Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bevölkerung vorhanden war, als die in sich selbst wieder bunt gemengten
Kriegsschaaren der Dorier von den Eurotasquellen herunter kamen, um für
sich und ihre Familien Land zu gewinnen. Anfangs hatte es den Anschein,
als würden sich die Dinge wie in Messenien und Argolis gestalten. Zwei
königliche Familien mit ihren in der Vorgeschichte des Landes begründeten
Rechten, unter sich mißgünstig wie in häufigen Zerwürfnissen mit ihrem
Dorischen Kriegsvolke; daneben jahrhundert-alte Ueberreste von Einrichtungen
der heroischen Zeit, und auf der andern Seite das jener Vergangenheit durchaus
fremde Dorervolk, spröde und ungefüge, im stolzen Bewußtsein überlegener
Kriegsmacht, eifersüchtig die ihm zugestandenen Rechte hudert -- welche Ver¬
wirrung, welche Schwierigkeiten! -- Die Lösung derselben knüpft sich an den
Namen des Lykurgos und beruht wesentlich auf einem Vertrage, demzufolge
das Zwillingskönigthum bestehen blieb und die Dorier sich, nach kretischen
Vorbilde, kriegerkastenartig von den andern Landbewohnern abschlossen. Ein
zusammenhangendes Gebiet des besten Bodens wurde ihnen in 9000 gleichen
Ackerlosen zugetheilt. Der Mittelpunkt dieser Landschaft war das an der
Eurotasfurt gelegene offene Sparta, nach dem fortan die Dorer sich Spartiaten
nannten, im Gegensatz zu der alten Landbevölkerung, welche auf den unfrucht¬
bareren Bergen rings um die üppige Niederung wohnte und daher als die
"Umwohnenden" oder Periöken bezeichnet wurde. An Zahl den Spartiaten
um das dreifache überlegen, waren sie doch genöthigt, den undankbareren
Boden zu beackern, Bergbau und Handel zu treiben, und auf jede Theilnahme
an der Landesregierung zu verzichten. Aber sie blieben doch frei; das Land¬
volk, welches auf den Aeckern der Spartiaten saß, hatte ein härteres Loos.
Es arbeitete wesentlich für die Dorier, und als dies wiederholte Aufstände
hervorrief, deren Mittelpunkt die alte Seestadt Helios war, wurden die nach
ihr benannten Aufständischen, die Heiloten, zu rechtlosen Staatssklaven
herabgedrückt.

Die Spartiaten hatten also alles beste Land für sich; aber sie durften es
weder veräußern noch vermehren. Unverändert gingen die Ackerlose als
Majorate vom Vater auf den Sohn, und die Könige wachten über die Erhaltung
der hergestellten Ordnung; sie sorgten, daß die Spartiaten rechtzeitige Ehen
schlössen, damit es nie an Erben des Kriegerloses fehle; sie hoben kinderlose
Ehen auf und sahen darauf, daß die Erbtochter lautlose Mitglieder der Krieger¬
gemeinde heiratheten.

Uebrigens waren die Spartiaten nicht nur, wie die kretischen Dorier,
Hüter des Gemeinwesens, sondern auch dessen gesetzliche Leiter. Bei jedem
Vollmond mußte der König die Spartiaten versammeln, und an diesem Gemeinde¬
tage, der zugleich eine Heerschau war, wurden die öffentlichen Angelegenheiten


Bevölkerung vorhanden war, als die in sich selbst wieder bunt gemengten
Kriegsschaaren der Dorier von den Eurotasquellen herunter kamen, um für
sich und ihre Familien Land zu gewinnen. Anfangs hatte es den Anschein,
als würden sich die Dinge wie in Messenien und Argolis gestalten. Zwei
königliche Familien mit ihren in der Vorgeschichte des Landes begründeten
Rechten, unter sich mißgünstig wie in häufigen Zerwürfnissen mit ihrem
Dorischen Kriegsvolke; daneben jahrhundert-alte Ueberreste von Einrichtungen
der heroischen Zeit, und auf der andern Seite das jener Vergangenheit durchaus
fremde Dorervolk, spröde und ungefüge, im stolzen Bewußtsein überlegener
Kriegsmacht, eifersüchtig die ihm zugestandenen Rechte hudert — welche Ver¬
wirrung, welche Schwierigkeiten! — Die Lösung derselben knüpft sich an den
Namen des Lykurgos und beruht wesentlich auf einem Vertrage, demzufolge
das Zwillingskönigthum bestehen blieb und die Dorier sich, nach kretischen
Vorbilde, kriegerkastenartig von den andern Landbewohnern abschlossen. Ein
zusammenhangendes Gebiet des besten Bodens wurde ihnen in 9000 gleichen
Ackerlosen zugetheilt. Der Mittelpunkt dieser Landschaft war das an der
Eurotasfurt gelegene offene Sparta, nach dem fortan die Dorer sich Spartiaten
nannten, im Gegensatz zu der alten Landbevölkerung, welche auf den unfrucht¬
bareren Bergen rings um die üppige Niederung wohnte und daher als die
„Umwohnenden" oder Periöken bezeichnet wurde. An Zahl den Spartiaten
um das dreifache überlegen, waren sie doch genöthigt, den undankbareren
Boden zu beackern, Bergbau und Handel zu treiben, und auf jede Theilnahme
an der Landesregierung zu verzichten. Aber sie blieben doch frei; das Land¬
volk, welches auf den Aeckern der Spartiaten saß, hatte ein härteres Loos.
Es arbeitete wesentlich für die Dorier, und als dies wiederholte Aufstände
hervorrief, deren Mittelpunkt die alte Seestadt Helios war, wurden die nach
ihr benannten Aufständischen, die Heiloten, zu rechtlosen Staatssklaven
herabgedrückt.

Die Spartiaten hatten also alles beste Land für sich; aber sie durften es
weder veräußern noch vermehren. Unverändert gingen die Ackerlose als
Majorate vom Vater auf den Sohn, und die Könige wachten über die Erhaltung
der hergestellten Ordnung; sie sorgten, daß die Spartiaten rechtzeitige Ehen
schlössen, damit es nie an Erben des Kriegerloses fehle; sie hoben kinderlose
Ehen auf und sahen darauf, daß die Erbtochter lautlose Mitglieder der Krieger¬
gemeinde heiratheten.

Uebrigens waren die Spartiaten nicht nur, wie die kretischen Dorier,
Hüter des Gemeinwesens, sondern auch dessen gesetzliche Leiter. Bei jedem
Vollmond mußte der König die Spartiaten versammeln, und an diesem Gemeinde¬
tage, der zugleich eine Heerschau war, wurden die öffentlichen Angelegenheiten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139343"/>
          <p xml:id="ID_151" prev="#ID_150"> Bevölkerung vorhanden war, als die in sich selbst wieder bunt gemengten<lb/>
Kriegsschaaren der Dorier von den Eurotasquellen herunter kamen, um für<lb/>
sich und ihre Familien Land zu gewinnen. Anfangs hatte es den Anschein,<lb/>
als würden sich die Dinge wie in Messenien und Argolis gestalten. Zwei<lb/>
königliche Familien mit ihren in der Vorgeschichte des Landes begründeten<lb/>
Rechten, unter sich mißgünstig wie in häufigen Zerwürfnissen mit ihrem<lb/>
Dorischen Kriegsvolke; daneben jahrhundert-alte Ueberreste von Einrichtungen<lb/>
der heroischen Zeit, und auf der andern Seite das jener Vergangenheit durchaus<lb/>
fremde Dorervolk, spröde und ungefüge, im stolzen Bewußtsein überlegener<lb/>
Kriegsmacht, eifersüchtig die ihm zugestandenen Rechte hudert &#x2014; welche Ver¬<lb/>
wirrung, welche Schwierigkeiten! &#x2014; Die Lösung derselben knüpft sich an den<lb/>
Namen des Lykurgos und beruht wesentlich auf einem Vertrage, demzufolge<lb/>
das Zwillingskönigthum bestehen blieb und die Dorier sich, nach kretischen<lb/>
Vorbilde, kriegerkastenartig von den andern Landbewohnern abschlossen. Ein<lb/>
zusammenhangendes Gebiet des besten Bodens wurde ihnen in 9000 gleichen<lb/>
Ackerlosen zugetheilt. Der Mittelpunkt dieser Landschaft war das an der<lb/>
Eurotasfurt gelegene offene Sparta, nach dem fortan die Dorer sich Spartiaten<lb/>
nannten, im Gegensatz zu der alten Landbevölkerung, welche auf den unfrucht¬<lb/>
bareren Bergen rings um die üppige Niederung wohnte und daher als die<lb/>
&#x201E;Umwohnenden" oder Periöken bezeichnet wurde. An Zahl den Spartiaten<lb/>
um das dreifache überlegen, waren sie doch genöthigt, den undankbareren<lb/>
Boden zu beackern, Bergbau und Handel zu treiben, und auf jede Theilnahme<lb/>
an der Landesregierung zu verzichten. Aber sie blieben doch frei; das Land¬<lb/>
volk, welches auf den Aeckern der Spartiaten saß, hatte ein härteres Loos.<lb/>
Es arbeitete wesentlich für die Dorier, und als dies wiederholte Aufstände<lb/>
hervorrief, deren Mittelpunkt die alte Seestadt Helios war, wurden die nach<lb/>
ihr benannten Aufständischen, die Heiloten, zu rechtlosen Staatssklaven<lb/>
herabgedrückt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_152"> Die Spartiaten hatten also alles beste Land für sich; aber sie durften es<lb/>
weder veräußern noch vermehren. Unverändert gingen die Ackerlose als<lb/>
Majorate vom Vater auf den Sohn, und die Könige wachten über die Erhaltung<lb/>
der hergestellten Ordnung; sie sorgten, daß die Spartiaten rechtzeitige Ehen<lb/>
schlössen, damit es nie an Erben des Kriegerloses fehle; sie hoben kinderlose<lb/>
Ehen auf und sahen darauf, daß die Erbtochter lautlose Mitglieder der Krieger¬<lb/>
gemeinde heiratheten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_153" next="#ID_154"> Uebrigens waren die Spartiaten nicht nur, wie die kretischen Dorier,<lb/>
Hüter des Gemeinwesens, sondern auch dessen gesetzliche Leiter. Bei jedem<lb/>
Vollmond mußte der König die Spartiaten versammeln, und an diesem Gemeinde¬<lb/>
tage, der zugleich eine Heerschau war, wurden die öffentlichen Angelegenheiten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0050] Bevölkerung vorhanden war, als die in sich selbst wieder bunt gemengten Kriegsschaaren der Dorier von den Eurotasquellen herunter kamen, um für sich und ihre Familien Land zu gewinnen. Anfangs hatte es den Anschein, als würden sich die Dinge wie in Messenien und Argolis gestalten. Zwei königliche Familien mit ihren in der Vorgeschichte des Landes begründeten Rechten, unter sich mißgünstig wie in häufigen Zerwürfnissen mit ihrem Dorischen Kriegsvolke; daneben jahrhundert-alte Ueberreste von Einrichtungen der heroischen Zeit, und auf der andern Seite das jener Vergangenheit durchaus fremde Dorervolk, spröde und ungefüge, im stolzen Bewußtsein überlegener Kriegsmacht, eifersüchtig die ihm zugestandenen Rechte hudert — welche Ver¬ wirrung, welche Schwierigkeiten! — Die Lösung derselben knüpft sich an den Namen des Lykurgos und beruht wesentlich auf einem Vertrage, demzufolge das Zwillingskönigthum bestehen blieb und die Dorier sich, nach kretischen Vorbilde, kriegerkastenartig von den andern Landbewohnern abschlossen. Ein zusammenhangendes Gebiet des besten Bodens wurde ihnen in 9000 gleichen Ackerlosen zugetheilt. Der Mittelpunkt dieser Landschaft war das an der Eurotasfurt gelegene offene Sparta, nach dem fortan die Dorer sich Spartiaten nannten, im Gegensatz zu der alten Landbevölkerung, welche auf den unfrucht¬ bareren Bergen rings um die üppige Niederung wohnte und daher als die „Umwohnenden" oder Periöken bezeichnet wurde. An Zahl den Spartiaten um das dreifache überlegen, waren sie doch genöthigt, den undankbareren Boden zu beackern, Bergbau und Handel zu treiben, und auf jede Theilnahme an der Landesregierung zu verzichten. Aber sie blieben doch frei; das Land¬ volk, welches auf den Aeckern der Spartiaten saß, hatte ein härteres Loos. Es arbeitete wesentlich für die Dorier, und als dies wiederholte Aufstände hervorrief, deren Mittelpunkt die alte Seestadt Helios war, wurden die nach ihr benannten Aufständischen, die Heiloten, zu rechtlosen Staatssklaven herabgedrückt. Die Spartiaten hatten also alles beste Land für sich; aber sie durften es weder veräußern noch vermehren. Unverändert gingen die Ackerlose als Majorate vom Vater auf den Sohn, und die Könige wachten über die Erhaltung der hergestellten Ordnung; sie sorgten, daß die Spartiaten rechtzeitige Ehen schlössen, damit es nie an Erben des Kriegerloses fehle; sie hoben kinderlose Ehen auf und sahen darauf, daß die Erbtochter lautlose Mitglieder der Krieger¬ gemeinde heiratheten. Uebrigens waren die Spartiaten nicht nur, wie die kretischen Dorier, Hüter des Gemeinwesens, sondern auch dessen gesetzliche Leiter. Bei jedem Vollmond mußte der König die Spartiaten versammeln, und an diesem Gemeinde¬ tage, der zugleich eine Heerschau war, wurden die öffentlichen Angelegenheiten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/50
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/50>, abgerufen am 13.05.2024.