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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Die deutsche Literatur Während des achtjährigen
Friedens 1748-1756.
(Klopstock, Wieland, Lessing, WinkelltMttN, Kant.)
Von Julian Schmidt. II.

Mit heimlicher Sehnsucht blickte Klopstock nach Berlin, wo er bereits
gewichtige Gönner hatte. Er dichtete ein Schlachtlied zu Ehren des schlesischen
Siegers: man hoffte, daß nun im Frieden die Zeit für die deutsche Literatur
kommen werde. Ganz unbegründet waren diese Hoffnungen nicht; Friedrich
war den Franzosen nicht unbedingt ergeben. Eben ließ er durch Maupertins
mit Haller unterhandeln: wenn er nach Berlin käme, wurde ihm Titel und
Rang nach Belieben freigestellt, und ihm eine überaus hohe Besoldung ver¬
sprochen, ohne daß er sich zu einer bestimmten Arbeit verpflichten sollte. Allein
Haller lehnte ab: vielleicht versprach ihm die Umgebung von Michaelis,
Gesner, Mosheim, Pütter u. s. w. größere Forderung für seine höheren Zwecke,
als was er in Berlin erwarten durfte.

"Sie kennen", schreibt Sulz er 27. Sept. 1749 an Bodmer, "den H. v.
Maupertins und den Geschmack des hiesigen Hofes nicht, wenn Sie meinen,
daß der Messias da würde ausgenommen werden; die Sache ist viel zu ernsthaft."

Daneben erhielt Klopstock an Bodmer selbst einen Konkurrenten: er
hatte, durch den Messias ermuthigt, seinen lange projektirten "Noah" in schneller
Arbeit zum großen Theil vollendet und nach Berlin geschickt, und Sulzer,
Sack und Gleim meinten bald, Milton, der Frühling und der Messias seien
übertroffen.

Unzweifelhaft hatte der "Noah" mehr epischen Gehalt als der "Messias",
aber die Ansftthrnng ist matt, oft ganz prosaisch; das Versmaß mit einer


Grcnzlwtcn I. 187", S1

Die deutsche Literatur Während des achtjährigen
Friedens 1748-1756.
(Klopstock, Wieland, Lessing, WinkelltMttN, Kant.)
Von Julian Schmidt. II.

Mit heimlicher Sehnsucht blickte Klopstock nach Berlin, wo er bereits
gewichtige Gönner hatte. Er dichtete ein Schlachtlied zu Ehren des schlesischen
Siegers: man hoffte, daß nun im Frieden die Zeit für die deutsche Literatur
kommen werde. Ganz unbegründet waren diese Hoffnungen nicht; Friedrich
war den Franzosen nicht unbedingt ergeben. Eben ließ er durch Maupertins
mit Haller unterhandeln: wenn er nach Berlin käme, wurde ihm Titel und
Rang nach Belieben freigestellt, und ihm eine überaus hohe Besoldung ver¬
sprochen, ohne daß er sich zu einer bestimmten Arbeit verpflichten sollte. Allein
Haller lehnte ab: vielleicht versprach ihm die Umgebung von Michaelis,
Gesner, Mosheim, Pütter u. s. w. größere Forderung für seine höheren Zwecke,
als was er in Berlin erwarten durfte.

„Sie kennen", schreibt Sulz er 27. Sept. 1749 an Bodmer, „den H. v.
Maupertins und den Geschmack des hiesigen Hofes nicht, wenn Sie meinen,
daß der Messias da würde ausgenommen werden; die Sache ist viel zu ernsthaft."

Daneben erhielt Klopstock an Bodmer selbst einen Konkurrenten: er
hatte, durch den Messias ermuthigt, seinen lange projektirten „Noah" in schneller
Arbeit zum großen Theil vollendet und nach Berlin geschickt, und Sulzer,
Sack und Gleim meinten bald, Milton, der Frühling und der Messias seien
übertroffen.

Unzweifelhaft hatte der „Noah" mehr epischen Gehalt als der „Messias",
aber die Ansftthrnng ist matt, oft ganz prosaisch; das Versmaß mit einer


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[0409] Die deutsche Literatur Während des achtjährigen Friedens 1748-1756. (Klopstock, Wieland, Lessing, WinkelltMttN, Kant.) Von Julian Schmidt. II. Mit heimlicher Sehnsucht blickte Klopstock nach Berlin, wo er bereits gewichtige Gönner hatte. Er dichtete ein Schlachtlied zu Ehren des schlesischen Siegers: man hoffte, daß nun im Frieden die Zeit für die deutsche Literatur kommen werde. Ganz unbegründet waren diese Hoffnungen nicht; Friedrich war den Franzosen nicht unbedingt ergeben. Eben ließ er durch Maupertins mit Haller unterhandeln: wenn er nach Berlin käme, wurde ihm Titel und Rang nach Belieben freigestellt, und ihm eine überaus hohe Besoldung ver¬ sprochen, ohne daß er sich zu einer bestimmten Arbeit verpflichten sollte. Allein Haller lehnte ab: vielleicht versprach ihm die Umgebung von Michaelis, Gesner, Mosheim, Pütter u. s. w. größere Forderung für seine höheren Zwecke, als was er in Berlin erwarten durfte. „Sie kennen", schreibt Sulz er 27. Sept. 1749 an Bodmer, „den H. v. Maupertins und den Geschmack des hiesigen Hofes nicht, wenn Sie meinen, daß der Messias da würde ausgenommen werden; die Sache ist viel zu ernsthaft." Daneben erhielt Klopstock an Bodmer selbst einen Konkurrenten: er hatte, durch den Messias ermuthigt, seinen lange projektirten „Noah" in schneller Arbeit zum großen Theil vollendet und nach Berlin geschickt, und Sulzer, Sack und Gleim meinten bald, Milton, der Frühling und der Messias seien übertroffen. Unzweifelhaft hatte der „Noah" mehr epischen Gehalt als der „Messias", aber die Ansftthrnng ist matt, oft ganz prosaisch; das Versmaß mit einer Grcnzlwtcn I. 187», S1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/409>, abgerufen am 15.05.2024.