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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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nach dem Tage von Chaironeia in bittrem Schmerze ausrief: "Verloren wir
nicht, so waren wir verloren!"

Zu Korinth wurde Friede geschlossen. Die hellenischen Staaten --
mit Allsnahme Spartas -- einem sich zu einem neuen Blinde und schlossen
in ihrer Gesammtheit mit dem makedonischer Königreiche einen ewigen Bund
zu Schutz und Trutz. Kein Heitere sollte gegen den König Kriegsdienst thun
oder seinen Feinden hilfreich sein, bei Strafe der Verbannung und des Ver-
lustes an Hab und Gut, -- Die Hauptsache aber war die, daß der Krieg
gegen die Perser beschlossen ward, "um die von ihnen an den hellenischen
Heiligthümern geübten Frevel zu rächen", und daß König Philippos für
diesen Krieg zum OberfeldhHerrn ernannt ward mit unumschränkter Ge¬
walt zu Laude wie zur See.

Seit Jahren hatte er diesen Gedanken erwogen und genährt. Wenn es
eine Idee gab, durch welche Hellas vereinigt werden konnte, so war es der
Angriff Asiens in Asien selbst; wer den glücklich durchführte, der war der
natürliche Hegemou Griechenlands. Wer aber vermochte das, als ein König
Philippos! Wohl hatten der Zug der Zehntausend und der Feldzug des Age-
silaos die Schwäche des Perserreichs erkennen lassen; wohl fehlte es auch den
Hellenen keineswegs an kriegerischer Tüchtigkeit: die vielen Tausende griechischer
Söldner an allen Enden der Welt bewiesen das deutlich genug. -- Diese
Kriegskräfte entzogen sich jedoch einer dauernden Benutzung durch die kleinen
Staaten von Hellas, welche nicht im Stande waren, sie längere Zeit zu be¬
solden und im Felde zu halten. Der aber, der das vermochte, durfte sie bei
einem Angriff auf Persien unbedingt den Bürgeraufgeboteu vorziehn, weil
diese sich für Kriege auf fernen Schauplätzen nimmermehr eigneten. Für einen
Mann von Philippos Schlage war also die Erlahmung der griechischen Bür¬
gerkriegskraft und die Herrschaft der Svldnerei ein Vortheil, der um so mehr
in's Gewicht fiel, als der König nicht von ihr abhängig war, sondern eine
eigene vom Söldnerwesen unabhängige Macht besaß. Eine solche war des
Philippos nationales Cadre-Heer. Es war das zweitemal, daß eine
derartige Erscheinung in der Weltgeschichte auftrat: Die Landschaft Persis
hatte sich durch ein ähnliches Heer an die Spitze Asiens geschwungen. Seit
es sich selbst ungetreu geworden, führte dies Vvlksheer indessen nur noch eine
Scheinherrschaft. Jetzt trat eine ganz ähnliche Bildung gegen Asien, gegen
Persien in die Schranken. -- Philippos meinte, daß der Erfolg unzweifelhaft
sei. Schon hatte er eine starke Avantgarde unter Attalvs nach Kleinasien
hinübergesendet, als er i. I. 336 ermordet ward.

Alex andros ist der Erbe seiner Macht und seiner Idee. Wie die Weltge¬
schichte, so knüpft auch die Geschichte des Kriegswesens an diesen Begriff den Namen


Grenzboten 1378. i. 24

nach dem Tage von Chaironeia in bittrem Schmerze ausrief: „Verloren wir
nicht, so waren wir verloren!"

Zu Korinth wurde Friede geschlossen. Die hellenischen Staaten —
mit Allsnahme Spartas — einem sich zu einem neuen Blinde und schlossen
in ihrer Gesammtheit mit dem makedonischer Königreiche einen ewigen Bund
zu Schutz und Trutz. Kein Heitere sollte gegen den König Kriegsdienst thun
oder seinen Feinden hilfreich sein, bei Strafe der Verbannung und des Ver-
lustes an Hab und Gut, — Die Hauptsache aber war die, daß der Krieg
gegen die Perser beschlossen ward, „um die von ihnen an den hellenischen
Heiligthümern geübten Frevel zu rächen", und daß König Philippos für
diesen Krieg zum OberfeldhHerrn ernannt ward mit unumschränkter Ge¬
walt zu Laude wie zur See.

Seit Jahren hatte er diesen Gedanken erwogen und genährt. Wenn es
eine Idee gab, durch welche Hellas vereinigt werden konnte, so war es der
Angriff Asiens in Asien selbst; wer den glücklich durchführte, der war der
natürliche Hegemou Griechenlands. Wer aber vermochte das, als ein König
Philippos! Wohl hatten der Zug der Zehntausend und der Feldzug des Age-
silaos die Schwäche des Perserreichs erkennen lassen; wohl fehlte es auch den
Hellenen keineswegs an kriegerischer Tüchtigkeit: die vielen Tausende griechischer
Söldner an allen Enden der Welt bewiesen das deutlich genug. — Diese
Kriegskräfte entzogen sich jedoch einer dauernden Benutzung durch die kleinen
Staaten von Hellas, welche nicht im Stande waren, sie längere Zeit zu be¬
solden und im Felde zu halten. Der aber, der das vermochte, durfte sie bei
einem Angriff auf Persien unbedingt den Bürgeraufgeboteu vorziehn, weil
diese sich für Kriege auf fernen Schauplätzen nimmermehr eigneten. Für einen
Mann von Philippos Schlage war also die Erlahmung der griechischen Bür¬
gerkriegskraft und die Herrschaft der Svldnerei ein Vortheil, der um so mehr
in's Gewicht fiel, als der König nicht von ihr abhängig war, sondern eine
eigene vom Söldnerwesen unabhängige Macht besaß. Eine solche war des
Philippos nationales Cadre-Heer. Es war das zweitemal, daß eine
derartige Erscheinung in der Weltgeschichte auftrat: Die Landschaft Persis
hatte sich durch ein ähnliches Heer an die Spitze Asiens geschwungen. Seit
es sich selbst ungetreu geworden, führte dies Vvlksheer indessen nur noch eine
Scheinherrschaft. Jetzt trat eine ganz ähnliche Bildung gegen Asien, gegen
Persien in die Schranken. — Philippos meinte, daß der Erfolg unzweifelhaft
sei. Schon hatte er eine starke Avantgarde unter Attalvs nach Kleinasien
hinübergesendet, als er i. I. 336 ermordet ward.

Alex andros ist der Erbe seiner Macht und seiner Idee. Wie die Weltge¬
schichte, so knüpft auch die Geschichte des Kriegswesens an diesen Begriff den Namen


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[0433] nach dem Tage von Chaironeia in bittrem Schmerze ausrief: „Verloren wir nicht, so waren wir verloren!" Zu Korinth wurde Friede geschlossen. Die hellenischen Staaten — mit Allsnahme Spartas — einem sich zu einem neuen Blinde und schlossen in ihrer Gesammtheit mit dem makedonischer Königreiche einen ewigen Bund zu Schutz und Trutz. Kein Heitere sollte gegen den König Kriegsdienst thun oder seinen Feinden hilfreich sein, bei Strafe der Verbannung und des Ver- lustes an Hab und Gut, — Die Hauptsache aber war die, daß der Krieg gegen die Perser beschlossen ward, „um die von ihnen an den hellenischen Heiligthümern geübten Frevel zu rächen", und daß König Philippos für diesen Krieg zum OberfeldhHerrn ernannt ward mit unumschränkter Ge¬ walt zu Laude wie zur See. Seit Jahren hatte er diesen Gedanken erwogen und genährt. Wenn es eine Idee gab, durch welche Hellas vereinigt werden konnte, so war es der Angriff Asiens in Asien selbst; wer den glücklich durchführte, der war der natürliche Hegemou Griechenlands. Wer aber vermochte das, als ein König Philippos! Wohl hatten der Zug der Zehntausend und der Feldzug des Age- silaos die Schwäche des Perserreichs erkennen lassen; wohl fehlte es auch den Hellenen keineswegs an kriegerischer Tüchtigkeit: die vielen Tausende griechischer Söldner an allen Enden der Welt bewiesen das deutlich genug. — Diese Kriegskräfte entzogen sich jedoch einer dauernden Benutzung durch die kleinen Staaten von Hellas, welche nicht im Stande waren, sie längere Zeit zu be¬ solden und im Felde zu halten. Der aber, der das vermochte, durfte sie bei einem Angriff auf Persien unbedingt den Bürgeraufgeboteu vorziehn, weil diese sich für Kriege auf fernen Schauplätzen nimmermehr eigneten. Für einen Mann von Philippos Schlage war also die Erlahmung der griechischen Bür¬ gerkriegskraft und die Herrschaft der Svldnerei ein Vortheil, der um so mehr in's Gewicht fiel, als der König nicht von ihr abhängig war, sondern eine eigene vom Söldnerwesen unabhängige Macht besaß. Eine solche war des Philippos nationales Cadre-Heer. Es war das zweitemal, daß eine derartige Erscheinung in der Weltgeschichte auftrat: Die Landschaft Persis hatte sich durch ein ähnliches Heer an die Spitze Asiens geschwungen. Seit es sich selbst ungetreu geworden, führte dies Vvlksheer indessen nur noch eine Scheinherrschaft. Jetzt trat eine ganz ähnliche Bildung gegen Asien, gegen Persien in die Schranken. — Philippos meinte, daß der Erfolg unzweifelhaft sei. Schon hatte er eine starke Avantgarde unter Attalvs nach Kleinasien hinübergesendet, als er i. I. 336 ermordet ward. Alex andros ist der Erbe seiner Macht und seiner Idee. Wie die Weltge¬ schichte, so knüpft auch die Geschichte des Kriegswesens an diesen Begriff den Namen Grenzboten 1378. i. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/433>, abgerufen am 14.05.2024.