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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Kaum war die Ehe Lukrezias mit Giov. Sforza gelöst, als der Papst
so rasch als möglich aus einer andern Ehe neue Vortheile zu ziehen versuchte.

Diesmal war es ein natürlicher Sohn der schon erschütterten Neapolitanischen
Königsdynastie, um den er warb. Schon um 21. Juli 1498 wurde der Bund
geschlossen. Alphonso der neue Gemahl Lukrezias erhielt die Städte Quadrat"
und Biselli von seinem Vater und Lukrezia wurde dadurch Herzogin von Biselli.
Der junge Herzog war nur 17 Jahre alt, ein Jahr jünger als Lukrezia.

Da das Ehepaar in Rom leben sollte, konnte von einer Aenderung in dem
Lebenswandel Lnkrezias keine Rede sein. Zu Alphonso nun soll "Lukrezia,
wie ein Gesandter Mcmtuas einmal schreibt, eine wirkliche Neigung gefaßt
haben." Nach dem was aber weiter geschah, ist dies kaum glaublich.

Der junge Herzog von Biselli entfloh plötzlich aus Rom, trotzdem sich
Lukrezia im 6. Monate ihrer Schwangerschaft befand. Eine höchst bedenkliche
und unheimliche Thatsache! Und wieder fehlen alle näheren historischen
Dokumente, um sie beurtheilen zu können. Ich muß sagen, es ist dies eins
der verdächtigsten Ereignisse in Lnkrezias Leben, denn von jenem Neapolitanischen
Plane der Borgia, wie Gregorovius meint, konnte der junge Alphonso keine
Nachricht haben, das ist, weil viel zu früh, einfach unmöglich.

Dem jungen Gemahle Lukrezias muß inmitten des päpstlichen Höllen-
Pfuhls gegraust haben und ihm über manches die Augen aufgegangen sein,
das ist wohl die wahrscheinlichste Erklärung. Wir wissen nichts genaues
darüber, aber daß Lukrezia nichts bewiesen werden kann, ist doch wahrlich kein
Grund für ihre Unschuld, noch weniger -- was auch nicht einmal sicher
feststeht, -- daß sie in Thränen zerfloß. Dies? können Thränen der Scham,
der Wuth, der Entrüstung, ja selbst der Reue gewesen sein. Konstatirt ist, daß
Alphonso heimlich entfloh', und daß Lukrezia nichts von dieser Flucht wußte.

Wie liebevoll ihm aber der Papst gesinnt war, sieht man daraus, daß er
ihm Reiter nachschickte, die ihn jedoch nicht mehr erreichten.

Um das Aufsehen einigermaßen zu beschwichtigen, welches diese Flucht
allenthalben gemacht, -- Gregorovius meint, ohne es zu belegen, weil
Lukrezia ihm Vorwürfe gemacht habe -- schickte der Papst seine Tochter auf einige
Zeit nach Spoleto. Ihr Aufenthalt in dieser Stadt dauerte übrigens nur,
sehr kurze Zeit. Der Papst konnte und wollte sie nicht länger missen. Er
holte sie in Person von Nepi ab, und dorthin kehrte endlich auch zu seinem


lnmo della Carna gefunden, die in das Archioiv ti Stato in Roma aufgenommen sind. Er
erscheint hier als Schuldner einer Marghcrita Bohm in Geld und Gegenständen im Werthe
weniger Scudi, um die sich ein Prozeß entsponnen zu bauen scheint. Sie datiren vom
13. Februar 1S46 resp. 17. Juli 1S48; damals wird er etwa S0 Jahre alt gestorben sein.
Ademollo, p. 97 ff.

Kaum war die Ehe Lukrezias mit Giov. Sforza gelöst, als der Papst
so rasch als möglich aus einer andern Ehe neue Vortheile zu ziehen versuchte.

Diesmal war es ein natürlicher Sohn der schon erschütterten Neapolitanischen
Königsdynastie, um den er warb. Schon um 21. Juli 1498 wurde der Bund
geschlossen. Alphonso der neue Gemahl Lukrezias erhielt die Städte Quadrat«
und Biselli von seinem Vater und Lukrezia wurde dadurch Herzogin von Biselli.
Der junge Herzog war nur 17 Jahre alt, ein Jahr jünger als Lukrezia.

Da das Ehepaar in Rom leben sollte, konnte von einer Aenderung in dem
Lebenswandel Lnkrezias keine Rede sein. Zu Alphonso nun soll „Lukrezia,
wie ein Gesandter Mcmtuas einmal schreibt, eine wirkliche Neigung gefaßt
haben." Nach dem was aber weiter geschah, ist dies kaum glaublich.

Der junge Herzog von Biselli entfloh plötzlich aus Rom, trotzdem sich
Lukrezia im 6. Monate ihrer Schwangerschaft befand. Eine höchst bedenkliche
und unheimliche Thatsache! Und wieder fehlen alle näheren historischen
Dokumente, um sie beurtheilen zu können. Ich muß sagen, es ist dies eins
der verdächtigsten Ereignisse in Lnkrezias Leben, denn von jenem Neapolitanischen
Plane der Borgia, wie Gregorovius meint, konnte der junge Alphonso keine
Nachricht haben, das ist, weil viel zu früh, einfach unmöglich.

Dem jungen Gemahle Lukrezias muß inmitten des päpstlichen Höllen-
Pfuhls gegraust haben und ihm über manches die Augen aufgegangen sein,
das ist wohl die wahrscheinlichste Erklärung. Wir wissen nichts genaues
darüber, aber daß Lukrezia nichts bewiesen werden kann, ist doch wahrlich kein
Grund für ihre Unschuld, noch weniger — was auch nicht einmal sicher
feststeht, — daß sie in Thränen zerfloß. Dies? können Thränen der Scham,
der Wuth, der Entrüstung, ja selbst der Reue gewesen sein. Konstatirt ist, daß
Alphonso heimlich entfloh', und daß Lukrezia nichts von dieser Flucht wußte.

Wie liebevoll ihm aber der Papst gesinnt war, sieht man daraus, daß er
ihm Reiter nachschickte, die ihn jedoch nicht mehr erreichten.

Um das Aufsehen einigermaßen zu beschwichtigen, welches diese Flucht
allenthalben gemacht, — Gregorovius meint, ohne es zu belegen, weil
Lukrezia ihm Vorwürfe gemacht habe — schickte der Papst seine Tochter auf einige
Zeit nach Spoleto. Ihr Aufenthalt in dieser Stadt dauerte übrigens nur,
sehr kurze Zeit. Der Papst konnte und wollte sie nicht länger missen. Er
holte sie in Person von Nepi ab, und dorthin kehrte endlich auch zu seinem


lnmo della Carna gefunden, die in das Archioiv ti Stato in Roma aufgenommen sind. Er
erscheint hier als Schuldner einer Marghcrita Bohm in Geld und Gegenständen im Werthe
weniger Scudi, um die sich ein Prozeß entsponnen zu bauen scheint. Sie datiren vom
13. Februar 1S46 resp. 17. Juli 1S48; damals wird er etwa S0 Jahre alt gestorben sein.
Ademollo, p. 97 ff.
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[0501] Kaum war die Ehe Lukrezias mit Giov. Sforza gelöst, als der Papst so rasch als möglich aus einer andern Ehe neue Vortheile zu ziehen versuchte. Diesmal war es ein natürlicher Sohn der schon erschütterten Neapolitanischen Königsdynastie, um den er warb. Schon um 21. Juli 1498 wurde der Bund geschlossen. Alphonso der neue Gemahl Lukrezias erhielt die Städte Quadrat« und Biselli von seinem Vater und Lukrezia wurde dadurch Herzogin von Biselli. Der junge Herzog war nur 17 Jahre alt, ein Jahr jünger als Lukrezia. Da das Ehepaar in Rom leben sollte, konnte von einer Aenderung in dem Lebenswandel Lnkrezias keine Rede sein. Zu Alphonso nun soll „Lukrezia, wie ein Gesandter Mcmtuas einmal schreibt, eine wirkliche Neigung gefaßt haben." Nach dem was aber weiter geschah, ist dies kaum glaublich. Der junge Herzog von Biselli entfloh plötzlich aus Rom, trotzdem sich Lukrezia im 6. Monate ihrer Schwangerschaft befand. Eine höchst bedenkliche und unheimliche Thatsache! Und wieder fehlen alle näheren historischen Dokumente, um sie beurtheilen zu können. Ich muß sagen, es ist dies eins der verdächtigsten Ereignisse in Lnkrezias Leben, denn von jenem Neapolitanischen Plane der Borgia, wie Gregorovius meint, konnte der junge Alphonso keine Nachricht haben, das ist, weil viel zu früh, einfach unmöglich. Dem jungen Gemahle Lukrezias muß inmitten des päpstlichen Höllen- Pfuhls gegraust haben und ihm über manches die Augen aufgegangen sein, das ist wohl die wahrscheinlichste Erklärung. Wir wissen nichts genaues darüber, aber daß Lukrezia nichts bewiesen werden kann, ist doch wahrlich kein Grund für ihre Unschuld, noch weniger — was auch nicht einmal sicher feststeht, — daß sie in Thränen zerfloß. Dies? können Thränen der Scham, der Wuth, der Entrüstung, ja selbst der Reue gewesen sein. Konstatirt ist, daß Alphonso heimlich entfloh', und daß Lukrezia nichts von dieser Flucht wußte. Wie liebevoll ihm aber der Papst gesinnt war, sieht man daraus, daß er ihm Reiter nachschickte, die ihn jedoch nicht mehr erreichten. Um das Aufsehen einigermaßen zu beschwichtigen, welches diese Flucht allenthalben gemacht, — Gregorovius meint, ohne es zu belegen, weil Lukrezia ihm Vorwürfe gemacht habe — schickte der Papst seine Tochter auf einige Zeit nach Spoleto. Ihr Aufenthalt in dieser Stadt dauerte übrigens nur, sehr kurze Zeit. Der Papst konnte und wollte sie nicht länger missen. Er holte sie in Person von Nepi ab, und dorthin kehrte endlich auch zu seinem lnmo della Carna gefunden, die in das Archioiv ti Stato in Roma aufgenommen sind. Er erscheint hier als Schuldner einer Marghcrita Bohm in Geld und Gegenständen im Werthe weniger Scudi, um die sich ein Prozeß entsponnen zu bauen scheint. Sie datiren vom 13. Februar 1S46 resp. 17. Juli 1S48; damals wird er etwa S0 Jahre alt gestorben sein. Ademollo, p. 97 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/501>, abgerufen am 31.05.2024.