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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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habe Alphonso retten wollen --, mit Stillschweigen, wie der einfachste Mord
des gemeinsten Mannes wurde die That übergangen, ohne Sang und Klang
wurde der Herzog eingescharrt.*) Lukrezia zeigte nichts von Zorn oder Haß
gegen den Mörder,**) im Gegentheile Zeit ihres Lebens stand sie mit Cesare
auf dem allerbesten Fuße. Als jene Katastrophe über ihn hereinbrach, hat
niemand mehr für ihn gewirkt, als gerade Lukrezia.

So elend und schwach erscheint sie, daß schon im November desselben
Jahres an eine neue Hochzeit gedacht werden konnte. Es war kein geringerer
als Alphonso, Erbprinz von Ferrar<mit dem ihr Vater sie zu vermählen gedachte.

Ueber die ferraresische Zeit Lukrezias mögen nur noch wenige Bemerkungen
der Apologeten wegen gestattet sein. Gregorovius preist mit ihnen den exem¬
plarischer Lebenswandel, den Lukrezia von nun an an dem Hofe von Ferrara
geführt habe und meint, was sie auch früher gesündigt haben möge, er mache
alles wieder gut, und eine Frau, der so allgemeines und enthusiastisches Lob
in dieser ganzen Epoche und von so bedeutenden Männern, wie Bembo, Ariost
und den Strozzis, von den Chronisten ganz abgesehen, gespendet werde, könne
gar nicht vorher einen so schlimmen Lebenswandel geführt haben.

Ich frage hier dreierlei: erstens kann dieser exemplarische Lebenswandel
seine besonderen Gründe gehabt haben? Zweitens: was ist das Lob werth, welches
ihr gespendet worden ist? Endlich drittens: war dieser Lebenswandel wirklich
so exemplarisch? Auf die erste Frage bemerke ich, daß es Lukrezia in Ferrara
doch im Allgemeinen etwas an Gelegenheit fehlte, eine, wenn auch nur passive
Rolle in Greueln und Morden zu spielen, ebensowenig war es hier gerathen,
aktiv in schlimmen Ränken und Liebeshändeln aufzutreten. Denn Herzog
Ercole sowie ihr Gatte Alphonso verstanden -- dafür waren sie bekannt -- nicht
den geringsten Spaß in dergleichen.

Die Moral des Hofes von Ferrara war sonst so schwach, wie die jedes
andern Hofes der Zeit. Trotzdem hielt Lukrezia es für geboten, an diesem
Hofe die größte Vorsicht zu beobachten. Ihres Vaters Macht reichte nicht so




') Vergl. den Bericht von Burkhard: "Der erlauchte Don Alphonso, Herzog von
Biselli und Fürst von Salerno, welcher am Abend des Is. Juli schwer verwundet worden
war, wurde, weil er an diesen ihm beigebrachten Wunden nicht sterben wollte, am 18. August
in seinem Bette erwürgt gegen die erste Stunde der Nacht. Man trug die Leiche nach Se.
Peter. Don Fr. Borgia, Thesaurar des Papstes begleitete sie mit seiner Familie. Man
führte in die Engelsburg die Aerzte des Todten und einen gewissen Buckligen, welcher mit
dein Fürsten gewöhnlich zu verkehren Pflegte, und man inquirirte sie. Sie wurden bald frei
gelassen, da derjenige straflos ausging, welcher deu Auftrag gegeben hatte, und man kannte
ihn sehr wohl."
"
) Höchst einsilbig schreibt Burkhard: "Am letzten August verließ M L. die Stadt von
WO Reitern begleitet (nach Nepi), um sich von der Gemüthsbewegung zu erholen, die ihr
der Tod des Herzogs, ihres Gatten, zugezogen hatte.

habe Alphonso retten wollen —, mit Stillschweigen, wie der einfachste Mord
des gemeinsten Mannes wurde die That übergangen, ohne Sang und Klang
wurde der Herzog eingescharrt.*) Lukrezia zeigte nichts von Zorn oder Haß
gegen den Mörder,**) im Gegentheile Zeit ihres Lebens stand sie mit Cesare
auf dem allerbesten Fuße. Als jene Katastrophe über ihn hereinbrach, hat
niemand mehr für ihn gewirkt, als gerade Lukrezia.

So elend und schwach erscheint sie, daß schon im November desselben
Jahres an eine neue Hochzeit gedacht werden konnte. Es war kein geringerer
als Alphonso, Erbprinz von Ferrar<mit dem ihr Vater sie zu vermählen gedachte.

Ueber die ferraresische Zeit Lukrezias mögen nur noch wenige Bemerkungen
der Apologeten wegen gestattet sein. Gregorovius preist mit ihnen den exem¬
plarischer Lebenswandel, den Lukrezia von nun an an dem Hofe von Ferrara
geführt habe und meint, was sie auch früher gesündigt haben möge, er mache
alles wieder gut, und eine Frau, der so allgemeines und enthusiastisches Lob
in dieser ganzen Epoche und von so bedeutenden Männern, wie Bembo, Ariost
und den Strozzis, von den Chronisten ganz abgesehen, gespendet werde, könne
gar nicht vorher einen so schlimmen Lebenswandel geführt haben.

Ich frage hier dreierlei: erstens kann dieser exemplarische Lebenswandel
seine besonderen Gründe gehabt haben? Zweitens: was ist das Lob werth, welches
ihr gespendet worden ist? Endlich drittens: war dieser Lebenswandel wirklich
so exemplarisch? Auf die erste Frage bemerke ich, daß es Lukrezia in Ferrara
doch im Allgemeinen etwas an Gelegenheit fehlte, eine, wenn auch nur passive
Rolle in Greueln und Morden zu spielen, ebensowenig war es hier gerathen,
aktiv in schlimmen Ränken und Liebeshändeln aufzutreten. Denn Herzog
Ercole sowie ihr Gatte Alphonso verstanden — dafür waren sie bekannt — nicht
den geringsten Spaß in dergleichen.

Die Moral des Hofes von Ferrara war sonst so schwach, wie die jedes
andern Hofes der Zeit. Trotzdem hielt Lukrezia es für geboten, an diesem
Hofe die größte Vorsicht zu beobachten. Ihres Vaters Macht reichte nicht so




') Vergl. den Bericht von Burkhard: „Der erlauchte Don Alphonso, Herzog von
Biselli und Fürst von Salerno, welcher am Abend des Is. Juli schwer verwundet worden
war, wurde, weil er an diesen ihm beigebrachten Wunden nicht sterben wollte, am 18. August
in seinem Bette erwürgt gegen die erste Stunde der Nacht. Man trug die Leiche nach Se.
Peter. Don Fr. Borgia, Thesaurar des Papstes begleitete sie mit seiner Familie. Man
führte in die Engelsburg die Aerzte des Todten und einen gewissen Buckligen, welcher mit
dein Fürsten gewöhnlich zu verkehren Pflegte, und man inquirirte sie. Sie wurden bald frei
gelassen, da derjenige straflos ausging, welcher deu Auftrag gegeben hatte, und man kannte
ihn sehr wohl."
"
) Höchst einsilbig schreibt Burkhard: „Am letzten August verließ M L. die Stadt von
WO Reitern begleitet (nach Nepi), um sich von der Gemüthsbewegung zu erholen, die ihr
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[0503] habe Alphonso retten wollen —, mit Stillschweigen, wie der einfachste Mord des gemeinsten Mannes wurde die That übergangen, ohne Sang und Klang wurde der Herzog eingescharrt.*) Lukrezia zeigte nichts von Zorn oder Haß gegen den Mörder,**) im Gegentheile Zeit ihres Lebens stand sie mit Cesare auf dem allerbesten Fuße. Als jene Katastrophe über ihn hereinbrach, hat niemand mehr für ihn gewirkt, als gerade Lukrezia. So elend und schwach erscheint sie, daß schon im November desselben Jahres an eine neue Hochzeit gedacht werden konnte. Es war kein geringerer als Alphonso, Erbprinz von Ferrar<mit dem ihr Vater sie zu vermählen gedachte. Ueber die ferraresische Zeit Lukrezias mögen nur noch wenige Bemerkungen der Apologeten wegen gestattet sein. Gregorovius preist mit ihnen den exem¬ plarischer Lebenswandel, den Lukrezia von nun an an dem Hofe von Ferrara geführt habe und meint, was sie auch früher gesündigt haben möge, er mache alles wieder gut, und eine Frau, der so allgemeines und enthusiastisches Lob in dieser ganzen Epoche und von so bedeutenden Männern, wie Bembo, Ariost und den Strozzis, von den Chronisten ganz abgesehen, gespendet werde, könne gar nicht vorher einen so schlimmen Lebenswandel geführt haben. Ich frage hier dreierlei: erstens kann dieser exemplarische Lebenswandel seine besonderen Gründe gehabt haben? Zweitens: was ist das Lob werth, welches ihr gespendet worden ist? Endlich drittens: war dieser Lebenswandel wirklich so exemplarisch? Auf die erste Frage bemerke ich, daß es Lukrezia in Ferrara doch im Allgemeinen etwas an Gelegenheit fehlte, eine, wenn auch nur passive Rolle in Greueln und Morden zu spielen, ebensowenig war es hier gerathen, aktiv in schlimmen Ränken und Liebeshändeln aufzutreten. Denn Herzog Ercole sowie ihr Gatte Alphonso verstanden — dafür waren sie bekannt — nicht den geringsten Spaß in dergleichen. Die Moral des Hofes von Ferrara war sonst so schwach, wie die jedes andern Hofes der Zeit. Trotzdem hielt Lukrezia es für geboten, an diesem Hofe die größte Vorsicht zu beobachten. Ihres Vaters Macht reichte nicht so ') Vergl. den Bericht von Burkhard: „Der erlauchte Don Alphonso, Herzog von Biselli und Fürst von Salerno, welcher am Abend des Is. Juli schwer verwundet worden war, wurde, weil er an diesen ihm beigebrachten Wunden nicht sterben wollte, am 18. August in seinem Bette erwürgt gegen die erste Stunde der Nacht. Man trug die Leiche nach Se. Peter. Don Fr. Borgia, Thesaurar des Papstes begleitete sie mit seiner Familie. Man führte in die Engelsburg die Aerzte des Todten und einen gewissen Buckligen, welcher mit dein Fürsten gewöhnlich zu verkehren Pflegte, und man inquirirte sie. Sie wurden bald frei gelassen, da derjenige straflos ausging, welcher deu Auftrag gegeben hatte, und man kannte ihn sehr wohl." " ) Höchst einsilbig schreibt Burkhard: „Am letzten August verließ M L. die Stadt von WO Reitern begleitet (nach Nepi), um sich von der Gemüthsbewegung zu erholen, die ihr der Tod des Herzogs, ihres Gatten, zugezogen hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/503>, abgerufen am 03.06.2024.