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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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gionsuuterrichts nachgewiesen würde, die entsprechende Abhülfe, sei es durch
Beschaffung eines andern Lehrers, sei es durch Dispensativn von dein Unter¬
richt, eintreten lassen werde; bisher sei aber ein derartiger konkreter Fall noch nicht
namhaft gemacht worden. Mit dieser Erklärung dürfen alle billigen Ansprüche
als befriedigt gelten. Das Hans erkannte dies seinerseits an, indem es den
Uebergang zur Tagesordnung mit großer Majorität annahm. Es bleibt nun
abzuwarten, ob die klerikalen Agitatoren ihre frivole Machination, eine durch
nichts motivirte Gewissensbedrängniß künstlich zu erzeugen, auch fernerhin
fortsetzen werden.

Auch die Frage der Simultanschnle wurde in der abgelaufenen Woche
durch eine ultramontane Petition zur Debatte gebracht. Der gesetzliche Boden
ist hier weniger klar, als in der Frage des obligatorischen Religionsunterrichts.
Es wurde denn auch von allen Seiten die Nothwendigkeit einer baldigen legis¬
latorischen Regelung, welche in dem sehnlichst erwartete" allgemeinen Unter¬
richtsgesetze in Aussicht genommen ist, betont. Die Grundsätze, nach welchen
der Unterrichtsminister bei der Errichtung von Simultanschulen bisher verfah¬
ren ist, fanden indeß die Billigung der großen Mehrheit des Abgeordneten¬
hauses. Aus eigener Initiative ist der Minister zur Simultanschnle bisher
nur da geschritten, wo pädagogische Rücksichten dies gebieterisch forderten. Im
Uebrigen ist es nur geschehen, wenn die Betheiligten selbst es wünschten. Er¬
wägt man dazu, daß die Regierung in sämmtlichen Simnltanschulen für einen
gesonderten Religionsunterricht der verschiedenen Konfessionen vollcinf Sorge
getragen hat, so kann ihr gewiß nicht der Vorwurf eines rigoroser Vorgehens
gemacht werden.

Glücklicher, als mit ihren Schulbeschwerdeu, waren die Ultrmuontauen
mit den Reklamationen wegen Amtsüberschreitungen der bischöflichen Vermö-
gensverwalter in den bischofslosen Diözesen. Es ist nämlich vorgekommen,
daß die von dem Staate eingesetzten Verwalter gegen die katholischen Kirchen-
gemeinderäthe Executivstrafen verhängt haben. Die Mehrheit des Abgeord¬
netenhauses erkannte nun freilich an, daß den Verwaltern des Diözesanver-
mögens als Staatsbeamten auch exekutivische Befugniß zustehen müssen; die
Verhängung von Executivstrafen durch dieselben wurde indeß als nach Lage
der Gesetzgebung nicht statthaft bezeichnet.")

Zu guter letzt ist der Kulturkampf auch im Herrenhause entbrannt. Anlaß
dazu gab eine Reihe von Petitionen wegen Aufhebung der Maigesetze. Es
würde nicht der Mühe werth fein, des leeren Strohs, das in dieser Debatte



*) Soeben hat die Regierung einen Gesetzentwurf eingebracht, welcher den Verwaltern
D. Red. bischöflicher Vermögen dieses Strafrecht ausdrücklich beilegt.

gionsuuterrichts nachgewiesen würde, die entsprechende Abhülfe, sei es durch
Beschaffung eines andern Lehrers, sei es durch Dispensativn von dein Unter¬
richt, eintreten lassen werde; bisher sei aber ein derartiger konkreter Fall noch nicht
namhaft gemacht worden. Mit dieser Erklärung dürfen alle billigen Ansprüche
als befriedigt gelten. Das Hans erkannte dies seinerseits an, indem es den
Uebergang zur Tagesordnung mit großer Majorität annahm. Es bleibt nun
abzuwarten, ob die klerikalen Agitatoren ihre frivole Machination, eine durch
nichts motivirte Gewissensbedrängniß künstlich zu erzeugen, auch fernerhin
fortsetzen werden.

Auch die Frage der Simultanschnle wurde in der abgelaufenen Woche
durch eine ultramontane Petition zur Debatte gebracht. Der gesetzliche Boden
ist hier weniger klar, als in der Frage des obligatorischen Religionsunterrichts.
Es wurde denn auch von allen Seiten die Nothwendigkeit einer baldigen legis¬
latorischen Regelung, welche in dem sehnlichst erwartete« allgemeinen Unter¬
richtsgesetze in Aussicht genommen ist, betont. Die Grundsätze, nach welchen
der Unterrichtsminister bei der Errichtung von Simultanschulen bisher verfah¬
ren ist, fanden indeß die Billigung der großen Mehrheit des Abgeordneten¬
hauses. Aus eigener Initiative ist der Minister zur Simultanschnle bisher
nur da geschritten, wo pädagogische Rücksichten dies gebieterisch forderten. Im
Uebrigen ist es nur geschehen, wenn die Betheiligten selbst es wünschten. Er¬
wägt man dazu, daß die Regierung in sämmtlichen Simnltanschulen für einen
gesonderten Religionsunterricht der verschiedenen Konfessionen vollcinf Sorge
getragen hat, so kann ihr gewiß nicht der Vorwurf eines rigoroser Vorgehens
gemacht werden.

Glücklicher, als mit ihren Schulbeschwerdeu, waren die Ultrmuontauen
mit den Reklamationen wegen Amtsüberschreitungen der bischöflichen Vermö-
gensverwalter in den bischofslosen Diözesen. Es ist nämlich vorgekommen,
daß die von dem Staate eingesetzten Verwalter gegen die katholischen Kirchen-
gemeinderäthe Executivstrafen verhängt haben. Die Mehrheit des Abgeord¬
netenhauses erkannte nun freilich an, daß den Verwaltern des Diözesanver-
mögens als Staatsbeamten auch exekutivische Befugniß zustehen müssen; die
Verhängung von Executivstrafen durch dieselben wurde indeß als nach Lage
der Gesetzgebung nicht statthaft bezeichnet.")

Zu guter letzt ist der Kulturkampf auch im Herrenhause entbrannt. Anlaß
dazu gab eine Reihe von Petitionen wegen Aufhebung der Maigesetze. Es
würde nicht der Mühe werth fein, des leeren Strohs, das in dieser Debatte



*) Soeben hat die Regierung einen Gesetzentwurf eingebracht, welcher den Verwaltern
D. Red. bischöflicher Vermögen dieses Strafrecht ausdrücklich beilegt.
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[0246] gionsuuterrichts nachgewiesen würde, die entsprechende Abhülfe, sei es durch Beschaffung eines andern Lehrers, sei es durch Dispensativn von dein Unter¬ richt, eintreten lassen werde; bisher sei aber ein derartiger konkreter Fall noch nicht namhaft gemacht worden. Mit dieser Erklärung dürfen alle billigen Ansprüche als befriedigt gelten. Das Hans erkannte dies seinerseits an, indem es den Uebergang zur Tagesordnung mit großer Majorität annahm. Es bleibt nun abzuwarten, ob die klerikalen Agitatoren ihre frivole Machination, eine durch nichts motivirte Gewissensbedrängniß künstlich zu erzeugen, auch fernerhin fortsetzen werden. Auch die Frage der Simultanschnle wurde in der abgelaufenen Woche durch eine ultramontane Petition zur Debatte gebracht. Der gesetzliche Boden ist hier weniger klar, als in der Frage des obligatorischen Religionsunterrichts. Es wurde denn auch von allen Seiten die Nothwendigkeit einer baldigen legis¬ latorischen Regelung, welche in dem sehnlichst erwartete« allgemeinen Unter¬ richtsgesetze in Aussicht genommen ist, betont. Die Grundsätze, nach welchen der Unterrichtsminister bei der Errichtung von Simultanschulen bisher verfah¬ ren ist, fanden indeß die Billigung der großen Mehrheit des Abgeordneten¬ hauses. Aus eigener Initiative ist der Minister zur Simultanschnle bisher nur da geschritten, wo pädagogische Rücksichten dies gebieterisch forderten. Im Uebrigen ist es nur geschehen, wenn die Betheiligten selbst es wünschten. Er¬ wägt man dazu, daß die Regierung in sämmtlichen Simnltanschulen für einen gesonderten Religionsunterricht der verschiedenen Konfessionen vollcinf Sorge getragen hat, so kann ihr gewiß nicht der Vorwurf eines rigoroser Vorgehens gemacht werden. Glücklicher, als mit ihren Schulbeschwerdeu, waren die Ultrmuontauen mit den Reklamationen wegen Amtsüberschreitungen der bischöflichen Vermö- gensverwalter in den bischofslosen Diözesen. Es ist nämlich vorgekommen, daß die von dem Staate eingesetzten Verwalter gegen die katholischen Kirchen- gemeinderäthe Executivstrafen verhängt haben. Die Mehrheit des Abgeord¬ netenhauses erkannte nun freilich an, daß den Verwaltern des Diözesanver- mögens als Staatsbeamten auch exekutivische Befugniß zustehen müssen; die Verhängung von Executivstrafen durch dieselben wurde indeß als nach Lage der Gesetzgebung nicht statthaft bezeichnet.") Zu guter letzt ist der Kulturkampf auch im Herrenhause entbrannt. Anlaß dazu gab eine Reihe von Petitionen wegen Aufhebung der Maigesetze. Es würde nicht der Mühe werth fein, des leeren Strohs, das in dieser Debatte *) Soeben hat die Regierung einen Gesetzentwurf eingebracht, welcher den Verwaltern D. Red. bischöflicher Vermögen dieses Strafrecht ausdrücklich beilegt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/246>, abgerufen am 15.05.2024.