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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Gipfeln des Olymp liegende große Hochebene, die ein einziger Teppich von
kurzem feinem Alpengrase bedeckte. In ihrer Mitte standen einige Bäume, unter
denen wir zur Rast uns niederließen. Wir hatten hier noch nicht lange ge¬
sessen, als Saechciro mich zitternd darauf aufmerksam machte, daß drei mit
langen Flinten und Dolchen bewaffnete Männer von der Seite des Olymp
her gerade auf uns zukämen. Sie waren bald in unserer Nähe, und blieben
etwa fünfzehn Schritt vor uns stehen, mit prüfenden Augen uns betrachtend.
Es waren große, überaus kräftige Gestalten, mit sehr markigen, ernsten, tief
dunkelfarbigen Gesichtern. Sie fragten barsch meinen Führer, wer ich sei,
worauf dieser antwortete: "Er ist ein Arzt, der hier im Gebirge Kräuter
sammeln will", indem er glaubte so meine für diese Leute allerdings schwer
erklärbare Anwesenheit in dieser Gegend am besten zu motiviren. "So soll
er mich zur Ader lassen! Hier!" sprach einer von ihnen, auf seinen Fuß deu¬
tend, mit herrischer Stimme.^) Ich antwortete ihm in derselben Weise: "Ich
will nicht!" indem ich, das Gewehr mit gespannten Hähnen vor mir, und zwei
Pistolen im Gürtel, -- ohne mich zu rühren auf meinem Teppich saß und
den Leuten scharf in's Auge blickte, jede ihrer Bewegungen bewachend und fest
entschlossen, bei der geringsten Angriffsbewegung ihrerseits mich zu vertheidigen.
Indeß kam es glücklicherweise nicht zu einer so traurigen Nothwendigkeit: sie
blickten mich noch einige Sekunden scharf und finster an, und setzten dann, ohne
Gruß oder Abschied, ihren Weg nach der anderen Seite der Ebene fort, in
stolzem Gange einherschreitend. Nachdem wir einige Zeit ausgeruht, und die
Pferde hatten weiden lassen, auch Saccharos von seinem Schrecken allmählig
sich erholt, begaben wir uns wieder auf den Weg, und zogen weiter durch die
anmuthige Hochebene.

Gegen Abend kamen wir, südlich von jetzt wieder steil emporstrebenden
Bergen, an eine wunderschöne Stelle, wo zwei riesige uralte Silberpappeln
standen. Zu ihren Füßen reiche, nie versiegende, sehr kalte Quellen des reinsten
Wassers, die von ewigem Schnee genährt, mit raschem Lauf aus den Schluchten
des Olymp hervordrängen. Die Bäume beschatten uieverdorrendes üppiges
Wiesengrün. saccharo freute sich von ganzem Herzen über das köstliche Gras,
und wünschte seine Pferde hier weiden zu lassen, was denn auch geschah. Ich
stieg indeß noch etwas höher hinauf, um die Ruinen einer alten Feste zu sehn,
jetzt Didnata genannt, die auf dem Vorsprung eines Berges liegen. Doch
sand ich nichts besonderes hier. Die etwa 8 Fuß breite Ringmauer bestand
nur aus kleinen Steinen und hatte ein mittelalterliches Ansetzn. Von dort



*) saccharo meinte später, er habe diese Forderung an mich gerichtet, um mich in
eine ungünstige, wehrlose Stellung 5" bringen.

Gipfeln des Olymp liegende große Hochebene, die ein einziger Teppich von
kurzem feinem Alpengrase bedeckte. In ihrer Mitte standen einige Bäume, unter
denen wir zur Rast uns niederließen. Wir hatten hier noch nicht lange ge¬
sessen, als Saechciro mich zitternd darauf aufmerksam machte, daß drei mit
langen Flinten und Dolchen bewaffnete Männer von der Seite des Olymp
her gerade auf uns zukämen. Sie waren bald in unserer Nähe, und blieben
etwa fünfzehn Schritt vor uns stehen, mit prüfenden Augen uns betrachtend.
Es waren große, überaus kräftige Gestalten, mit sehr markigen, ernsten, tief
dunkelfarbigen Gesichtern. Sie fragten barsch meinen Führer, wer ich sei,
worauf dieser antwortete: „Er ist ein Arzt, der hier im Gebirge Kräuter
sammeln will", indem er glaubte so meine für diese Leute allerdings schwer
erklärbare Anwesenheit in dieser Gegend am besten zu motiviren. „So soll
er mich zur Ader lassen! Hier!" sprach einer von ihnen, auf seinen Fuß deu¬
tend, mit herrischer Stimme.^) Ich antwortete ihm in derselben Weise: „Ich
will nicht!" indem ich, das Gewehr mit gespannten Hähnen vor mir, und zwei
Pistolen im Gürtel, — ohne mich zu rühren auf meinem Teppich saß und
den Leuten scharf in's Auge blickte, jede ihrer Bewegungen bewachend und fest
entschlossen, bei der geringsten Angriffsbewegung ihrerseits mich zu vertheidigen.
Indeß kam es glücklicherweise nicht zu einer so traurigen Nothwendigkeit: sie
blickten mich noch einige Sekunden scharf und finster an, und setzten dann, ohne
Gruß oder Abschied, ihren Weg nach der anderen Seite der Ebene fort, in
stolzem Gange einherschreitend. Nachdem wir einige Zeit ausgeruht, und die
Pferde hatten weiden lassen, auch Saccharos von seinem Schrecken allmählig
sich erholt, begaben wir uns wieder auf den Weg, und zogen weiter durch die
anmuthige Hochebene.

Gegen Abend kamen wir, südlich von jetzt wieder steil emporstrebenden
Bergen, an eine wunderschöne Stelle, wo zwei riesige uralte Silberpappeln
standen. Zu ihren Füßen reiche, nie versiegende, sehr kalte Quellen des reinsten
Wassers, die von ewigem Schnee genährt, mit raschem Lauf aus den Schluchten
des Olymp hervordrängen. Die Bäume beschatten uieverdorrendes üppiges
Wiesengrün. saccharo freute sich von ganzem Herzen über das köstliche Gras,
und wünschte seine Pferde hier weiden zu lassen, was denn auch geschah. Ich
stieg indeß noch etwas höher hinauf, um die Ruinen einer alten Feste zu sehn,
jetzt Didnata genannt, die auf dem Vorsprung eines Berges liegen. Doch
sand ich nichts besonderes hier. Die etwa 8 Fuß breite Ringmauer bestand
nur aus kleinen Steinen und hatte ein mittelalterliches Ansetzn. Von dort



*) saccharo meinte später, er habe diese Forderung an mich gerichtet, um mich in
eine ungünstige, wehrlose Stellung 5» bringen.
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[0274] Gipfeln des Olymp liegende große Hochebene, die ein einziger Teppich von kurzem feinem Alpengrase bedeckte. In ihrer Mitte standen einige Bäume, unter denen wir zur Rast uns niederließen. Wir hatten hier noch nicht lange ge¬ sessen, als Saechciro mich zitternd darauf aufmerksam machte, daß drei mit langen Flinten und Dolchen bewaffnete Männer von der Seite des Olymp her gerade auf uns zukämen. Sie waren bald in unserer Nähe, und blieben etwa fünfzehn Schritt vor uns stehen, mit prüfenden Augen uns betrachtend. Es waren große, überaus kräftige Gestalten, mit sehr markigen, ernsten, tief dunkelfarbigen Gesichtern. Sie fragten barsch meinen Führer, wer ich sei, worauf dieser antwortete: „Er ist ein Arzt, der hier im Gebirge Kräuter sammeln will", indem er glaubte so meine für diese Leute allerdings schwer erklärbare Anwesenheit in dieser Gegend am besten zu motiviren. „So soll er mich zur Ader lassen! Hier!" sprach einer von ihnen, auf seinen Fuß deu¬ tend, mit herrischer Stimme.^) Ich antwortete ihm in derselben Weise: „Ich will nicht!" indem ich, das Gewehr mit gespannten Hähnen vor mir, und zwei Pistolen im Gürtel, — ohne mich zu rühren auf meinem Teppich saß und den Leuten scharf in's Auge blickte, jede ihrer Bewegungen bewachend und fest entschlossen, bei der geringsten Angriffsbewegung ihrerseits mich zu vertheidigen. Indeß kam es glücklicherweise nicht zu einer so traurigen Nothwendigkeit: sie blickten mich noch einige Sekunden scharf und finster an, und setzten dann, ohne Gruß oder Abschied, ihren Weg nach der anderen Seite der Ebene fort, in stolzem Gange einherschreitend. Nachdem wir einige Zeit ausgeruht, und die Pferde hatten weiden lassen, auch Saccharos von seinem Schrecken allmählig sich erholt, begaben wir uns wieder auf den Weg, und zogen weiter durch die anmuthige Hochebene. Gegen Abend kamen wir, südlich von jetzt wieder steil emporstrebenden Bergen, an eine wunderschöne Stelle, wo zwei riesige uralte Silberpappeln standen. Zu ihren Füßen reiche, nie versiegende, sehr kalte Quellen des reinsten Wassers, die von ewigem Schnee genährt, mit raschem Lauf aus den Schluchten des Olymp hervordrängen. Die Bäume beschatten uieverdorrendes üppiges Wiesengrün. saccharo freute sich von ganzem Herzen über das köstliche Gras, und wünschte seine Pferde hier weiden zu lassen, was denn auch geschah. Ich stieg indeß noch etwas höher hinauf, um die Ruinen einer alten Feste zu sehn, jetzt Didnata genannt, die auf dem Vorsprung eines Berges liegen. Doch sand ich nichts besonderes hier. Die etwa 8 Fuß breite Ringmauer bestand nur aus kleinen Steinen und hatte ein mittelalterliches Ansetzn. Von dort *) saccharo meinte später, er habe diese Forderung an mich gerichtet, um mich in eine ungünstige, wehrlose Stellung 5» bringen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/274>, abgerufen am 14.05.2024.