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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Diener zu entlassen, besonders nach dem Dienste, den er ihm im Juli 1870
geleistet hat: "damals nämlich ist Graf Eulenburg, wie berichtet
wird, plötzlich inEms erschienen, ohne dorthin berufen zu sein
und hat den König angefleht, inne zu halten mit seinem fort¬
währenden Zurückweichen vor dem energischen Auftreten Bene-
dettis, durch diese Nachgiebigkeit sei die öffentiche Meinung
aufs Aeußerste gereizt, und er (der König) sei verloren, wenn
er noch einen Schritt zurückweiche."

Die Thronrede hat auch nicht den Beifall des Verfassers. Er findet ihren
Ton grämlich und mürrisch, sie habe das Haus der Abgeordneten keineswegs
erheitert. Diese Auffassung finde ich ganz erklärlich bei einem Franzosen,
dessen Nation seit 90 Jahren dahin strebt, aus ihrer Regierung den Erheite¬
rungsquell der Parteien zu machen. -- Bei der nun folgenden Schilderung
der Ministerverantwortlichkeitsdebatte überströmt Herr Valbert wiederholt die
Herren Virchow und Windhorst mit seinen wärmsten Lobeserhebungen. Sie
waren Allen voran, die Rufer im Streit! "Herr Windthorst führte den Kampf
mit seinem gewohnten Feuer und Talent! Sein Köcher ist immer voll, er
versteht es, seine Pfeile pfeifend und zischend zu versenden!" Vom Treffen
sagt der vorsichtige Mann aber Nichts. Es muß ein wohlthuendes Bewußt¬
sein hervorrufen, in einem der gelesensten Journale vor ganz Europa von einem
so lügnerischen und verbissenen Landesfeinde gelobt zu werden. Das Schicksal
ist eigenthümlich, aber unverdient trifft es die Herren nicht. Nachdem dann
der Verfasser kaum erzählt, daß die preußischen Minister sich wenig um die
Gesinnung der Majorität in den Kammern kümmern, ist ihm allerdings die
Thatsache unbequem, daß kurz darauf die beiden Minister Friedenthal und
Camphausen erklären, daß sie ihren Abschied fordern würden, sobald man ihnen
zeigen werde, daß sie nicht mit der Majorität Harmoniren. Da Lügen und
Leugnen hier nicht angeht, gleitet der würdige Mann schnell über diesen Punkt
hinweg, um eine Anzahl äußerst alberner Witze über die Abwesenheit des
Fürsten Bismarck, von deren wahrem Grunde er natürlich keine Ahnung hat,
zu reißen. -- Der Kanzler kränkt Herrn Valbert am meisten dadurch, daß
er einmal die Schlagfertigkeit des Heeres und die auswärtige Politik Preußens
für die Hauptsache erklärt, und der Kreisordnung weniger hohen Werth bei¬
gelegt hat. Den Handelsvertrag mit Oesterreich hat ferner der böse Kanzler
nur deshalb scheitern lassen um -- man höre -- Frankreich Eins zu versetzen
und es nicht seine vertragsmüßige Stellung unter den meistbegünstigten Nationen
einnehmen zu lassen. "Stets lauert er darauf, Frankreich Eins zu versetzen!"
klagt Herr Valbert. Nachdem er dann noch in aller Eile bewiesen hat, daß
er keinen Begriff davon habe, was ein Telephon ist, denn er will auf 200


Diener zu entlassen, besonders nach dem Dienste, den er ihm im Juli 1870
geleistet hat: „damals nämlich ist Graf Eulenburg, wie berichtet
wird, plötzlich inEms erschienen, ohne dorthin berufen zu sein
und hat den König angefleht, inne zu halten mit seinem fort¬
währenden Zurückweichen vor dem energischen Auftreten Bene-
dettis, durch diese Nachgiebigkeit sei die öffentiche Meinung
aufs Aeußerste gereizt, und er (der König) sei verloren, wenn
er noch einen Schritt zurückweiche."

Die Thronrede hat auch nicht den Beifall des Verfassers. Er findet ihren
Ton grämlich und mürrisch, sie habe das Haus der Abgeordneten keineswegs
erheitert. Diese Auffassung finde ich ganz erklärlich bei einem Franzosen,
dessen Nation seit 90 Jahren dahin strebt, aus ihrer Regierung den Erheite¬
rungsquell der Parteien zu machen. — Bei der nun folgenden Schilderung
der Ministerverantwortlichkeitsdebatte überströmt Herr Valbert wiederholt die
Herren Virchow und Windhorst mit seinen wärmsten Lobeserhebungen. Sie
waren Allen voran, die Rufer im Streit! „Herr Windthorst führte den Kampf
mit seinem gewohnten Feuer und Talent! Sein Köcher ist immer voll, er
versteht es, seine Pfeile pfeifend und zischend zu versenden!" Vom Treffen
sagt der vorsichtige Mann aber Nichts. Es muß ein wohlthuendes Bewußt¬
sein hervorrufen, in einem der gelesensten Journale vor ganz Europa von einem
so lügnerischen und verbissenen Landesfeinde gelobt zu werden. Das Schicksal
ist eigenthümlich, aber unverdient trifft es die Herren nicht. Nachdem dann
der Verfasser kaum erzählt, daß die preußischen Minister sich wenig um die
Gesinnung der Majorität in den Kammern kümmern, ist ihm allerdings die
Thatsache unbequem, daß kurz darauf die beiden Minister Friedenthal und
Camphausen erklären, daß sie ihren Abschied fordern würden, sobald man ihnen
zeigen werde, daß sie nicht mit der Majorität Harmoniren. Da Lügen und
Leugnen hier nicht angeht, gleitet der würdige Mann schnell über diesen Punkt
hinweg, um eine Anzahl äußerst alberner Witze über die Abwesenheit des
Fürsten Bismarck, von deren wahrem Grunde er natürlich keine Ahnung hat,
zu reißen. — Der Kanzler kränkt Herrn Valbert am meisten dadurch, daß
er einmal die Schlagfertigkeit des Heeres und die auswärtige Politik Preußens
für die Hauptsache erklärt, und der Kreisordnung weniger hohen Werth bei¬
gelegt hat. Den Handelsvertrag mit Oesterreich hat ferner der böse Kanzler
nur deshalb scheitern lassen um — man höre — Frankreich Eins zu versetzen
und es nicht seine vertragsmüßige Stellung unter den meistbegünstigten Nationen
einnehmen zu lassen. „Stets lauert er darauf, Frankreich Eins zu versetzen!"
klagt Herr Valbert. Nachdem er dann noch in aller Eile bewiesen hat, daß
er keinen Begriff davon habe, was ein Telephon ist, denn er will auf 200


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[0287] Diener zu entlassen, besonders nach dem Dienste, den er ihm im Juli 1870 geleistet hat: „damals nämlich ist Graf Eulenburg, wie berichtet wird, plötzlich inEms erschienen, ohne dorthin berufen zu sein und hat den König angefleht, inne zu halten mit seinem fort¬ währenden Zurückweichen vor dem energischen Auftreten Bene- dettis, durch diese Nachgiebigkeit sei die öffentiche Meinung aufs Aeußerste gereizt, und er (der König) sei verloren, wenn er noch einen Schritt zurückweiche." Die Thronrede hat auch nicht den Beifall des Verfassers. Er findet ihren Ton grämlich und mürrisch, sie habe das Haus der Abgeordneten keineswegs erheitert. Diese Auffassung finde ich ganz erklärlich bei einem Franzosen, dessen Nation seit 90 Jahren dahin strebt, aus ihrer Regierung den Erheite¬ rungsquell der Parteien zu machen. — Bei der nun folgenden Schilderung der Ministerverantwortlichkeitsdebatte überströmt Herr Valbert wiederholt die Herren Virchow und Windhorst mit seinen wärmsten Lobeserhebungen. Sie waren Allen voran, die Rufer im Streit! „Herr Windthorst führte den Kampf mit seinem gewohnten Feuer und Talent! Sein Köcher ist immer voll, er versteht es, seine Pfeile pfeifend und zischend zu versenden!" Vom Treffen sagt der vorsichtige Mann aber Nichts. Es muß ein wohlthuendes Bewußt¬ sein hervorrufen, in einem der gelesensten Journale vor ganz Europa von einem so lügnerischen und verbissenen Landesfeinde gelobt zu werden. Das Schicksal ist eigenthümlich, aber unverdient trifft es die Herren nicht. Nachdem dann der Verfasser kaum erzählt, daß die preußischen Minister sich wenig um die Gesinnung der Majorität in den Kammern kümmern, ist ihm allerdings die Thatsache unbequem, daß kurz darauf die beiden Minister Friedenthal und Camphausen erklären, daß sie ihren Abschied fordern würden, sobald man ihnen zeigen werde, daß sie nicht mit der Majorität Harmoniren. Da Lügen und Leugnen hier nicht angeht, gleitet der würdige Mann schnell über diesen Punkt hinweg, um eine Anzahl äußerst alberner Witze über die Abwesenheit des Fürsten Bismarck, von deren wahrem Grunde er natürlich keine Ahnung hat, zu reißen. — Der Kanzler kränkt Herrn Valbert am meisten dadurch, daß er einmal die Schlagfertigkeit des Heeres und die auswärtige Politik Preußens für die Hauptsache erklärt, und der Kreisordnung weniger hohen Werth bei¬ gelegt hat. Den Handelsvertrag mit Oesterreich hat ferner der böse Kanzler nur deshalb scheitern lassen um — man höre — Frankreich Eins zu versetzen und es nicht seine vertragsmüßige Stellung unter den meistbegünstigten Nationen einnehmen zu lassen. „Stets lauert er darauf, Frankreich Eins zu versetzen!" klagt Herr Valbert. Nachdem er dann noch in aller Eile bewiesen hat, daß er keinen Begriff davon habe, was ein Telephon ist, denn er will auf 200

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/287>, abgerufen am 14.05.2024.