
Kenntniß von den Bildungsstoffen und von dem Bereich der Lektüre jener
Zeiten und jener Kreise bilden diese Sprüche also eine willkommene Ergänzung
und Bestätigung.

Die Ausstattung des Buches, dessen Widmung der Großherzog von Weimar
angenommen hat, ist ebenso splendid wie geschmackvoll; insbesondere ist die
typographische Einrichtung dadurch, daß die Wahlspruche durch rothen Druck
hervorgehoben worden sind, in hohem Grade übersichtlich geworden.


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[0207] sich um die Wahlspruche von michgeborenen Prinzen und von Fürstinnen handelt, uns Stamm- und Gedenkbüchern, namentlich aus den Stammbncher- sammlnngen der Grvßhcrzoglichen Bibliothek in Weimar und der Universitäts¬ bibliothek in Jena geschöpft. Die Anordnung der Sammlung ist die, daß ans den Namen der fürstlichen Persönlichkeit zunächst die wichtigsten biographischen Daten über sie folgen, dann der eigentliche Wahlspruch und etwaige weitere Siunsprüche, wenn deren bei verschiedenen Gelegenheiten verschiedene hervor¬ getreten sind, mit sorgfältiger Quellenangabe aufgeführt werden. Die Stamin- bnchmschriften sind diplomatisch genau wiedergegeben, den lateinischen Sprüchen, welche aus Profanschriften genommen oder erfunden sind, ist eine möglichst wortgetreue, denjenigen, die aus der Bibel entlehnt sind, die lutherische Ueber- setzung beigefügt. Die Sammlung bildet in erster Linie jedenfalls ein zuverlässiges und dankenswerthes Hilfsmittel für den speziell mit der sächsischen Geschichte be¬ schäftigten Historiker, wenn auch die Bedeutung der Wahlspruche sür den Cha¬ rakter der betreffenden fürstlichen Personen nicht überschätzt werden darf. Ist es doch bekannt, daß namentlich im siebzehnten Jahrhundert das Devisen-und Mottosuchen in den deutschen Hof- und Gelehrtenkreisen — man denke z. B. an die Sprachgesellschaften, vor allem an die „fruchtbringende" — mehr und mehr zu einer bedeutungslosen Modespielerei ausartete. In zweiter Linie ist die Sammlung aber auch nicht ohne allgemeineres kulturgeschichtliches Interesse. Eines von den Resultaten z. B., welche sich aus ihr ergeben, ein negatives zwar nur, aber bemerkenswerth genug, hebt der Herausgeber selbst im Vorworte hervor: die Thatsache nämlich, daß kein einziger der hier mitgetheilten Sprüche den im Mittelalter so verbreiteten und vielgebrauchten griechischen und lateinischen Spruchsammlungen, wie den Distichen des Cato, den Sentenzen des Publius Syrus, entnommen ist, ganz zu geschweige» von den Sprüchen der sogenannten Sieben Weisen und der griechischen Gnvmiker, daß aber auch andererseits die vaterländische Spruchpoesie, wie Freidank's Bescheidenheit, der „Reimer" des Hugo von Trimberg, völlig dabei ausgeschlossen geblieben sind. Für unsere Kenntniß von den Bildungsstoffen und von dem Bereich der Lektüre jener Zeiten und jener Kreise bilden diese Sprüche also eine willkommene Ergänzung und Bestätigung. Die Ausstattung des Buches, dessen Widmung der Großherzog von Weimar angenommen hat, ist ebenso splendid wie geschmackvoll; insbesondere ist die typographische Einrichtung dadurch, daß die Wahlspruche durch rothen Druck hervorgehoben worden sind, in hohem Grade übersichtlich geworden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/207>, abgerufen am 15.05.2024.